"Hallo" ist das Pfandleihhaus des "Aufwiedersehn"...



Miniaturen des Absurden

Betrete mit der Miene der Abfälligkeit und erhalte Einlaß

Vom Jardin du Luxembourg zum Panthéon brauchte es schon mehr als platonisches Innehalten, um sich Gehör für Gesehenes zu verschaffen. Da...

Sonntag, 30. November 2014

Garagenfirma


Wer wollte schon mit dem Ende der Decke schlafen, mit dem sich schon die Füße unterhielten? Und vielleicht deshalb.

Und er stand auf. Einfach so. Indem er erst den einen, dann den anderen Fuß Bekanntschaft schließen ließ mit der Angewohnheit dort den Halt zu finden, wo es lohnte sie aufzusetzen. Und vielleicht streckte er sich dabei. Und vielleicht gähnte er sich einen Traum aus dem Halbrund der noch neu und nieder Blicke.

Dosen. Öl- und Terpentingeruch. Grober Grund und Ecken. An Wänden aufgehängte Gelegenheiten. Fahrradreifen, Warndreieck, loses Werkzeug. Unnützes, das man bevorratete. Davor gegebenes Versprechen einer Unordentlichkeit. Und J. stand. Vor dem Boden, der sein Bett war und der Decke, fleckigen Decke. Stand J. nun auf dem Boden, der sein Bett war. Zur Ruhe gegebenes Kissen und aus den Gähnentränen Unnützes, das man bevorratete. Schräg, vor der Kopfwand ausgediente Autoreifen, in der Mitte dieses rechteckigen Raumes, grober Grund, fleckiger Boden.

Und vielleicht war es einfach so. Und vielleicht war es einfacher, durch die Kopfwand zu brechen. Und vielleicht fehlte es an Licht, die Größe zu ermessen, wie man sie bedeckt hielt, um zum Nutzen Licht zu brechen, so daß J. sich wunderte, daß er stand, daß Öliges an den Füßen klebte, daß die Decke mit dem Etikett zum Kopfe zeigte, daß der Raum sich nicht bitten ließ, bewahrt davor zu bleiben, Unnützes wieder herzuzeigen. Und Licht fiel nur von der einen Seite ein. Nachdem nun auch J.s Augen aufgestanden waren.

Und vielleicht war es zu viel Licht auf einmal. In fleckiger Dunkelheit. Aber reichte aus, um einen Ausweg zu finden. Und J. brachte seine Füße in Bewegung, aber Unnützes bevorrateten, indem er erst den einen, dann den anderen Fuß Bekanntschaft schließen ließ mit den Begebenheiten, verlernt zu haben, wozu sie ihm gegeben. Und J. fiel. Auf den Boden. Schlug mit dem Gesichte auf, blutete. Und spuckte fleckigen Staub. Taubes Fühlen von den Händen. Kein dumpfer Schmerz von diesen, kein Pochen in den Flächen, keines in den Pulsadern. Und vielleicht war es einfacher, durch den Boden zu brechen. Und vielleicht fehlte nun die Decke, fleckige Decke, um sich im Neu und Nieder zu betten. Und J. stand auf.

Einfach so. Indem er erst den einen, dann den anderen Fuß Bekanntschaft schließen ließ mit der Angewohnheit dort den Halt zu finden, wo es lohnte sie aufzusetzen. Und vielleicht spuckte er einen Zahn aus, der ihm abgebrochen. Und vielleicht rieb er den Ellbogen, fleckigen Ellbogen, der gebrochen sein mußte. Und vielleicht fehlte es an Licht, zu erkennen, was J. am fleckigen Leibe trug. Aber Wärme, viel Wärme war zugegen. Und J. stand. In weißer Unterhose. Im Fallen ihrer Spuren erlegen. Und vielleicht war zu viel Licht zugegen. Und J. setzte seine Füße wieder in Bewegung.

Und vielleicht schmerzten sie. Und vielleicht waren auch sie gebrochen. Und vielleicht fehlte auch dort das Pochen. Und vielleicht war es einfacher, durch die Seite zu brechen. Wo Scheinbares die Wände schmückte, Werkzeuge, Warndreieck, Dosen, Pinsel, Nutzloses, das vergessen wurde, aber erinnerte, an den Nutzen, den all diese Dinge mal erbrachten. Und vielleicht war es einfacher, sich entlang der Seitenwand abzustützen. Und vielleicht streckte J. seinen Arm dort hinaus. Und vielleicht griff er. Und vielleicht rumpelte dadurch Bevorratetes zu Boden. Und J. fiel.

Träume, nichts gegen Träume gegen das eigene Erwachen, um zu erkennen, daß sich neu und nieder in die Wunden schmückten. Daß so viele Schmerzen keine. Schlug mit der Stirn auf, blutete. Das Kinn knackte nach den Begehrlichkeiten, seinen Mund aufzusperren und all den Schmerz herauszuschreien, doch entsagte wegen der Vergänglichkeit eigener Worte, die man nicht teilte, mit dem Raum nur, fleckigen Raum, nicht teilte. Und J. stand auf. Und J. stand vor dem Eingang. Und wäre J. tausendmal hingefallen, so wäre er tausendundeinmal aufgestanden. Und vielleicht war kaum Licht vonnöten, um auf das Tor zu deuten, nach dessen Knauf, der an kurzem Strick baumelte, J. nun griff. Ging das Tor nach oben auf, glitt unter die Decke und stand vor einem Berg aus Autoreifen.

Und vielleicht war es einfacher, durch die Decke zu brechen. Und vielleicht war es einfacher, die Garage kleinzubrechen. Und war es vielleicht einfacher, aufzubrechen, war es schwerer, liegenzubleiben. Stand J. vor dem Berg aus Autoreifen, die diese Garage vor dem Zwecke bewahrten, Unnützgewordenes einzulagern. Und J. kroch durch die Reifen. Einfach so. Indem er sich in Bewegung brachte, mit dem Gedanken. Und vielleicht war zu viel Hitze zugegen. Sand und Staub, Himmel, fleckiger Himmel, kein Ort für Vorboten eines Sturmes. Und vielleicht war ein Schrottplatz gegeben. In der Wüste. Lagen Autoleichen gestapelt zu Unnützem bewahrt vor den Gelegenheiten, sich an all die Fahrten zu erinnern, die sie hierher brachten am Ende.

Und J. stand. Und J.s Körper, fleckiger Körper war zerschunden. Und viel Licht brauchte es nicht, zu erkennen, was ihm angetan. Doch fehlte das Pochen. Vielleicht in der Schläfe. Vielleicht in der Halsschlagader. Vielleicht in der Bauchschlagader. Vielleicht in der Beinschlagader. Vielleicht in der Pulsschlagader. Und brauchte es nicht, um zu stehen. Zu gehen. Zu sehen. Und J. stand. Einfach so. Indem er seine Füße Bekanntschaft schließen ließ mit dem Grund, fleckigen Grund, der ihn trug, und fiele er wieder, aufhob. Einfach so.

Und vielleicht sah er sich so hängen. Am Eingang aufgehängte Gelegenheiten. Ein Pfeiler, senkrecht, Glühbirnen ohne Faden, um sie zum Brennen zu bringen. Automobileparts. Stand J. vor dem Geschriebenen. Schlagschattenumspielte Buchstaben. Waagerecht: Sales and Repairs. Nazareth, Nevada. Schrottplatzkreuz. Von Zaun umgeben, daran Dutzende blitzende Autofelgenchromkappen. Danieder J.s Kleider. Blut, und Spucke, und Spuren der Bestrafung. Stand J. davor. Und vielleicht hing er daran. Von Banditen ausgeraubt. Oder war er Drogendealer. Von seinen Geschäften hintergangen. Oder war jemand mit einer Autopanne. Oder wie es dazu kam. An einem Kreuz zu hängen. Einfach so. Die Hände mit Stacheldraht durchbohrt, die Füße ebenso. Die Strahlen einer Reklame der Freiheitsstatue von New York als Krone. Ohren, Nase und Gemächt abgeschnitten. Messerstiche.

Und J. stand vor sich. Und vielleicht brauchte es nicht viel, sich zu erkennen. War unnützes Pochen nicht vonnöten. Setzte einen Fuß vor den anderen. Und umging die Wüste einfach so.

Sonne, Mond und Sterne im Neu und Nieder eines Tages am Himmel.


Und brach Bahn mit dem Gedanken, während sie die Bögen spannten, die Zwie dieser Welt zu bannen.





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Samstag, 29. November 2014

Malte bunte Welten auf den Boden


Stattdessen war ich für meinen Vater mehr als nur die eine Herausforderung, der er sich sein Leben lang stellte. Erinnerte er sich an mich als Kind, so setzte er mich zwischen seinen Notizen auf den Boden, die er vom Schreibtisch aus der Schreibmaschine zog, wortlos zerknüllte und zu mir hinunter zuwarf. Und vielleicht erkannte er darin die Worte, die er für seine Geschichten benötigte, als ich zwischen den zerknüllten Absätzen meine Malstifte gegen seine Worthülsen drückte, seine Versuche, den einen richtigen Kapitelanfang zu finden, Bogen um Bogen glatt strich und die Rückseiten mit bunten Bleibseln meiner gewollten Nähe zu ihm bemalte.

Mein Vater erzählte mir nicht die Geschichten, die ihn umgaben. Er las mir nie aus seinen Büchern vor. Stattdessen nahm er mich an der Hand. Warm und weich wie sie nur in der Erinnerung an die nächste Handreiche sein konnte und fest genug, daraus ihre Liebe zu begreifen, wenn er sie löste, für alle weiteren Male, die er meine zu seinen Handlungen führte. 

Setzte er mich zu seinen Füßen, so setzte er mich auf den Sand, der ein Pflaster dämpfte, und tippte er härter seine Buchstaben in die Tasten seiner Schreibmaschine, so spürte ich das Dröhnen eher, das er durch die verwinkelten Gassen unstoppbar zu mir leitete, während ich auf meinen bunten Stiften die Farbe kaute, die er für seine Szene brauchte. Hob mich im letzten Augenblick aus dem Gedränge, bevor mich seine Gabe zertrampelte, drückte mich so an seine Wärme, daß ich nie mehr eine andere fühlen wollte und gab sie dann doch wieder seiner Schreibmaschine.

Setzte er mich ins Gras und war es Sommer und schrieb er im Garten und warf er mir seine Kapitel zu, die ersten Absätze, die er mit diesen zerknüllten Blättern nur mir widmete, so setzte er mich auf die Hitze eines flirrenden Feldes inmitten seiner Landschaften, die er vorher schon bereiste, und zwinkerte mir mit den Kommas, die er spärlich zeichnete, zu, mit schwachem Druck auf die Schreibmaschine, so daß ich mit meinen bunten Strichen Vögel auf die Rückseite seiner Eindrücke malte, aus deren Flügelschlag er sein Knattern für seine Geschichte lieh, und hob mich im letzten Augenblick mit beherzten Händen aus der Schußlinie dieses fremden Landes, das er mich nie besuchen ließ. Und war seine Nähe keines seiner Worte fähig.

Setzte er mich auf den Steg zu unserem kleinen See, so schrieb er auf dem Trockenen feuchte Sätze in seine alten Augen, und sah in mir den Fisch, den er fangen wollte, nur weil es mich gab und dafür lohnte, ein schmales Boot bei Sonnenschein zu besteigen und bei Sturm mir diese Liebe zu beweisen, während ich mit den bunten Stiften seine zerknüllten Enden auf Papier in das Wasser schubste. Und nur einmal, als ich eine junge Frau wurde, ließ er mich vor der Tür alleine, stehend, ohne seine Wärme und las sein eigenes Buch zu Ende.


Setzte er mich zu Boden, setzte er mich nie zu mir in seine Worte.





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