Fand ich nicht auf Anhieb, aber steuerte diese Kassettentür
im Bereitegang an, wo die Waren aus den Bäuchen großer Lastwagen platzten, dann
in Münder aufgerissener Bestellungen sich als schlechte Zähne stapelten und,
bevor sich noch ein 'Hallo' oder ein 'Guten Morgen' auf dem Weg zur Verdauung
machte, gezogen wurden, Kartons gleich auf Karren, Kisten auf Durst, Silberfässer
auf Gummireifen, Obst in eckigen Bäumen, ins dunkle Innere der Rachen, schmaler
wie ein Mann mit ausgestreckten Armen, plänkelnder Bodenbelag, auch ratschenden
Wänden, auch beschwerender Enge, ausgelutschte Jackettkronen zurück ins Helle
eines Morgens gespuckt – Kartons, eilig gefaltet in sperrige
Lederhandschuhen, Leergut in klirrender Schlottrigkeit einer nachgetrauerten
Nacht oder nun doch Zähneklappern, Fässer, die eine Runde nach der anderen
ausgaben, eckige Bäume – das erste Danke dieses Tages als sich
die ersten gähnenden Münder zwei Silben wieder schlossen, dann nacheinander,
dann die Bäuche sich auf Knopfdruck wieder vernähten, ein letztes Rülps der
Hebebühnen beim Saumaufschlag, ein Klatschen der Handschuhe nach dem Eingriff,
eines der Schuhe, ein Rumms der Fahrertür, ein Zünden der Rotation, rangierende
Körper wie schwule Ballett–Tänzer, ein letztes Augenzwinkern von hinten durch
den Blinker, links oder rechts der Ahnung der Liefereinfahrt eines bestellten
Zettels folgend, und kam mit ihr ganz natürlich in Berührung – abgeplatzter
Charme, fleckiger Messingknauf, Klingel ohne Ton und Namen, abgescheuerte
Unterleiste, wo der ungeduldige Fuß sich gegenstemmte, darüber aber, die
Kopfzarge, als Teil einer gedachten Parabel, in schattierten Lettern,
geschwungen, die Inhaltsangabe:
GOLDSCHMIT & CO ie, Fachhandlung
– vielleicht, weil sie sich nicht auf Anhieb öffnen lassen wollte.
Maulig wie ich war
begriff ich meine ausgebeulte Sakkotasche.
Und indem ich sie herauszog, meine Faust, glättete ich gleich
meine Befangenheit am Revers, hinterließ sie flach, wollte nicht mit einem
Knick als ersten Eindruck eintreten, ein sanfter Klaps, um uns beide zu
versichern, so gestärkt drehte ich am Knauf. Vielleicht hätte ich auch drücken
müssen. Nun, sie gab sich zu. Vielleicht, und das dachte ich wirklich dabei,
war es ihre Art, sich so bei den Kunden beliebt zu machen. Sie war mir nicht
geheuer. Es war nicht die Höflichkeit einer Tür zu verspüren, die gewohnt war,
aufzuspringen, wenn man erst drinnen handeln mußte. Warum davor? War
das doch der Grund, wozu sie da war. Für das Drinnen. Aber das dachte ich nur,
um mich nicht um den Grund meines Erscheinens zu kümmern. Die Bodenleiste gab
Anlaß für Bemerkungen, die schon andere hinterließen, ich befolgte deren Rat
und stemmte meinen Fuß dagegen, während ich nochmals den Knauf bemühte.
Vermißte ich? Ich machte mir zu viele Gedanken. Aber vermißte
ich? Das Knarzen, ein Knarren. Oder wenigstens das Bimmeln einer Klingel
oberhalb der Wahrnehmung. Eingewickelte Glühbirnen im Dunst ihres Erscheinens
begleiteten ein Verweilen zweier, vielleicht dreier Männer als Adepten der
Regale, die kaum aufgeräumt vor sich hin träumten. Links im Raume, dann ein
Paar, überkopfhoch, rechts im Raume dann der Tresen mit rauchigen Scheiben. In
jeder Gängelung Regenmäntelangewohntheiten, eine halbe Nummer zu groß,
Stehkragen, Hornkammbärte, Zwillingsbrillen, Hut mit Krempe. Die Regale
standen, die Stehenden ergaben Gänge, die Gänge reihten. Vielleicht erwartete
ich nicht solch einen Raum, vielleicht erwartete ich weit weniger Konturen.
Vielleicht erwartete ich neben dem Papierkorb der hinteren Wand, neben der
verputzten Anfälligkeit, eine Hintertür. Nein, eher einen Durchgang, den eilige
Photographen für ihre Entwicklung nutzten. Bis ich mich bemerkbar machte.
Hinterhofeingänge. Ich
erinnerte mich. Ich entwickelte meinen Weg bis hierher zurück, entlang,
emotionslos geteert:
Die aufgerissenen
Mäuler, die aufgeplatzten Bäuche, die schwulen Laster, die Ecke, die Ecke, die
dieser des Bereiteganges folgte, das Kabelgewirr der Elektrifizierung, die
Mülltonnen vor der Entrümplung, Einweg–Schilder, wieder Ecke, die Hauptstraße,
Ampelwäscheleinen durchhängend, der Verkehr in Wäscheklammern hinein geklippst,
wieder Schilder, diesmal in Form von Essensrabattmarken, ergaben die Parkdauer,
bordsteinlos ein Wasserhydrant, Chloroform–Läden. Keine Restaurants, keine
Galerien, noch keine Boutiquen. Dafür diese Verschwendung. Oder Großzügigkeit.
Oder.
Nun, wie dem auch sei.
Dort, für das Oder, lockte ein Schaufenster. Eingelassen zwischen den
Versuchungen der Geschäfte. So breit wie der Raum von innen quer. Fein
säuberlich geordnete Versprechungen mit Nummer, Artikelbezeichnung und Preis,
dahinter die Regale wie von innen, rechts im Raume, dann ein Paar,
überkopfhoch, links im Raume dann der Tresen mit geputzten Scheiben, Lampen mit
stetiger Einfassung. Warum, wußte ich nicht mehr, aber ich klopfte.
Ballte die Hand zur
Faust, dann gegen die Scheibe der Auslage, gleich zwischen einem geschnitzten
Elephanten aus Elfenbein, das aber laut Etikett Backelit war – Ganesha mit
Goldschmuck, das Gold war echt; zumindest behauptete das der Preis –, und
einem Aschenbecher aus Silber mit Deckel in Form einer Vagina, Drücker und
Schlitz – Art Déco vielleicht. Dumpf. Dann nochmal. Dann fächerte ich meine
Hand auf. Fugen. Ich blickte zur Seite, hinunter.
Ein Maler, der neben
mir kniete, blickte hoch, zur anderen. Ein Farbtöpfchen für die Peinlichkeit,
ein Pinsel tropfte an einem angefangenen Treppenabsatz. Er nickte. Ich wie Cary Grant. Versteckte mich in der
Sakkotasche.
Vielleicht erwartete
ich diesen Raum nicht zu solcher Zeit. Noch zu früh für Geschäfte.
*
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