"Hallo" ist das Pfandleihhaus des "Aufwiedersehn"...



Miniaturen des Absurden

Betrete mit der Miene der Abfälligkeit und erhalte Einlaß

Vom Jardin du Luxembourg zum Panthéon brauchte es schon mehr als platonisches Innehalten, um sich Gehör für Gesehenes zu verschaffen. Da...

Montag, 30. Juli 2018

Immerhin haben jetzt alle perfekte Augenbrauen



Was man so gelernt hat? Nach all den Youtube-Schmink-Tutorials in all den Jahren?
Na, immerhin, wie man die perfekte Augenbraue hinkriegt.


Der Mensch ist fertig. Der junge Mensch ist fertig. Und das heißt: Die perfekte Augenbraue ist fertig. Und der perfekte Lidstrich ist fertig. Und mit der perfekten Wimperntusche die perfekten Wimpern. Und der perfekte Augenaufschlag. Und jetzt ist dieser Mensch fertig. Die Beine sind schlank, die Shorts sind knapp, irgendetwas muß noch durchstochen werden. Die Ohrmuschel mit dezenten Piercings zum Beispiel. Als Zeichen des selbstverletzenden Verhaltens dessen, was im Inneren abgeht. Aber sonst ist alles ruhig. Jetzt ist man der perfekte Mensch. Jetzt noch schnell ein perfektes Bild machen. Die Stille durchstechen. Fertig.
Aber irgendwie muß dieser perfekte Mensch doch jetzt abgeholt werden. Irgendwie ist dieser Mensch fertig, aber sitzt nur fertiggemacht rum. Überall sitzt er fertiggemacht rum. Denkt der perfekte Mensch. Im Bus sitzt er fertiggemacht rum. In der Bar in Gesellschaft sitzt er fertiggemacht rum. Mit Papi und Mami beim Italiener sitzt er fertiggemacht rum. Auf dem Bett – alleine – sitzt er fertiggemacht rum. Dann grübelt der perfekte Mensch. Irgendwie muß es doch jetzt losgehen. Aber irgendwie geht es nicht los.

„Los, Mann!“, brüllt sie.
Nichts geht los.

„Ich bin eine fertiggemachte Frau. Loooos, jetzt! Schöner werde ich nie wieder sein. Ich bin feeertig!“

Und dann muß es doch jetzt losgehen. Irgendwas.


„Ich. Bin. Feeertig!“






*





(Ode/r an: „Über dem Auge ist’ne Augenbraue. Eine ist die Schlaue, eine ist die Braue. Über dem Auge ist’ne Augenbraue. Guck‘, wie ich‘ne Braue baue über dem Auge. Eine war die Schlaue. Eine war die Braue.“ – Über die Augenbraue, über der Augenbraue.)





Sonntag, 15. Juli 2018

Wenn Du vor einer schweren Lebensentscheidung stehst, dann frage Dich: „Was würde Netflix machen?“



Es war einmal eine Firma, die stellte Kühlschränke her.

Kurz nach der Fertigstellung der Kühlschränke kloppten die Mitarbeiter die Kühlschränke kaputt – aus unerfindlichen Gründen, vielleicht, weil sie sich darauf einigten zu glauben, Kühlschränke seien doof – und beschimpften die Kunden, die die kaputten Kühlschränke kauften, weil sie die kaufen mußten, weil ja sonst die Kühlschrankfirma pleite gehen und die Kühlschrankmitarbeiter ihre Jobs verlieren würden:

„Ihr seid doof!“, grölten die Kühlschrankmitarbeiter. Und: „Ha-HA!“

„Dann kaufe ich euren Kühlschrank nicht mehr!“, sagten die unzufriedenen Kunden, die nicht auch noch beschimpft werden wollten, wenn sie die kaputten Kühlschränke schon kaufen mußten.

„Dann seid ihr…!“ Und dann knallten die Kühlschrankmitarbeiter den Kunden fremdartige Wörter an den Kopf, die die Kunden nicht verstanden und sie traten noch mal gegen die kaputten Kühlschränke, damit die Kunden jetzt endlich die kaputten und getretenen Kühlschränke kaufen, bezahlen und endlich abtransportierten.

„Aber die Kühlschränke sind doch kaputt. Die kaufen wir nicht.“, sagten die Kunden.

„Müßt ihr aber. Sonst diskriminiert ihr uns! Und ihr dürft auch nicht weitererzählen, daß unsere Kühlschränke kaputt sind. Tut ihr das, dann hetzt ihr gegen uns.“ Und die Kühlschrankmitarbeiter schlugen noch einmal demonstrativ auf die kaputten Kühlschränke ein: „Loß! Bezahlen!“

Und jeder wird ja jetzt der Hetze bezichtigt von Kühlschrankmitarbeitern, wenn man keinen kaputten Kühlschrank kaufen will, und Hetze ist’ne Petze und Petze ist’ne Bauernmagd, eine Bauernmagd, die keine Bauern mag, ist Hetzes Petze also des Bauerns Sarg, und so kam es, daß die unzufriedenen Kunden die kaputten Kühlschränke abtransportierten und leise schimpften, aber so, daß die Kühlschrankmitarbeiter das nicht hören konnten, aber schmissen sie auf die nächste Müllhalde. 
„Soll die Kühlschrankfirma doch pleite gehen.“, flüsterten die Kunden einander zu. Hinter vorgehaltener Hand. Und dann wischten sie sich den Schweiß von der Stirn, weil Kühlschränke, auch wenn sie kaputt sind, schwer sind und die nächste Müllkippe fern. Und dann gingen sie in den nächsten Fernsehapparateladen und kauften Fernsehapparate, erzählten aber, wenn sie jemand beim Hinaustragen der Fernsehapparate aus dem Fernsehapparateladen auf der Straße sahen: „Nein, nein. Das ist ein Kühlschrank.“

Und den stellten sie sich in die Küche, falls jemand aus der Kühlschrankfirma vorbei kam, um zu gucken, daß man auch ja einen Kühlschrank aus der Kühlschrankfirma in der Küche haben mußte. Und zum Beweis stellten sie zwei Tüten Milch vor den Fernsehapparat und schalteten ihn an. „Siehst Du. Die Milch wird nicht kalt. Das ist also ein Kühlschrank. Denn ein Kühlschrank ist ja kaputt.“

Und dann prüften die Kontrolleure der Kühlschrankfirma noch mal kritisch nach und legten die Hand auf das Gehäuse und nichts davon war kalt und so zogen sie zufrieden wieder ab.

„Ja. Das ist ein Kühlschrank.“, sagten sie. „Nur unsere Kühlschränke sind so kaputt, daß noch nicht einmal Milch kalt wird, wenn man sie hineinstellt, selbst wenn sie von den Kühen aus der Antarktis stammt.“

Und so kam es, daß der Kühlschrankanbieter ‚Netfrostflix‘ so groß wurde. Seine Kühlschränke verkauften sich wie warme Rosinenbrötchen in diesen Zeiten, die so gerne warme Rosinenbrötchen ißt, aber trockene Lidl-Aufbackbrötchen liefert.

Und immer, wenn Du siehst, daß in der Küche Deines Nachbarn Licht angeht, dann wird ein neuer Netflix geboren.

Was aus den Mitarbeitern der Kühlschrankfirma wurde, die ihre fabrikneuen Kühlschränke kaputt kloppten? Keiner weiß es. Warum sie das taten? Keiner weiß es. Dies ist ein Auszug aus einem Artikel der überregionalen, unabhängigen Tageszeitung ‚Der Youtube‘. In dem wird nichts mehr von den Kühlschrankmitarbeitern erwähnt.

Aber was wurde aus den geliebten, gekühlten Getränken, die man so gerne im Sommer zu sich nahm, wenn man vom Baden im See zurückkam und dem angehimmelten Eis aus dem 3-Sterne-Kühlfach, wenn man aus dem See steigend verbotene Hotpants sah? Die ließ man sich einfach liefern.

Oder man stellte einfach eine kühle Blondine aus Abchasien in die Küche. Die seien so kühl, die bringen noch jedes Eis zum Frieren. Klappt auch mit Hackfleisch, das man einfrieren will. Einfach zwei Minuten in die Nähe stellen, schon ist das Hackfleisch gefroren.

Kühle Menschen ist das nächste große Ding. Kühle Menschen sind die plappernden Gefriergeräte der Zukunft, von denen jetzt immer bei ‚Der Youtube – Ihr überregionaler Standard‘ die Rede ist, die den Inhalt des Kühlschranks gleich online nachbestellen.
Oder Blondinen, die nicht so ganz blond auf die Welt kamen. Denen sagt man heimliche Zauberkräfte nach: Die könnten alles. Außer alles. 

Und das scheint ganz nett zu sein.




*





(Ode/r an: „Internet? Nein, nein. Ich schaue nur Youtube hier.“


Und was die schwere Lebensentscheidung ist? Die ist: Kaufe ich nächsten oder übernächsten Monat die Playstation 4 Pro? Denn dann kommt Red Dead Redemption Zwo.)






Donnerstag, 5. Juli 2018

Frauen, die von alten, weißen Männern träumen - ab hier nicht mehr bunt



Frauen, die...

Frauen, die von alten, weißen Männern sprechen, träumen von alten, weißen Männern und träumen davon, sich mit ihnen zu vereinigen. Sie träumen und träumen, sich mit einem Papa zu vereinigen. 
Deshalb sprechen sie auch so häufig von alten, weißen Männern. Und sprechen und sprechen. Man spricht ja immer gern von den Dingen, die einem fehlen. Diesen Frauen – weiß in aller Regel – ist das Weiß sein schon sehr wichtig. 
Mit alten, schwarzen Männern würden sie sich nie vereinigen wollen. Sie sublimieren mit einem alten, weißen Mann Autorität. Laut werdend wie eine Tochter erträumen sie sich eine Maßregelung von ihrem alten, weißen Papa. Oder irgendeine andere Reaktion. Frauen, die von alten, weißen Männern träumen, sind in der Regel sehr weiß.
Sehr, sehr weiß: Ihre Freunde sind sehr weiß, ihr Bett ist sehr weiß und sonst ist auch alles andere sehr, sehr weiß in ihrem Leben. Objektiv betrachtet träumen diese sehr weißen Frauen, die von alten, weißen Männern sprechen, von weißen Kindern, die ihr alter, weißer, autoritär erträumter, starker, sehr starker Papa mit ihnen doch zeugen soll. Und lauter werdend: Und hörst Du mich nicht, Papa?Und zeugen und zeugen. Sehr, sehr weißen Kindern. Diese sollen natürlich auch sehr stark sein. Stärker als alle anderen Kinder.

Heimlich himmeln diese weißen Frauen einen wie Horst Seehofer an. Was sie erschreckt. Was niemand wissen darf. Und gäbe es noch die Bravo, dann hätten sie um seinen Star-Schnitt schon einen Schrein gebaut. Mit Kerzen und so. So häufig, wie sie von ihm sprechen, als wäre es Daniel aus der 11-lften wie bei Normalen.

Sehr, sehr Papa-Gaga.

Das nächste Mal, wenn Kofi, mein schwatter Nachbar, mich um Geld anpumpt, werde ich dran denken, daß diese sehr weißen Frauen ihn nicht als möglichen Partner ansehen und ihm 1 Euro mehr leihen, und dann seine Schulter tätscheln. Dann kann er sich von dem einen Euro mehr ein weißes Eis kaufen. Frauen, die von weißen, starken Papas wie Horst Seehofer träumen, kaufen ihm ja keens. Sie reden, reden, reden ja nur von dem, was sie umnächtigt: O Horst, Du! Nur Du!



Kein Wunder, daß ich von Möbeln träume. Die sind sehr bunt.






*






(Ode/r an Dich. Du kleine, weiße Nazi-Schnecke.)


Mittwoch, 4. Juli 2018

Teller und Sprache



Es heißt nicht mehr ‚Berliner‘, es heißt ‚Berlinende‘. Es heißt auch nicht mehr ‚Schwimmer‘ – und daran werde ich denken, wenn ich gleich im See baden gehe –, es heißt ‚Schwimmende‘. Es heißt ja auch nicht mehr ‚Künstler‘, es heißt ‚Kunstschaffende‘
Helikopterkinder, wenn sie erwachsen werden.

Sprache und Teller. Daran wollen Kinder immer ran. Besonders, wenn es nicht ihre sind. Ich mag Kinder. Sie leben in ihrer eigenen Welt, die nichts mit der Welt der Erwachsenen zu tun hat.
Immer, wenn die nächste Zeitung pleite geht, blicke ich kurz auf und denke: Ach, schon wieder diese dummen Leser, die keine Lust mehr haben, sich jahrelang beleidigen zu lassen. 
Und dann schaue ich lieber Youtube.

Und alle anderen schauen lieber Youtube. Und wo sind eigentlich diese jungen Frauen, an die sich Zeitungen jetzt immer richten? Ach, die gucken auch lieber Youtube. Was? Diese jungen, schönen Frauen, an die sich Zeitungen jetzt immer richten, die kaufen gar keine Zeitung und lesen gar nicht? Warum dann für die schreiben? Ach, wegen Instagram-befreundet sein wünschen.

Und dann geht die nächste Zeitung pleite. Und ich kriege es wohl mit, wenn es in einem Youtube-Filmchen erwähnt wird. Oder auch nicht. Denn für Zeitungen fehlt mir die Zeit und Relevanz. Ich will mir lieber anschauen, wie diese 250 Millionen Dollar teure Hollywood-Villa aussieht. Und wie wenig Geschmack für Einrichtung man haben muß, wenn man 250 Millionen Dollar in andere Hände gibt. Und Zeitungsmacher heulen heimlich, weil keiner mehr ihr Gequatsche und Gelaber lesen will. Oder diese lachhaften Bilderstrecken, bei denen sich bei jedem Klick die Seite neu aufbauen muß. Und sie schauen sich auch lieber das Youtube-Video mit der Villa mit der 5-Meter-Candy-Wall an.

Instagram ist auch schon tot. Coole Leute gucken kein Instagram mehr. Oder Leute, die nie cool waren. Warum 1 Bild ansehen, wenn ich ein ganzes Filmchen sehen kann? Diese Zeiten sind schlecht für junge, aufmüpfige Menschen. Denn sie schauen auch lieber Youtube.

In Verbindung mit Google ist Youtube unschlagbar. Man kann Sprache auch dafür nutzen, sein Suchbegriff-Fachwissen zu vertiefen. Nichts ist befriedigender als solange mit den Suchbegriffen herumzuexperimentieren, daß der Algorithmus das richtige Ergebnis ausspuckt. Klappt auch mit der Bildersuche.

Nichts ist so erlösender als Bilder von Glasschiebetüren im richtigen Contemporary-Design zu finden und sich für die Details der Laufschienen zu interessieren. Laufschienen von Schiebetüren sind nicht gleich Laufschienen von Schiebetüren! Da kommt‘s auch auf die Dicke und Farbe an. Nichts ist so befriedigend wie per Fernbedienung betätigten, elektrischen Glas-Patio-Terrassenschiebetüren beim Auf- und Zugehen zuzugucken. Am besten in Verbindung mit elektrischen Blinds. Elektrischen Sonnenschutzblenden. Die Google-Bildersuche ist das Instagram der Leute, die kein Instagram haben minus Werbung minus cool sein müssen.

Gestern war ein schöner Tag. Gestern habe ich die Photos von dem modern-geilen Haus in Neuseeland wiedergefunden, die ich vor Jahren schon mal gesehen habe. Wie lange ich die gesucht habe! Ich lobte mich für meine Suchbegriff-Hartnäckigkeit: contemporary lakeside house new zealand. Oder: modern lake house clearhouse new york.

Oder schon mal Bilder von dem berühmten Design-Kamin Gyrofocus gesehen? Nichts ist entspannender. Da braucht man gar nicht mehr real vor einem Kamin hocken.

Bei Google klicke ich gleich auf Bilder oder Videos. Nichts ist so nahrhaft wie modernes Kamin-Design.

Diese Sprache lege ich mir auf den Teller. Keiner patscht mit seinen Frust-Fingern drauf. Und quatscht und labert dabei, bis Bröckchen aus dem Mund fliegen.

Das Leben ist schön. Wenn man es sich auf Youtube anschauen kann.






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(Ode/r an Suchbegriff-Fitting:


Gend )