Es...
...war einmal...
...es...
...gab einmal...
...diese Kunde...
...von dieser
einen...
...die machte
mal...
...ihre Runde...
Sie kam einmal...
...eine Stunde
lang...
...doch nie...
...zu mir.
Woher ich‘s dennoch
weiß?
Ein Delphin erzählte es mir…
...von ihr...
...hier...
...von einer Karrett–Schildkröte...
...auf ihrer Runde...
...mit Namen...
...Kunigunde.
Kunigunde die
Karettschildkröte...
…schwamm gerade ihre Runde – war wie Fliegen, eine Flosse vor, eine zog
gerade hinterher – dort am Korallenriff, in klarem Wasser, schon traf sie
in dieser Sekunde...
...auf Reintraude,
ihres Zeichen Seeigel, gewitzt und auf dem Grunde, blauschwarz und groß wie ein
Schuhkarton. Reintraude bog gerade ihre Stachel. Danach gerade. Einen nach dem
anderen, öffnete ihren Munde, steckte die langen Stäbe so dazwischen und putzte
alle mit ihrer Zunge. Bald waren sie wieder rein, und sie ließ sie flitschen
und sie strahlten im Fleckenlicht der flachen Sonne mehr blau als schwarz wie
Gift und doch noch einen halben Meter lang.
Kunigunde, die
Karettschildkröte, hatte keine Angst, sie schwamm dicht heran.
„Mein Tag ist so.“,
sagte Reintraude stichelig. „Ich putze meine Stachel. Es ist ein Stacheltag.
Mehr nicht.“ Grüßte höflich, aber stolz, und wünschte diesen als schönen noch.
Kunigunde grüßte ebenso
höflich zurück, lächelte, zeigte ihren Panzer vor, dem eine der Hornplatten
fehlte, aber da sah die Seeigelin schon lange nicht mehr hin.
Kunigunde schwamm weiter
ums Riff herum.
Ein Korallenriff, so
mußte man wissen, bestand aus Leben. Aus Totem nicht. Und aus Wasser. Mehr
wissen mußte man nicht.
„Aus Sand.“, sagte
Kamillo, der Pistolenkrebs, und wie zum Beweis bespritzte er Kunigunde mit
vielem davon, und wirbelte mehr noch damit auf.
Er hopste heraus aus
seiner Höhle, er traute sich vor, dann wieder nicht, schnappte sich eine
Schippe voll des hellsten Korallenschutts, dann zischte er zurück. Aus dem
Begehren. Dann aus dem Licht. Dann in seines ohne nicht. Seine ausgestellten
Augen funkelten.
Er schmatzte, und es
knirschte und seine Scheren schnippten wie eitle Friseure an Land, zu denen er
mal kam, weil er gefangen war, in einem Aquarium, wie sie es nannten, und dann
wieder nicht. Nicht gefangen war, weil er die Glasscheibe mit seinem
Pistolentrick zertrümmert hatte. Sie warfen ihn zurück ins Meer. Die Scherben
vor. Zuvor ihre Scheren auf den Boden. Eitel ersetzt durch Wut.
„Mein Tag ist so.“,
sagte Kamillo schnippig. „Ich schnippe mit meinen Scheren. Es ist ein
Scherentag. Mehr nicht.“
Grüßte höflich, aber stolz, und wünschte diesen als schönen Tag noch.
Kunigunde grüßte höflich
zurück, lächelte, zeigte ihren Panzer vor, mehr als eben, dem eine der
Hornplatten fehlte, aber da sah der Pistolenkrebs schon lange nicht mehr hin.
Kunigunde schwamm weiter
ums Riff herum.
Wie Flügel. Wie
Fliegen.
Eine Flosse vor, eine
zog dann gerade. Einen halben Meter lang. Wenn sie sich streckte. Wie
Schaufeln. Wirbelten sie den Sand darunter auf. Eine zeitlang.
Dann.
Kam ein leichter
Aufgang, ein Anstieg, eine Schneise im Korallenriff. Ein glitzerner Schleier,
der im Wasser trieb und sich mit Schleifen umgab.
Erst die Hände, dann die Füße. Der Buckel trocknete schon in warmer Luft:
Kunigunde machte einen Landgang.
„Eine Insel.“, sagte die
Kokospalme und ließ aus Ungeschick gleich eine ihrer Kokosnüsse fallen.
„Verzeihung. Habe ich
Dich getroffen? Wie ungeschickt von mir.“
Die Palme beugte ihren grauen Stamm vornüber, es knarrte, ganz bis zum Boden,
bis auch endlich die grünen Blätter den Boden streiften, formte sie zu Händen,
schob die gute Nuß mit der einen auf die andere Fläche, stellte sich nun
gerade, stopfte die Fallengelassene zu den anderen, die schon warteten unter die
Krone und stellte sich – nun aufrecht – auf andere Weise vor: Kunigunde
die Karettschildkröte grüßte höflich Paloma, die Palme.
„Nicht Paloma. Die steht
dort drüben. Zwei Stämme weiter. Ich bin Ortrude.“
Ortrude aber grüßte ebenso höflich zurück. Fächerte aufmerksam ein wenig ihre
Palmenfächer, damit Kunigunde im Schatten war.
„Mein Tag ist so.“,
sagte sie sorgsam und vergaß dabei nicht, ihre Nüsse zu hüten.
„Ich spende mit meinen
Blättern Schatten. Es ist ein Schattentag. Mehr nicht.“
„Dann tust Du etwas für
andere.“
„Ach, wirklich? Das
glaube ich nicht. Nein. Tu ich nicht. Sonst stünde ich ja nicht hier. Im Licht.“
Ortrude grüßte höflich,
aber stolz, und wünschte diesen als schönen Tag noch.
Kunigunde die Karettschildkröte grüßte höflich zurück, lächelte, zeigte ihren
Panzer vor. Dem eine der Hornplatten fehlte.
Aber die fehlte in dem Schatten gar nicht, doch da sah die Kokospalme schon
lange nicht mehr hin.
Kunigunde stapfte
weiter. Um die Insel herum.
Eine Flosse vor, die
andere kam dann gerade. Wie Bürde. Wie Hürde. Bis zu einer Stelle machte sie es
so.
Dann.
Am Strand, dort,
zwischen den Farben Meer und den Farben Wald: Eine aufgehäufte Grube, drei
Steine in der Nähe.
Kunigunde, die Karettschildkröte, erinnerte sich. Bewegte sich.
Bewegte sich... der Sand vor ihren Augen. Da!
Es gluckste, glickste,
ein Putzen, ein Schnippen, ein Schatten, ein grünes Blättchen streifte durch
den Boden.
Heraus schimpfte sich ein kleines Häuflein Schildkrötlein, kaum größer als ein
ungestümes Leben.
Es spuckte, kaute auf dem Sand, der nicht wirklich schmeckte.
Dann kam es frei.
„Das hier ist das
falsche Loch. Da hinten. Da! Du stehst im Wege!“, probte das kleine Leben seine
Worte, ruderte mit den Armen, mit den Beinen, eine Flosse vor, dann stellte
sich die andere gerade, und schwamm schon mal so, als wäre der Strand das
Wasser.
Eine weiße Eierschale steckte auf dem Rücken als Panzer. Es wollte am großen,
dem eine Platte in gleicher Größe fehlte, gleich vorbei.
„Mein Tag ist so.“,
sagte es dabei.
Und beeilte sich, noch
das heranrasende, das herausziehende Meer, das heranrasende zu erwischen.
„Guten Tag, guten Weg.
Mehr braucht es nicht.“
Grüßte höflich, aber
stolz, und wünschte diesen als schönen noch.
Kunigunde grüßte höflich zurück, lächelte und hielt in gleicher Sekunde ihren
Panzer vor, dem eine der Hornplatten fehlte.
Da aber war das kleine Leben schon längst im Sputen, im Plätschern, in den
Fluten verschwunden. Hoch und wieder runter.
Doch da war noch…
…die Eierschale.
Sie schwappte auf der
Welle. Ein Windstoß und – hups. Der trug den weißen Panzer flugs an den
Strand.
Zurück. Lag so da. Vor Kunigunde und funkelte nun in der Sonne unbewegt.
„Ja, Du mußt wissen…",
sagte sie der Schale. Sie hörte ihr nun zu. „…mein Tag ist so.“
Und zeigte ihren Panzer
vor.
„Ich trage ihn. Doch
hält er sich davor. Wie gerne würde ich ihn putzen. Oder mal reiben. Oder diese
Stelle kratzen. Die ganz hinten. Sie juckt manchmal.
Das ich es nicht leiden mag. Doch meine Arme, meine Beine sind zu kurz. Sie
kommen nicht an, dort hin.
Deshalb, liebe Schale, lebe ich im Meer. So bleibt mein Panzer auch rein. Und
sauber geb‘ ich ihn nicht her.
Ja. Auch das ist wahr. Ich kannte mal eine Cousine.
Die war sich zu fein. Die war des Panzers müde. Von jedem Tage trage. Beim
Bade. Sie zog so und zerrte. Und eines solchen dann.
Streifte sie ihn sich vom Leibe.
Wie leicht es war!
Zu schwimmen. Jauchzte. Ohne die Last auf dem Rücken. Und sie konnte sogar aus
dem Wasser über die Wellen springen.
Was für eine Schildkröte niemals möglich war. Erst möglich wurde durch all das
Gezerre.
Sie schwimmt nun schön und schnappt nach Luft wie zuvor.
Ihr Name: Margarethe.
Maßliebchen, nenn' ich sie.
Weil sie kleiner war.
Als die anderen Delphine. Die sie nun war.
Ihre Augen glücklich.
Doch kann sie nie
mehr an Land.
Nie mehr an den Strand, an die Stelle, wie Du als Eierschale eben bevor.
Mein Tag ist so.“
Sagte Kunigunde, die
Karettschildkröte, hielt ihren Panzer vor, zeigte auf die Hornplatte, die
fehlte, und grüßte höflich aus der Ferne:
Reintraude, die
Seeigelin. Die unter Wasser bei den Korallen ihre Stachel putzte, bis sie
wieder glänzten.
Kamillo, den Pistolenkrebs, der daneben mit seinen schweren Scheren voller Sand
beschäftigt war, bis man sein zufriedenes Schmatzen hörte.
Die Palme Ortrude hier oben auf der Insel, die gerne Schatten spendete, und
dabei behutsam ihre Nüsse hütete.
Und grub am richtigen
Ort nun fröhlich ihre Kuhle.
„Mehr nicht. Und
morgen? Bin ich ebenso.“
*
Von einer Karrett-Schildkröte...
..auf ihrer Runde.
Kam die Kunde.
Ein Delphin erzählte es
mir.
Ungelenk, vielleicht. Voll Leben.
Und doch ein Geschenk....