"Hallo" ist das Pfandleihhaus des "Aufwiedersehn"...



Miniaturen des Absurden

Betrete mit der Miene der Abfälligkeit und erhalte Einlaß

Vom Jardin du Luxembourg zum Panthéon brauchte es schon mehr als platonisches Innehalten, um sich Gehör für Gesehenes zu verschaffen. Da...

Samstag, 24. Februar 2018

Die Poesie der Nase, die ist noch nicht erfunden


Meine Brieffreundin sagt.

Meine Brieffreundin sagt – die, nebenbei erwähnt, klug und schön ist –, ich solle mich jetzt mal um die Poesie kümmern.

„Kümmer‘ Dich mal um die Poesie.“, sagt sie kurz und knapp.

„Warum soll ich mich denn jetzt um die Poesie kümmern?“, sage ich meiner Brieffreundin, die nebenbei behauptet, klug und schön zu sein.

„Ich könnte mich jetzt um viel wichtigere Dinge kümmern. Ich könnte das Aussehen von Pflastersteinen benoten oder die Unwirklichkeit von Rauhhaardackeln pro Rentnerbein an Wintertagen bewerten. Ich kann mich jetzt nicht um die Poesie kümmern. Es gibt noch so viel über Dackel zu erzählen.“, sage ich meiner Brieffreundin, die klug und schön ist. Sagt sie.

„Wirklich nicht.“

„Doch. Kümmere Dich jetzt mal darum.“, sagt sie kurz und knapp.

Kurz und knapp sagt sie das. „Die Poesie, die ist noch nicht erfunden.“

„Doch. Die ist schon erfunden.“, sage ich.

„Nasen wurden auch schon erfunden. Trotzdem gibt es immer wieder neue.“, sagt meine benaste Brieffreundin und schickt mir ein Photo von einer Nase. „Das ist eine Nase.“, sagt sie dazu.

„Das ist eine Nase.“, sage ich naseweis dazu.

„Nein. Das ist keine Nase, das ist Poesie. Mach‘ da mal was.“, sagt meine Brieffreundin, die je weniger klüger sie erscheint schöner wirkt, was den Effekt erklärt, von ihr gleichermaßen angezogen wie abgestoßen zu sein, je schöner sie wirkt, wenn sie klug ist.

„Mach‘ da mal was.“, sagt meine Brieffreundin, die wohl nicht mehr alle Nasen im Gesicht hat.


Hätte sie noch alle Nasen im Gesicht und hätte ihre Nase nur ein Loch, dann würde ich es ihr stopfen, denke ich. Und dann wäre es gestopft, bis zu einer kritischen Masse. Ihre Nase hat aber zwei Löcher.

Ein schwarzes und ein weißes.

Je größer ein Schwarzes Loch, desto kleiner das weiße Zwillingsloch daneben.

Ein Schwarzes Loch geht immer mit einem weißen Zwerg an seiner Seite einher.

Das behaupte ich jetzt einfach. „Und das ist dann Poesie.“, sage ich. 

„Behaupte etwas, dann ist es Poesie, denn Poesie behauptet etwas.“, behaupte ich.

Das ist die Einführung in die Poesie, und mit ihrer Hilfe, mit Hilfe der Liebe werden wir lernen, zaubern zu lernen. Das nennt man Magie.

Die Wahrscheinlichkeit ein und derselben Person an einem anderen Ort zu erscheinen erhöht sich an anderem Ort von 0 % zu > 0 %, richtet sie ihre Wellen als Subjekt auf den anderen Ort.

Oder poetisch:

Musik wärmt, Ruhe kühlt.

Spiegelt sich Musik in einer Oberfläche, wärmen Wellen – Schritte wie Musik. Sei leise, und Du kühlst; höre aber auf Dein Herz: Es pocht. Und piekst. Stehst Du vor einem Spiegel, bedenke, schaut Dich Dein Spiegelbild wärmer an, doch vergesse nicht, zu lächeln, und stelle Dir nicht Dich, stattdessen Deine Spiegelliebste vor, so wird es noch wärmer von innen davor.

„I knew a Mark. He came in sight… and left in dark. Mark w’out light and saw… what might an‘be: ‚O trout!‘, he said. And marked. ‚And not a’lowed. For mee.‘“


„Das Spiegelbild eines Menschen ist wärmer als träfe nur weißes Licht auf die spiegelnde Oberfläche.“, sage ich meiner Brieffreundin, die klug ist, nicht an meiner Seite vor dem Spiegel zu stehen, nebenbei erwähnt, was sie, nebenbei erwähnt, schöner aus der Ferne erscheinen läßt.

„Du hast ja einen Knall. Das klingt ja noch nicht mal poetisch.“, sagt meine dumme und häßliche Brieffreundin. „Du denkst wohl, nur weil Du Dich vor einen Spiegel stellst, ist das Poesie? Wenn Du Dich siehst, wird Dein Spiegel wärmer?“

„Der Spiegel wird wärmer. Wärst Du ein Objekt. Sähe ich Dich im Spiegel. Und richtest Du Deine Wellen auf mich.“

„Du siehst mich also als Objekt?“, sagt meine Brieffreundin objektiv.

„Ja. Sähe ich Dich als Subjekt, spürte ich Deine Wärme aus der Nähe. Aus der Ferne spüre ich sie mithilfe eines Spiegels, betrachte Dich aber als Objekt.“, sage ich meiner klugen, zuweilen schon mal geschönten Brieffreundin. „Du bist da und dort. Zur gleichen Zeit. In meinem Spiegel und bei Dir zuhause. Anhand der Wärme. Die Poesie ist entdeckt.“

Daraufhin höre ich zwei Wochen nichts mehr von meiner kalten Brieffreundin.

Sie muß sich noch erwärmen, denke ich.

Widme ich mich lieber Dackeln. Über die ist noch nicht alles erzählt, was-solls-ze ich.


„Es gibt noch so viel über Dackel zu erzählen.“





*




(Ode/r an Gravitationswellen. Ein Schwarzes Loch ist wie eine Nase. Es hat einen Gravitationsberg und zwei Löcher. Ein großes Schwarzes und ein kleines weißes daneben. Ist wie Poesie: Die Poesie, die ist noch nicht erfunden, entdeckt man erst, was in ihr steckt. Man muß jetzt nur noch den Popel in der Nase finden. Und dann muß man entdecken, was im Popel steckt, bevor man etwas entdeckt. Man muß sich also den Popel erst mal vorstellen, bevor man ihn entdeckt. Das ist Poesie. Dann ist die Poesie erfunden. Und dann kann man schauen, was im Popel steckt. Und dann hat man den Finger schon in der Nase, aus der Nase. Und dann war man schon mal kurz im Schwarzen Loch und wieder draußen.)






Mittwoch, 21. Februar 2018

Die Namenlosen – Du erzählst nichts über Dich, also habe ich auch nichts von Dir zu erzählen


Wie traurig das ist. Es gibt sie immer noch, die Antiquierten.

Meine Augen scrollen an Teaser-Texten vorbei.

„Du! Du! Du!“ steht da geschrieben. Da steht: „Du bist das, Du biest dies, Du bist des!“

Und zeigen mit dem Finger auf einen. Stochernd. Nochmal folgt: „Du! Du! Du!“

Noch immer erzählen sie nichts von sich. Nur immer von anderen. Von denen lese ich nichts, die kaufe ich nicht, von denen habe ich nie gehört, denke ich.

Ist so, wie ein Nachbar im Hausflur, der sich vor einen stellt und immer stochernd mit dem Finger auf einen zeigt: „Du! Du! Du!“, sagt sie dann oder er.

Traurige Gestalten, denke ich dann. Traurige, antiquierte Gestalten.

„Du erzählst nichts über Dich, dann habe ich Dir auch nichts zu erzählen.“


Ich stelle mir Leute, die schreiben, immer als Nachbarn vor, denen man im Hausflur begegnet. Sie wollen einem was erzählen. Aber statt zu erzählen, sagen sie dann nur: „Du! Du! Du!“

Manchmal denke ich, es sind nur Stufen von Treppen. Die kann man auch mit „Du! Du! Du!“ ansprechen. Man steigt einfach über sie hinweg.

Wie gut, daß ich nette Nachbarn habe. Die meisten kenne ich beim Namen. Sie erzählen von sich und ich erzähle von mir. Die neuhinzugezogenen Du-Du-Du-Nachbarn verwesen derweil in ihren Wohnungen. Nach vier Wochen, wenn der Gestank unerträglich wird, ruft man dann die Feuerwehr. Namenlos wird der Sarg aus der Wohnung getragen.

Kofi tanzt.

Kofi hält sein Radio ans Ohr und tanzt.

„Kofi, alles gut?“, lächele ich ihn auf dem Laubengang an und schwinge die Hüfte. „Haha. Ja, alles gut.“

Kofi hat mir mehr zu erzählen als alle eloquenten Verstummten.

Und Kofi spricht besser Deutsch.

Woher Kofi kam?

Er war einfach da.

Eine andere, ganz liebe Nachbarin traf ich an der Bushaltestelle und dann noch mit ihrem Hund vor der Apotheke. Sie wünschte mir einen schönen Tag. Aber vorher fragte sie noch, wie es mir geht und sie meinte das auch so. So, wie ich Kofi frage: „Kofi, alles gut?“ Und es ist mir wirklich wichtig. Und er fragt mich auch, wenn wir uns auf der Straße treffen. Er sagt meinen Namen und dann fragt er:

„Alles gut?“

Wir haben uns mehr zu erzählen, als wären wir Nachbarn, die nur „Du! Du! Du!“-Nachbarn wären. 

Deren Namen kenne ich nicht. Ich denke nur, hoffentlich ruft ein anderer die Feuerwehr, wenn sie in ihrer „Du! Du! Du!“-Wohnung verwesen. Kofi nickt. Keiner kennt ihre Namen.





*



 (Ode/r an „Wenn ich Dich nicht kenne, kennt Dich keiner.“


Altes Nachbar-Sprichwort.)




Regina fliegt




Regina ist ein kleines Mädchen.

Regina ist ein kleines Mädchen und wie jedes kleine Mädchen will es die Aufmerksamkeit ihres Schwarms haben. Ihr Schwarm soll sie loben: „Lob mich doch endlich mal!“, trotzt es aus Regina heraus. „Warum lobst Du mich denn nie! Ich gebe mir doch so viel Mühe.“

Regina malt.

Sie zeigt Peter ein Blatt Papier. Peter ist ihr Schwarm. Darauf: Ein Baum, ein Haus, ein Fahrrad.

„Hab‘ ich selbst gemalt!“, bricht es aus Regina heraus. Und: „Du bist doof. Ich hasse Dich!“, als Peter das Blatt Papier zurückgibt.

Peter lobt nicht. Er denkt: „Nein, Regina. Du gibst Dir keine Mühe. Du rotzt nur was aufs Papier, damit ich Dich loben soll. Alle sollen Dich loben. So funktioniert das nicht. Male doch mal was, was Du nicht malen kannst. Was Du noch nie gesehen hast.“

„Ich hasse Dich!“ Regina schnappt sich das Papier, rennt aus dem Zimmer, knallt die Tür zu.

In Reginas Zimmer: Kuscheltiere. Sie deckt sich mit fünfen zu. Sie spricht. Sie müssen ihr zuhören. Sie wollen nicht wie Winfried die Weinbergschnecke unter dem Bett enden. Winfried die Weinbergschnecke hatte es gewagt, sich nicht so doll drücken zu lassen, als Regina letztens trotzte, weil Maria von Gegenüber ihr nicht gesagt hat, wie schön sie ist. „Sag‘ mir, daß ich schön bin!“, hatte Regina einen Stein vom Boden aufgehoben und damit gedroht, Maria zu bewerfen. Maria lief heulend zu ihrer Mama.

„Wenn Peter nur wüßte, wie sehr ich ihn liebe!“, beinahe kugelte sie Hannah der Häsin einen Arm aus. Hannah die Häsin will nicht wieder aus dem Bett geschmissen werden und mit dem Flauschekopf mit den Flauscheohren gegen die Tür knallen. Sie mümmelt ganz still.

„Wenn Peter nur wüßte, wie sehr ich ihn liebe. Ich hasse ihn. Dann würde er mein Bild loben. Ich habe es extra für ihn gemalt!“

Mama kommt nach Hause. Mama tröstet Regina. Sie sagt: „Regina. Laß doch mal den Peter in Ruhe. Er hat sich doch Dein Bild angeschaut. Er hat es sich angeschaut, aber vielleicht mag er es nicht so, wie Du es ihm so unter die Nase hältst. Los. Loben!, sagst Du dann. Und außerdem hast Du nie gesagt, daß Du ihn magst. Und wie schön er malen kann. Weil Du alle seine Bilder im Malunterricht heimlich anschaust. Woher soll er das denn wissen? Hier, ich habe Dir noch ein neues Kuscheltier mitgebracht. Norbert das Nashorn.. Über Esther die Eselin sprechen wir jetzt nicht. Sie ist jetzt an einem anderen, besseren Ort.“

„Esther war doof.“, wimmert Regina. „Sie ist ja auch ein Esel.“, sagt Regina. „Und Peter muß das schon selbst herausfinden, daß ich ihn so mag. Und daß ich seine Bilder so mag. Ich werde ihm das nie erzählen. Nachher denkt er noch, daß ich ihn mag. Und dann sagt er bestimmt, daß er mich nicht mag. Und dann stehe ich ganz doof da. Und er malt nie ein Bild von mir. Also sage ich gar nichts. Er soll nur meine Bilder loben, die ich für ihn male, weil ich ihn so mag. Aber er lobt sie ja nicht. Ich hasse ihn!“

„Ach, Kindchen.“, sagt Mama. Dann drückt Mama Regina und Regina wischt sich den Rotz aus der Nase. Der Trotz landet bei den Träumen. Er schläft. Der Trotz schläft, wenn er die Augen schließt und schläft, selbst wenn die Nase offen bleibt. Sie lutscht dabei den Daumen. Wenn Regina schläft, ist sie ein Engel.

Am nächsten Tag.

Regina trifft Peter auf dem Schulweg. „Lobst Du jetzt mein Bild oder nicht!“ Sie hält es in der Hand. Sie droht mit Mama. „Nein. Lob ich nicht.“ Peter bleibt dabei.

„Jetzt hasse ich Dich noch mehr!!!“, schreit Regina Peter, ihren Schwarm, an, den sie liebt und rennt davon.

„Renn‘ doch.“, murmelt Peter hinterher. „Renn‘ doch mal, wie Du nicht rennen kannst. Du rennst wie ein Mädchen und willst nur dafür gelobt werden, weil Du ein Mädchen bist und rennst. Renn‘ doch mal so, als ob Du fliegst. Fliegen ohne Flügel. Da traust Du Dich nicht. Dumbo hatte auch keine Flügel.“

Regina macht das noch sauerer, weil Peter nicht hinterherrennt.

„Ich hasse Dich!!!“, ruft Regina außer sich am Schultor.

Jetzt kommt Maria. Jetzt kommt’s, wie es kommen muß: Jetzt kommt zu viel.

„Hallo, Maria.“

„Hallo, Peter.“

Regina wird von nun an nur noch für Geld hassen, schwört sie sich.

„So werde ich wenigstens reich!!!“, schreit sie die Kinder an.

Als Maria auch noch ein Blatt Papier aus ihren Schulranzen hervorholt und es Peter zeigt und der dann lächelt und dann auch noch sagt: „Oh. Wie schön.“, ist es um Regina geschehen.

„Aaargh!!!“

Sie wird jetzt Superheldin, nimmt sie sich diesmal vor. Nachts, wenn keiner schaut, bricht sie in Kinderzimmer ein und vertauscht die Buntstifte in den Mäppchen mit fiesen Füllern. Von Pelikan.
Die Pelikanerin nennt sie sich seitdem.

Sie denkt sich schon ein Kostüm aus. Es muß ganz verwegen sein, denkt sich Regina, damit die Pelikanerin ganz gefährlich aussieht. Es muß auf jeden Fall wie ein Pelikan aussehen. Aber gefährlich.

„Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt. Regina Rexikan.“ ist ihr Zeichen. In Kinderschreibschrift. Und daneben ein gemalter Pelikan. „Ich Pelikan, also bin ich.“
Oder: „Ich Pelikan nichts dafür. Petersilie-bte. I was hier.“


Und so kamen – das ist die Geschichte – all die Füller in die Mäppchen von armen Kindern. Und seitdem müssen alle Kinder mit Füllern schreiben. Weil es Regina so will. Sie ist eine Geheim-Superheldinagentin. Supergeheim. Supergeheimsuperheldinsupergeheimsupergeheimagentinheldin. So geheim, daß selbst ihre Mama nicht weiß, daß sie super heimlich die Pelikanerin-Woman ist.


Und wie die Geschichte weitergeht?

Ach, das sind nur Kindergeschichten.



Dies ist übrigens Version 1 der Geschichte. Version 2 – die wenig erzählte und wenig geliebte – geht so:


„Hallo, Regina.“

„Hallo, Peter. Du, Peteeer, ich habe was gemalt. Schau‘ es Dir doch mal an, wenn Du willst. Und sag‘, was Du siehst. Das wäre lieb.“

„Ein, Haus, ein Baum, ein Fahrrad.“

„Schau‘ es Dir doch noch mal genau an.“

„Ein Haus, ein Baum, ein Fahrrad. Warte… Jetzt sehe ich’s. Da ist noch ein ganz kleiner Kopf hinter der Mauer des Hauses. Mit Zöpfen. Der schaut. Ganz verdruckst. Das bist ja Du. Fast hätte ich das übersehen. Du hast gemalt, was man nicht sieht. Und die Zöpfe, die fliegen.“


„Ja. Ich trau‘ mich nicht so.“

„Das ist ja schön. Das ist ein ganz schönes Bild, Regina. Danke.“

„Bitte. Habe ich für Dich gemalt. Du, Peteeeer.“

„Ja, Regina?“

„Ich mag auch, wie Du malst. Äh, hihi.“

„Danke. Das ist aber ganz lieb von Dir. Das hast Du ja noch nie gesagt.“

„Ja. Äh. Hihi.“

Regina wird ganz rot. O Gott, denkt sie, Boden öffne Dich.

„Das ist ja nett. Das hat noch niemand zu mir gesagt. Ich denke immer, die Lehrerin mag nie, was ich male. Dann male ich einfach für mich.“

„Nee… Du malst schöne Sachen.“

„Du auch, Regina. Danke. Hättest Du mir ja auch mal sagen können. Hätte ich Dir auch mal sagen können. Hier, habe ich für Dich gemalt…“

Peter holt ein Blatt Papier hervor. Darauf: Ein Baum, ein Haus, ein Fahrrad.

„Da guckt ja ganz verdruckst ein kleiner Kopf aus dem Fenster. Bist Du das?“, sagt Regina. „Und da steht ja ‚Resina‘ auf dem Fahrrad. Ganz klein.

„Ja. Äh. Hihi. Hab‘ mich verschrieben.“

„Das ist aber schön…“


Und so kam es, daß Regina doch nicht Geheim-Superagentinheldin wurde. Und heimlich Füller in die Mäppchen der Kinder steckte. Seitdem dürfen Kinder auch mit Kugelschreiber, Filzstiften, Buntstiften, Wachsmalkreidestiften, Bleistiften, Fingerfarbe, Deckfarbe, Wasserfarbe und mit Tintenkiller schreiben. Auch mit Füller, wenn sie das wollen. Erst mit Füller, dann mit Tintenkiller, bis das ganze Papier aufweicht und man darüber schreiben muß. Und dann Pfeile zum darüber geschriebenen Wort malen muß. Damit die Lehrerin das noch lesen kann. Peter nahm einen Bleistift aus seinem Mäppchen und malte einen Pfeil auf den Kopf von dem Mädchen, was hinter der Ecke hockt mit den Zöpfen vom Haus auf Reginas Bild: „à Regina, hihi.“, schrieb er dazu.

Dann nahm Regina einen spitzen Buntstift in ihrer Lieblingsfarbe und malte auf Peters Bild, in Peters Kopf, auf dem er lächelt, eine Zunge. Die streckt er dann heraus, hihi.



Und Maria?

Was ist mit Maria?


Ach, das sind nur Kindergeschichten.

Wir wollen sie gut enden lassen.



Oder doch nicht?

Alle Kinder sterben.


Dann werden sie zu Erwachsenen.

Nur Regina nicht. Und Peter nicht. Und Maria, Hannelore, Mechthild, Hildegard, Karina nicht. Und Cornelia, Katharina, Brunhilde, Bethseda, Diana, Bettina, Monika, Katrina, Mathilde…






*



(Ode/r an „Alles muß man selbst erzählen: Alles ist schon erzählt.“, füge ich an. „Nur nicht von mir. Damit dann alles erzählt ist, bevor es ein anderer tut. Und dann müßte ich ja nochmal von vorne anfangen, alles zu erzählen, bevor es ein anderer tut, alles zu erzählen. Und dann ist schon alles erzählt, bevor es ich getan habe. Und dann müßte ich ja wieder von vorne anfangen, alles zu erzählen. Und dann fängt alles wieder von vorne an, bevor schon alles erzählt ist. Und dann müßte ich ja schon alles erzählen.“

Dies ist übrigens nach wie vor eine Literaturseite hier. Eine merkwürdige Art von Literatur. Aber Merkwürdiges kann ich hier nicht entdecken. – Wer das liest, ist dumm!)




Dienstag, 20. Februar 2018

„Die Liebe erscheint nur denjenigen unbequem, die sie anstreben.“


Dies ist von mir. Von mir ist auch: „Was ist schneller als Licht? Die Liebe! Sie erreicht einen schon, bevor man sie erblickt.“

Aber auch von mir ist: „Ich lebe ja nicht für die Bedürfnisse anderer.“

Und von mir ist auch sonst nichts.

Ich erblickte die Liebe vor einem Museum, etwas davor, und, zwei Augenblicke dahinter, dahinter vor einer Überführung. Museum und Überführung, dort erblickte ich die Liebe. „Etwas zu früh.“, dachte ich. Es war ja noch Winter, Museum. Etwas zu spät – es war ja noch nicht Frühling –, für die Überführung. Die Frau knipste erst ihren Boyfriend, auflächelnd. Dann knipste der Mann seine Girlfriend, auflächelnd. Natürlich bin ich mir der gesellschaftlichen Ausgrenzung bewußt, die damit einhergeht: Ich lächelte für die beiden mit.

Zwanzig Schritte später ging ich in meiner gesellschaftlichen Ausgrenzung noch weiter: Nämlich zwanzig Schritte. Ein Pärchen, händchenhaltend, kam mir entgegen. Und auch da konnte ich nicht anders, als mich für die beiden zu freuen. Dann kam die Überführung und ich bog zur Praxis meines Psychiaters ein.

Hatte ich schon erwähnt, daß ich mittlerweile die Gedanken anderer ignoriere, in deren Augen ich etwas sein müßte? „Du bist alles, was Du in mir findest.“, denke ich immer dabei. „Nur könnte es Dich erschrecken, was Du dabei in Dir selbst entdeckst.“ Dann lache ich auf. Lache doch auch auf. Ich habe meinen Frieden mit mir gemacht. Andere müssen ihre Kriege noch führen.

Den Krieg mit sich zu führen ist erst mal nichts Verwerfliches. Es schwingt nur immer der Vorwurf mit, man müßte mit jemanden kämpfen. An seiner Seite. Und dann besiegt man gemeinsam die gegnerischen Truppen. Und dann schließt man sich im errungenen Frieden in die Arme und wiegt sich am Marktplatz vor einem Brunnen. Und über einem Feuerwerk. Und es ist Toscana und irgendjemand bereitet Tische, von irgendwo her kommen Tischtücher, Teller, Lachen, Wein in Flachen ohne Etikett, volle Schüsseln mit Spaghetti und Töpfe mit roten Saucen. Und dann sitzt man in trauter Runde, die Ellbogen auf den Tischkanten, die abgeklappten Hände vor dem Kinn, darüber das stille Lächeln, schaut sich um, und der Glanz in den Augen, das sind die Lampions, und niemals, niemals darf die laue Nacht in Wärme enden.

Natürlich bin ich mir der gesellschaftlichen Ausgrenzung bewußt: Ich lächelte für die zwei Pärchen mit.

„Aber für mich ist das nicht mehr nichts.“, dachte ich dann. Und es lag keine Bitternis in meinen Worten.

Die Liebe erscheint nur denjenigen unbequem, die sie anstreben.

Ich bin mir meiner gesellschaftlichen Verantwortung natürlich bewußt, Erwartungen bei sich zufällig Vorbeilaufenden zu erfüllen. Und denke manchmal an die, an denen ich zufällig vorbeigelaufen bin. Natürlich war ich dann nicht ausgeschlafen oder schlagfertig sympathisch vorbereitet oder sonst wie komisch. Ich verdränge diese zufälligen Begegnungen und hoffe, daß diejenigen diese Begegnung auch verdrängen. Ich hoffe nicht, daß sie mir heimlich auf diesem Spaziergang – und nichts anderes ist dieser Ort hier, ein See, an den ich manchmal spazieren gehe, wenn ich zu faul bin, an den See vor meiner Tür zu gehen – folgen.

„Ich erfülle keine Erwartungen.“, sage ich dann immer. Und will es auch nicht.

Man schwimmt, indem man verdrängt. Verdränge das Wasser, dann gehst Du nicht unter. Und ich meine das wirklich so, wie ich das schreibe: Verlasse diesen Ort hier. Er wird Dir keinen Nutzen bringen. Er wird Dir nicht gut tun. Suche Dir einen anderen See. Dort schwimme, indem Du Wasser verdrängst.

Natürlich ist es dafür noch zu kalt. Das Wasser, denke ich

Ich freue mich immer, wenn ich verliebte Pärchen sehe.

„Aber für mich ist das nichts.“, sage ich dann und lasse mir das Freuen auch nicht ausreden.
Ich freue mich, wenn ich mich freue.

Ich habe meinen Frieden mit mir geschlossen, sterben muß ich deshalb noch nicht. Was andere darunter verstehen, wie sie „zu leben“ definieren, muß für mich noch kein Auftrag sein, genauso zu leben. Ich bin froh, einen Platz zu haben, still spazieren zu gehen. Mich zu freuen, mich aufzuregen, was ich nur lachend tue, wenn Menschen ernste Dinge sagen, die mich zum Lachen bringen und sie nicht. Ich spaziere alleine. Oder ich liege alleine. Einsam bin ich dabei nie.

Vielleicht bekümmert es mich, daß wenig gesagt wird, von sich selbst, und nur gerne von anderen. Das Selbst derer scheint nur wertvoll zu sein, klatscht man es anderen ins Gesicht. Ohne über sich selbst zu erzählen. Was soll’s. Manchmal inspiriert mich das, dies ins Absurde zu ziehen.

Ich lache viel dabei und das meiste Lachen speist sich aus der Erkenntnis, daß andere nicht dabei lachen und sich freuen, wenn sie von Wichtigem berichten. Dann stelle ich mir vor, mich von hinten dazuzugesellen und sie unerwartet einfach mal durchzukitzeln. Ja, auch die Füße! Mit ernster Miene versuchen sie sich gegen das Lachen zu sträuben, weil es ja so wichtig und ernst ist, was sie gerade machen, und ich störe dabei mit meinem Kitzeln, aber dann geben sie sich dem hin, ach, egal, erst mal lachen. Zugrunde gehen kann ich ja noch später.

„Zugrunde gehen kannst Du noch später.“, sagst Du dann. „Ich verdränge Wasser, dann kann ich schwimmen. Später, später. Zugrunde gehen kann ich auch noch später. Jetzt habe ich erst noch was Unwichtigeres zu erledigen.“

Im Sommer nehme ich mir vor, schwimmen zu gehen. Alleine. Ich wünsche jedem einen See.


Die Sorgen treiben oben, kann ich versprechen.





*




(Ode/r „Natürlich bin ich mir der gesellschaftlichen Ausgrenzung bewußt, nicht unterzugehen. Die Freude des einen ist immer der Ärger der anderen. Aber auch das kann einem Freude bereiten: „Erzähle mir eine Geschichte, dann habe ich was zum Erzählen.“)





Freitag, 16. Februar 2018

Frauenjahre sind ja wie Hundejahre, wuff – Oder: Jede Frau sollte spätestens jetzt anfangen, Frolic zu kauen. Du weißt. Wegen dem Rosa-Effekt. Weißt Du nicht?


Nachdem ich mich laaaaaaaaange mit einem Kaugummi beschäftigt habe – ich nahm einen Kaugummistreifen und zog ihn in uneeeeeeeeeeendliche Länge, wobei sich der Streifen auflöste bis zur nuklearen Ebene und genau so viel dann noch vom Kaugummi war, wie die umgebene Luft, die ich auspustete, nämlich nichts also null, aber mit Knoblauchduft, weil ich Bolognese vorher machte mit Knoblauch, Zwiebeln und Chiliflocken und ich einen offenen Mund hatte und dasselbe ließe sich mit einem Furz beschreiben, der stinkt, bis er sich in die Unendlichkeit diffundiert und dann genau so riecht, wie die Luft im Raum nach nichts, nämlich nach Knoblauch, weil ich ja immer noch den Mund offen hatte und ausatmete –, dachte ich, weil da ja nichts mehr war als an Männer zu denken, an alte Männer, denkt man an nichts Nützliches mehr in seinem Leben.

Alteeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeee Männer, iiiiiiiiiieh – wie z. B. aktive Fußballer aus der Nivea-Werbung – gelten allein deshalb schon als aaaaaaaaaaaaaalt, dachte ich zufrieden, weil 13-Jährige sich ja schon als Trümmerfrauen sehen. Nach all den aufreibenden Pausen-Chats und Beziehungsstatus kompliziert, wenn sie schimpfend ihre Strohhalme in die Capri-Sun stecken und ihr Bärchenbutterbrot herausholen. Wie. Die. Zeit. Vergeht. Mögen sie dann sagen. Und dann husch! Erdkunde bei Frau Schnutzel-Egerlöchsle. Die Schulbimmel bimmelt. Und sie bimmelt nicht gerne länger. Die Bärchenbutterbrote wieder einpacken, die Capri-Sun-Tüte falten, Burger-King-Pappkrone richten, Peppa-Wutz-Erinnerung ins Smartphone tippen. Man. Hat. Es. Ja. Nicht. Leicht.

Frauenjahre sind wie Hundejahre, dachte ich selbstverständlich gleich dabei. Denn man sollte immer an Frauenjahre denken, wenn man ein Kaugummi kaut. Dachte ich. Ich mit meinen zarten 29-eiiiiiiiiinhalb Jahren. Ein haaaaaaaaalb-ausgepackter Jüngling, duftend noch nach der Cellophan-Verpackung. Frisch entschlüft. Hach, wie schön es ist, jung zu sein, streckte ich die Arme aus und pfeifte.

Frauenjahre sind wie Hundejahre. Kein Wunder, dachte ich, daß jetzt überall Altersrekorde gebrochen werden, während ich mich mit Welpenöl einrieb. Alterskluge Dinge wie Rosinen. Runzelige, süße Dinger, die mal Weintrauben waren. Aber jetzt altklug bekaubar schluckgerecht portionierbar für jede Stimmungslage waren. Und überall schmecken. Überall Rekorde brechen. Und: Frauenhaare sind wie Hundehaare. Dachte ich gleich weiter. Über. All. Kleben. Die. Herum. Zwischen den Zähnen, wie altkluge Rosinen. Hoffentlich kommt der Spaß nicht zu kurz, dachte ich frohjünglicher Eremit knoblauchhauchend kurz. Die ersten fangen schon an, Frolic-Trockenfutter zu knabbern. Als neue Super-Chips für glatte Haut und Blossom-Wangen. Was dem Hund nicht schadet, kann nur gut für’s Frauchen sein.

Blossom-Wangen. Das Versprechen der 17-, 18-, 19-Jährigen, sich für immer ans Wangenschminken zu gewöhnen, in dieser schamlosen, blossom-wangenlosen Zeit, die einem immer nach der blossom-vollen erwartet, aber von der niemand erzählt hat. Zum Beispiel im Geschichtsunterricht: Römerinnen der Antike ließen sich auf Scheinschwangerschaften ein, um den Rosa-Effekt von Schwangeren zu erhalten. Um doch nicht ganz schwanger zu werden, verwendeten sie Tücher aus Bast zur Verhütung.

Aber das geht noch einfacher. Wer jetzt noch nicht in Hundefutteraktien investiert hat, dem ist nicht mehr zu helfen, Frauen, so fiel mir auf, streunen in der Tierfutterecke bei Lidl verdächtig lange herum. Was machen die da so lange? Hängt da nicht schon ein Spiegel wie in der Lippenstiftecke? Und warum sind da überall aufgerissene Packungen? Warum die ausgebeulten Jackentaschen? Warum zahlen die nicht an der Kasse? Warum steigt der Bedarf nach Tierfutternahrung proportional zum Blossom-Wangen-Wunsch bei Nach-Neunzehnjährigen? Warum sieht man Frauen nie mit ihren Tieren in der Tierfutterecke stehen? Haben die überhaupt Tiere? 

Aber dann dachte ich lieber: Tiere sollten sich in der Tierfutterecke ihr Essen selbst aussuchen. Nie sehe ich dort eine Meise, die mal kritisch das Angebot an Meisenknödeln prüft. Und bei Mißfallen mit den Flügeln flattert. Oder eine Katze, die wißbegierig Preise vergleicht. Und schnurrt. Oder einen Hamster, der Lecksteine durchprobiert. Nur Hunde sehe ich, wie sie nach einem beschwerlichen Tag Pfandflaschen in die Überantwortung des Automaten geben. Müde drücken sie die Als-Pfand-Spenden-Taste. Der Pfand geht ans Tierheim. Und knurren. Frauenzähne sind wie Hundezähne, denke ich noch, als mir ein besserer Dentastick-Gedanke kam: Die Hälfte der Zähne der Menschheit wartet nur darauf, auf irgendetwas herumzuknabbern. Auf den eigenen Gedanken oder Mundgeruch-Kaugummi? Nein! Das wird das nächste große Ding: Aleo-Wuff. Und 3-Wetter-Wau. 

Jede Frau sollte jetzt Frolic kauen. Wegen den rosa Wangen. Hundezungen sind ja auch rosa Zungen. Natürlich ist mir gleich der Zusammenhang aufgefallen.

Frauenjahre sind wie Hundejahre, wuff-wuff. Aaaaaaaaaaaber die gelten ja als treu, dachte ich und ich dachte nur Gutes dabei, während ich meine Babypopobäckchenmännerhaut massierstreichelte: Frauenjahre sind Treuejahre. Nichts bleibt mehr treu als Jahre. Frauenjahre sind Treuejahre. Und da das nach wie vor eine Literaturseite hier ist – unfreiwillig, und keine Lebensverbesserungsseite – und ich Buchstaben sehen kann – dann ist es Literatur, und diese Buchstaben sollen Dein Leben verschlechtern, dann könnte sich Dein Lesen verbessern – ergänze ich die Einleitung um ein Sonett:

Frauenjahre sind wie Hundejahre
Pupsy, Tapsy, Tupsy
Frauenjahre kommen auf Pfoten
Hapsy, Schnapsy, Schnupsi
Nach langen Jahren auf den Pfoten:
Frauenjahre kommen zu den Lofoten
Belly, Knurry, Schaby
Dort wachsen sie wie in Schoten:
Eine ergibt gleich sechs
Kommen Frauenhaare zu treu
Gewächs
Frauenjahre sind wie neu
  




*





(Ode/r an die Freiheit der Literatur und der Kunst, Ode an die Schönheit, knurr.

„Ich muß mich nicht mehr fortpflanzen.“, sagt die Literatur. Deshalb darf die Literatur das wagen zu sagen: „Literatur ist das schönste Gesicht eines Menschen.“ Manchmal blickt es, manchmal blickt es weg. Manchmal zeigt es sich. Manchmal zeigt es sich in einem zweiten Gesicht. Manchmal ziert es sich, zaudert, zetert, zittert. Manchmal schlägt es sich. Manchmal Streicheln. Immer. Immer nicht. Literatur ist das schönste Gesicht. Und wer jetzt noch nicht 100 ist, dann mal los. Die Generation der 70-Jährigen wartet schon. Rosinen waren auch mal Weintrauben. Weintrauben enttäuschen immer nur, Rosinen nimmer nicht. Die Essenz von Weintraube erlischt nicht. Dann Knoblauchkuß.

Literatur ist wie ein Knoblauchkuß. In Bolognese mag man es, vor der Nase nicht. Vor der Nase mag man Knoblauch nicht. Hilft nur Zungenkuß, kein Lungenkuß. Auf der zu küssenden Zunge so lange herumkauen, bis sie Hackfleisch ist. Dann Nudel hinzufügen. Zwiebeln, Chili-Flocken, Tomaten-Püree. Fertig ist das Nudelgericht. Fertig auch das Nudelgedicht. So verzieht man ein Bolognese-Literaturgesicht.


Cliffhanger: Als nächstes erzähle ich von Rouladen. Rouladen der Literatur. Rouladen – das darf ich schon verraten – sind gefährlich. Niemand spricht mehr über die Gefahren von Rouladen in der Literatur. Rouladen sind seeeehr gefährlich, so viel darf ich verraten. Rotkohl? Klöße? Vergiß Dein Leben. Grünkohl, Kochwurst und Pinkel? Vertraue Dich einer Beratungsstelle an. Jetzt kaue Frolic für rosa Wangen.)







Samstag, 10. Februar 2018

Das Teilen durch Nullpe


Meine Brieffreundin sagt.

Meine Brieffreundin sagt – die, nebenbei erwähnt, klug und schön ist –, daß ich mich jetzt mit Mathematik beschäftigen soll.

„Warum soll ich mich denn jetzt mit Mathematik beschäftigen?“, frage ich meine Brieffreundin, die, nebenbei bemerkt, klug und schön ist. Sagt sie.

„Es gibt so viel, womit ich mich jetzt beschäftigen könnte. Ich könnte mich jetzt um den Weltfrieden, Weltpolitik, Weltfeelings kümmern. Es gibt so Vieles, worum ich mich kümmern könnte. Einer muß es ja machen.“

„Doch.“, sagt meine Brieffreundin, die nebenbei behauptet, klug und schön zu sein. Ich solle mich jetzt mal darum kümmern. „Kümmere Dich mal darum.“, sagt sie.

„Soll ich mich jetzt auch noch darum kümmern? Ich kümmere mich ja schon ums Weltgeschehen. Ich könnte mich da klug und schön drum kümmern.“, sage ich.

Meine Brieffreundin sagt – sie ist dumm und häßlich:

„Niemand kümmert sich mehr um Mathematik. Mach‘ da mal was.“ Kurz und knapp sagt sie das. Sagt meine kurze und knappe Brieffreundin.

„Mathematik ist schon erfunden.“, sage ich meiner Brieffreundin, die eine Fotze ist.

„Ist doch egal.“, sagt meine Brieffreundin, der es egal ist, daß ich Fff, Ffff gesagt habe. „Das Rad wurde auch mehrmals erfunden. Nämlich fff, ffff, fiermal:

Forne links, forne rechts, hinten links, hinten rechts.

So. Widme Dich mal dem Teilen durch Null. Das ist noch nicht definiert.“

„So.“, sagt meine Brieffreundin. Was für eine dumme und häßliche Brieffreundin ich habe. Kann ich nicht eine normale Brieffreundin haben?


Hätte ich alle Möglichkeiten, würde ich sie zur Null machen, denke ich. Aber ich habe leider null Möglichkeiten. Also, denke ich trotzig, habe ich alle Möglichkeiten:


Wenn es unendliche Möglichkeiten gibt, dann gibt es keine.

Wenn es keine Möglichkeiten gibt, dann gibt es unendliche.


- ∞ + ∞ = 0
- ∞ = 0 - ∞
+ ∞ = 0 + ∞
- ∞ + ∞ = 0
∞ = 0

∞ ≠ Primzahl


Wenn es unendliche Möglichkeiten gibt, dann gibt es keine.


- ∞ = + ∞ = 0


Ich kann denken, was ich will: Wer alles denkt, denkt nichts.

Nichts durch nichts oder alles ist nichts.

0/∞ = 0

Alles durch nichts ist alles.

∞/0 = ∞

Alles ist nichts.


Wenn es keine Möglichkeiten gibt, dann gibt es unendliche.
Negative wie positive.


„Das Teilen durch 0 ist somit definiert.“, sage ich meiner klugen und schönen Brieffreundin und zeige ihr, daß ich mich jetzt auch noch um die Mathematik gekümmert habe.

„Du hast sie ja nicht mehr alle.“, sagt die Fotze. „Du kümmerst Dich um nichts. So kümmerst Du Dich um alles, denkst Du wohl.“

„Wenn ich nicht mehr alle habe, habe ich weniger.“, sage ich meiner klugen und schönen Brieffreundin mathematisch.

„Habe ich nichts, dann habe ich alles.“, sage ich. „Und das ist mehr als nichts.“

„Du bist eine Null.“

„Dann habe ich alle Möglichkeiten einer Null.“, sage ich. 

„Wir teilen nichts.“


„Damit teilen wir schon alles.“, sagt sie.





*





Die Formel für Glück:


 „Glück ist gleich Liebe von Dingen, die von einander ahnen, durch die Zeit, die sie in der Unendlichkeit vergleichend mit der Größe ihrer zukünftigen Örtlichkeit abhängig miteinander verbringen im Zustand der Harmonie.“



Die Formel der Liebe:



 „Die Verschränkung φ kann nur Liebe sein: An zwei Orten gleichzeitig. Doch ungewiß verortet.“







[Hinweis: - ∞ und + ∞ kann man nicht einfach gegenrechnen, so wie -1 und +1, was zusammen 0 ergibt.

Negative und positive Unendlichkeiten zusammen bleiben unendlich (∞). Sind zusammen aber beides Nichts (0). Daher ∞ = 0.

Unendlichkeit ist Nichts. Erst durch Endlichkeit erhält man einen Wert, dem man z. B. durch 1 ausdrücken könnte oder - 1. Erst durch Endlichkeit erhält man ein Gefüge: 1 Welt, 1 Welt, die zusammenbricht, 1 Ort, 1 Ort, der vergeht, ein Solarsystem, 1 Solarsystem, das zerbricht, 1 Gedanke, 1 Gedanke, der erlischt, 1 Mensch, ein Mensch, der stirbt. Ein Mensch, der für jemanden anderen gestorben ist, behält erstaunlicherweise den Wert 1.

G (Glück) steht hier für Gravitation. Ich beschreibe die Wirkungen der Gravitation mit Zeit und Raum durch verschränkende, sich gegenseitige bewirkende Dinge, in ihrer Entscheidung unter Chaos zusammenzufinden oder sich abzustoßen. Anziehung und Abstoßung. Sehnsucht und Widerwille.

Der Umlauf eines Planeten um eine Sonne kann man als Widerwille verstehen, sich mit der Sonne einzugliedern, sich nur in balancierter Bahn unter Abstand zu fügen, um die Eigenständigkeit des Planeten zu bewahren, was wiederum eigenständige Dinge (wie zum Beispiel Menschen, Lebewesen) hervorzubringen ermöglicht.

Es geht um Möglichkeiten. Um viele Möglichkeiten.

Und es geht um Harmonien. Um eine Harmonie.

Eine harmonische Anzahl von Möglichkeiten, die das Gesamtgefüge nicht zum Kollaps bringt. Unendliche Möglichkeiten führen zum Nichts. Zum Null-Punkt der ersten Ausgangslage. Alle Planeten eines Solarsystems würden entweder in die Sonne stürzen oder extrahieren, das heißt, sich aus dem Solarsystem entfernen, um sich einem anderen gravitätischen Hoheitssystem anzubündeln. 

Übertragen auf den Menschen heißt das:

Statt mir darum Gedanken zu machen, könnte ich mir auch die Fußnägel lackieren oder langsam Sekundenkleber in die Augen tropfen. Mein Wunsch steht dem entgegen, welche Aktion mir weniger Nutzen bringt. Bin ich dadurch zufrieden? Glücklich? Lebendig? Auch das könnte man als Formel ausdrücken: Die Wunsch-Formel. Wie viel Tropfen Sekundenkleber pro Auge braucht’s zum Glücklichsein?

Mein Leben in Endlichkeit hat den Wert 1. Wert 1 hat aber noch unendliche Nebenwerte wie z. B. 0,999 oder 0,234 oder 0,111. Unendliche andere. Also wie gut das Leben ist. Leben hat den ersten, höchsten, endlichen Wert: Wert 1. Fällt der Wert des Lebens auf 0, dann ist man unendlich. Tot, aber unendlich: ∞ = 0

Man könnte auch von ∞0 (unendlich null oder null unendlich) sprechen.

Unsterblich ist man nur in seinen Atomen. Aber selbst die kann man spalten. Oder verschmelzen. Auch Gene können unsterblich sein. Indem sie denselben Inhalt immer reproduzieren. Aber selbst die kann man in heißem Wasser totkochen. Womit wir wieder bei den Atomen wären.

Ich betreibe diese Seite, um nicht auf den Wert 0,0 zu fallen, mir nicht die Fußnägel lackieren zu müssen oder mir Sekundenkleber in die Augen zu tropfen. Nagellack und Sekundenkleber habe ich nicht, also betreibe ich diese Seite. Ich empfinde tatsächlich so etwas wie Freude daran.

Ich weiß, Freude ist nicht mehr sozial korrekt heutzutage. Ich bin wohl altmodisch. Andere Absichten hege ich nicht. Ich bin ein kleiner Planet, der Abstand zur Sonne lieber hält und dabei in Balance ist (Harmonie), als mich in die Sonne zu stürzen, auf die eitle Möglichkeit hin, kurz und hell zu strahlen. Im Widerschein anderer. Und den Wert 0 zu erreichen: Schnell, aber strahlend sonnengebräunt. Ich erzeuge mein eigenes Licht. Unter einer Wärmebildkamera erzeuge ich mein eigenes Licht. Das müssen andere nicht erkennen können. Ich aber kann sie fühlen. Die Wärme.

Ab und zu knallen Kometen auf meinen Planeten. Aber das muß mich nicht stören.

Jeder Mensch ist Gravitation.

Gefallen muß jede Gravitation nicht.

Auf die Mischung von Anziehung und Abstoßung kommt es an. Abstoßung erzeugt Anziehung. Anziehung erzeugt Widerwille. Widerwille erzeugt Abstoßung. Abstoßung erzeugt Anziehung. Ich verschwende hier nur meine eigene anziehende Zeit. Und es ist eine schöne Zeit. Die Schönheit von Zeit wird selten beschrieben. Aber das ist doch alles, was wir haben, wir Menschen. 

Und wie anziehend ist eigentlich Zeit? Sollte man dafür nicht auch eine Formel erfinden? Was ist Gravitation ohne Zeit? Was ist Zeitlosigkeit? 

Manchmal denke ich so. Ich könnte stattdessen ja auch Gedichte schreiben, weil es nicht erlaubt ist, so zu denken. Aber die werden ja mittlerweile übermalt, weil es mittlerweile nicht mehr erlaubt ist, so zu schreiben. Warum malt man eigentlich nicht „Selbst schuld. Jetzt hast Du den Kopf gehoben.“ auf die hohe Hauswand? Sollte man mal bedenken. „Selbst schuld. Jetzt hast Du das gelesen.“ könnte ich auch hier hin schreiben. Sollte ich mal bedenken.]