"Hallo" ist das Pfandleihhaus des "Aufwiedersehn"...



Miniaturen des Absurden

Betrete mit der Miene der Abfälligkeit und erhalte Einlaß

Vom Jardin du Luxembourg zum Panthéon brauchte es schon mehr als platonisches Innehalten, um sich Gehör für Gesehenes zu verschaffen. Da...

Mittwoch, 27. April 2016

Linda läßt sich Norwegen nicht schenken. Dubai wäre ganz Okay.


Linda, muß man wissen, besitzt schon Länder wie Feldherren Armeen. Die besiegten zählen nicht.

„Lind…“, begann ich, und konnte nicht mal ihren Namen beenden, ohne daß sie schon wieder nach einem anderen Kontinent schielte mit Dutzenden Ländern, die man sich noch so schenken lassen könne. „…a. Ich kann Dir Norwegen nicht schenken. Norwegen gehört den norwegischen Menschen, den Wikingern, den Trollen und den Fjorden. Die Fjorde haben sich zur Union der Landschaften zusammengefaßt und gehören jetzt der NUNO an. Das N steht für Natural, nicht für Norwegen. Was die Norweger aber gerne mal Pipifaxen machen läßt, wenn sie untereinander von sich von einer weltumspannenden Organisation sprechen, deren Namen sie sich für sich selbst wählten, während die Trolle in der TUNO sind und gerne mal mit der Wildfangquote der Thunfische in ein Netz geworfen werden, wobei das selbstnatürlich dazu führte, daß die Wikinger Enten auf dem Kopf tragen zum Schutz vor fliegenden Holländern, die einen Hafen suchen, in dem sie anlanden können, zudem diese allerdings nicht wissen, daß die Haarpracht unter den Entenschnäbeln versandet sind bei den Wikingern und deshalb zum ‘Pizza Oildriller‘-Essen Kronen tragen – wie jeder weiß –, um die um langen Spieße gewickelten Spaghetti senkrecht geflochten auf Salami und Basilikumblättern ruhenden runder See aus Steinofenteig gefertigten Meeresbeuten bei Kate und Katalin aufzurüsten, nicht abzubauen beim Essen, aufzurüsten, um dergestalt Ausdruck zu finden und zu geben, Reich eines Landes der Gesellschaft der NOUNO zu sein, wozu NO hier mal den Norwegern dient, konnte ich Linda Norwegen nicht einfach so schenken.

„Du hast Schweden, Finnland, Estland, Litauen wolltest Du nicht, Rußland schlägt Dir aufs Gemüt, Amerika wollen selbst die Engländer nicht mehr, Afrika gehört mir, die Antarktis ist schon für die Schmelzblüte verplant – ich suche gerade nach Co-Investoren, um die freigewordene Landmasse mit Pflanzen zu atmosphärisieren, verscherbel‘ ein gutes Drittel, zwei Drittel des Eisregenwaldes behalte ich unter Naturschutz, verkaufe die Lizenz, den nicht abzuholzen, an die Sahara, die so nicht dorthin gelieferten Bäume sorgen sich um das Klima in dieser trockenen Region der Erde, die mir zu 20% eigentümlicherweise besitzanzeigend und fürsorglich mein ist –, Italien ist befreit, aber Norwegen?
Ich tausche Dein Belgien (eh nix mehr wert) gegen Liechtenstein, poppe Slowenien obendrauf, bündle das Bundle mit Bulgarien, die Donau verläuft zu gut und biete Dir alle drei für den Verzicht auf Skandinavien-links-oben an. Du maulst?“

Linda mault. Linda sieht das immer zu schwarz. Ich schicke sie in die Türkei. Als Zypriotin versteht sie die Spitze. Vielleicht überspannt sie den Bosporus in längsverlaufender Richtung bis nach Kreta und befreit den Minotaurus aus seinem Labyrinth, aber da glaube ich ja selbst nicht dran.

„Hier. Kannst Du haben.“

Sage ich ihr noch zum Abschied. Soll sich dran verschlucken. Und ich schwöre, in ihren Augen zwei Tränen gesehen zu haben – vor Rührung , eine größer als die andere. Asymmetrische Tränen. Einer dieser beiden kann ich einfach nichts abschlagen.

Die andere wischte ich zusammen mit Nasenrotz an meinem Cord-Revers ab.



Gelassen, denke ich.












*







Dienstag, 19. April 2016

Kunigunde die Karettschildkröte




Es...
 ...war einmal...

...es...
 ...gab einmal...

...diese Kunde...
 ...von dieser einen...

...die machte mal...
 ...ihre Runde...

Sie kam einmal...
 ...eine Stunde lang...

...doch nie...
 ...zu mir.


Woher ich‘s dennoch weiß?


Ein Delphin erzählte es mir…
 ...von ihr...

...hier...

...von einer Karrett–Schildkröte...
 ...auf ihrer Runde...

...mit Namen...


...Kunigunde.



Kunigunde die Karettschildkröte...


…schwamm gerade ihre Runde – war wie Fliegen, eine Flosse vor, eine zog gerade hinterher – dort am Korallenriff, in klarem Wasser, schon traf sie in dieser Sekunde...

 ...auf Reintraude, ihres Zeichen Seeigel, gewitzt und auf dem Grunde, blauschwarz und groß wie ein Schuhkarton. Reintraude bog gerade ihre Stachel. Danach gerade. Einen nach dem anderen, öffnete ihren Munde, steckte die langen Stäbe so dazwischen und putzte alle mit ihrer Zunge. Bald waren sie wieder rein, und sie ließ sie flitschen und sie strahlten im Fleckenlicht der flachen Sonne mehr blau als schwarz wie Gift und doch noch einen halben Meter lang.

Kunigunde, die Karettschildkröte, hatte keine Angst, sie schwamm dicht heran.
„Mein Tag ist so.“, sagte Reintraude stichelig. „Ich putze meine Stachel. Es ist ein Stacheltag. Mehr nicht.“ Grüßte höflich, aber stolz, und wünschte diesen als schönen noch.
Kunigunde grüßte ebenso höflich zurück, lächelte, zeigte ihren Panzer vor, dem eine der Hornplatten fehlte, aber da sah die Seeigelin schon lange nicht mehr hin.
Kunigunde schwamm weiter ums Riff herum.

Ein Korallenriff, so mußte man wissen, bestand aus Leben. Aus Totem nicht. Und aus Wasser. Mehr wissen mußte man nicht.

„Aus Sand.“, sagte Kamillo, der Pistolenkrebs, und wie zum Beweis bespritzte er Kunigunde mit vielem davon, und wirbelte mehr noch damit auf.
Er hopste heraus aus seiner Höhle, er traute sich vor, dann wieder nicht, schnappte sich eine Schippe voll des hellsten Korallenschutts, dann zischte er zurück. Aus dem Begehren. Dann aus dem Licht. Dann in seines ohne nicht. Seine ausgestellten Augen funkelten.

Er schmatzte, und es knirschte und seine Scheren schnippten wie eitle Friseure an Land, zu denen er mal kam, weil er gefangen war, in einem Aquarium, wie sie es nannten, und dann wieder nicht. Nicht gefangen war, weil er die Glasscheibe mit seinem Pistolentrick zertrümmert hatte. Sie warfen ihn zurück ins Meer. Die Scherben vor. Zuvor ihre Scheren auf den Boden. Eitel ersetzt durch Wut.
„Mein Tag ist so.“, sagte Kamillo schnippig. „Ich schnippe mit meinen Scheren. Es ist ein Scherentag. Mehr nicht.“

Grüßte höflich, aber stolz, und wünschte diesen als schönen Tag noch.

Kunigunde grüßte höflich zurück, lächelte, zeigte ihren Panzer vor, mehr als eben, dem eine der Hornplatten fehlte, aber da sah der Pistolenkrebs schon lange nicht mehr hin.
Kunigunde schwamm weiter ums Riff herum.

Wie Flügel. Wie Fliegen.

Eine Flosse vor, eine zog dann gerade. Einen halben Meter lang. Wenn sie sich streckte. Wie Schaufeln. Wirbelten sie den Sand darunter auf. Eine zeitlang. 

Dann.

Kam ein leichter Aufgang, ein Anstieg, eine Schneise im Korallenriff. Ein glitzerner Schleier, der im Wasser trieb und sich mit Schleifen umgab.
Erst die Hände, dann die Füße. Der Buckel trocknete schon in warmer Luft: Kunigunde machte einen Landgang.

„Eine Insel.“, sagte die Kokospalme und ließ aus Ungeschick gleich eine ihrer Kokosnüsse fallen.

„Verzeihung. Habe ich Dich getroffen? Wie ungeschickt von mir.“

Die Palme beugte ihren grauen Stamm vornüber, es knarrte, ganz bis zum Boden, bis auch endlich die grünen Blätter den Boden streiften, formte sie zu Händen, schob die gute Nuß mit der einen auf die andere Fläche, stellte sich nun gerade, stopfte die Fallengelassene zu den anderen, die schon warteten unter die Krone und stellte sich – nun aufrecht – auf andere Weise vor: Kunigunde die Karettschildkröte grüßte höflich Paloma, die Palme.

„Nicht Paloma. Die steht dort drüben. Zwei Stämme weiter. Ich bin Ortrude.“

Ortrude aber grüßte ebenso höflich zurück. Fächerte aufmerksam ein wenig ihre Palmenfächer, damit Kunigunde im Schatten war.

„Mein Tag ist so.“, sagte sie sorgsam und vergaß dabei nicht, ihre Nüsse zu hüten.
„Ich spende mit meinen Blättern Schatten. Es ist ein Schattentag. Mehr nicht.“
„Dann tust Du etwas für andere.“
„Ach, wirklich? Das glaube ich nicht. Nein. Tu ich nicht. Sonst stünde ich ja nicht hier. Im Licht.“
Ortrude grüßte höflich, aber stolz, und wünschte diesen als schönen Tag noch.
Kunigunde die Karettschildkröte grüßte höflich zurück, lächelte, zeigte ihren Panzer vor. Dem eine der Hornplatten fehlte.
Aber die fehlte in dem Schatten gar nicht, doch da sah die Kokospalme schon lange nicht mehr hin.
Kunigunde stapfte weiter. Um die Insel herum.
Eine Flosse vor, die andere kam dann gerade. Wie Bürde. Wie Hürde. Bis zu einer Stelle machte sie es so.

Dann.

Am Strand, dort, zwischen den Farben Meer und den Farben Wald: Eine aufgehäufte Grube, drei Steine in der Nähe. 

Kunigunde, die Karettschildkröte, erinnerte sich. Bewegte sich.
Bewegte sich... der Sand vor ihren Augen. Da!

Es gluckste, glickste, ein Putzen, ein Schnippen, ein Schatten, ein grünes Blättchen streifte durch den Boden.
Heraus schimpfte sich ein kleines Häuflein Schildkrötlein, kaum größer als ein ungestümes Leben.
Es spuckte, kaute auf dem Sand, der nicht wirklich schmeckte.

Dann kam es frei.

„Das hier ist das falsche Loch. Da hinten. Da! Du stehst im Wege!“, probte das kleine Leben seine Worte, ruderte mit den Armen, mit den Beinen, eine Flosse vor, dann stellte sich die andere gerade, und schwamm schon mal so, als wäre der Strand das Wasser.
Eine weiße Eierschale steckte auf dem Rücken als Panzer. Es wollte am großen, dem eine Platte in gleicher Größe fehlte, gleich vorbei.

„Mein Tag ist so.“, sagte es dabei.

Und beeilte sich, noch das heranrasende, das herausziehende Meer, das heranrasende zu erwischen.

„Guten Tag, guten Weg. Mehr braucht es nicht.“

Grüßte höflich, aber stolz, und wünschte diesen als schönen noch.

Kunigunde grüßte höflich zurück, lächelte und hielt in gleicher Sekunde ihren Panzer vor, dem eine der Hornplatten fehlte.
Da aber war das kleine Leben schon längst im Sputen, im Plätschern, in den Fluten verschwunden. Hoch und wieder runter.
Doch da war noch…

…die Eierschale.

Sie schwappte auf der Welle. Ein Windstoß und – hups. Der trug den weißen Panzer flugs an den Strand.
Zurück. Lag so da. Vor Kunigunde und funkelte nun in der Sonne unbewegt. 

„Ja, Du mußt wissen…", sagte sie der Schale. Sie hörte ihr nun zu. „…mein Tag ist so.“

Und zeigte ihren Panzer vor.

„Ich trage ihn. Doch hält er sich davor. Wie gerne würde ich ihn putzen. Oder mal reiben. Oder diese Stelle kratzen. Die ganz hinten. Sie juckt manchmal.
Das ich es nicht leiden mag. Doch meine Arme, meine Beine sind zu kurz. Sie kommen nicht an, dort hin.
Deshalb, liebe Schale, lebe ich im Meer. So bleibt mein Panzer auch rein. Und sauber geb‘ ich ihn nicht her.
Ja. Auch das ist wahr. Ich kannte mal eine Cousine.
Die war sich zu fein. Die war des Panzers müde. Von jedem Tage trage. Beim Bade. Sie zog so und zerrte. Und eines solchen dann.
Streifte sie ihn sich vom Leibe.
Wie leicht es war!
Zu schwimmen. Jauchzte. Ohne die Last auf dem Rücken. Und sie konnte sogar aus dem Wasser über die Wellen springen.
Was für eine Schildkröte niemals möglich war. Erst möglich wurde durch all das Gezerre.
Sie schwimmt nun schön und schnappt nach Luft wie zuvor.
Ihr Name: Margarethe.

Maßliebchen, nenn' ich sie.

Weil sie kleiner war. Als die anderen Delphine. Die sie nun war.
Ihre Augen glücklich.
Doch kann sie nie mehr an Land.
Nie mehr an den Strand, an die Stelle, wie Du als Eierschale eben bevor.
Mein Tag ist so.“

Sagte Kunigunde, die Karettschildkröte, hielt ihren Panzer vor, zeigte auf die Hornplatte, die fehlte, und grüßte höflich aus der Ferne:

Reintraude, die Seeigelin. Die unter Wasser bei den Korallen ihre Stachel putzte, bis sie wieder glänzten.
Kamillo, den Pistolenkrebs, der daneben mit seinen schweren Scheren voller Sand beschäftigt war, bis man sein zufriedenes Schmatzen hörte.
Die Palme Ortrude hier oben auf der Insel, die gerne Schatten spendete, und dabei behutsam ihre Nüsse hütete.

Und grub am richtigen Ort nun fröhlich ihre Kuhle.


„Mehr nicht. Und morgen? Bin ich ebenso.“









*




 Von einer Karrett-Schildkröte...

 ..auf ihrer Runde.

Kam die Kunde.

Ein Delphin erzählte es mir.

Ungelenk, vielleicht. Voll Leben.


Und doch ein Geschenk....