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Miniaturen des Absurden

Betrete mit der Miene der Abfälligkeit und erhalte Einlaß

Vom Jardin du Luxembourg zum Panthéon brauchte es schon mehr als platonisches Innehalten, um sich Gehör für Gesehenes zu verschaffen. Da...

Freitag, 8. August 2014

Berichte aus Liliput


Anreise


Und so kam es, daß es schon beim Grenzeintritt Probleme gab. 

Nicht mit dem Diplomatenpaß, mit dem war alles in Ordnung, der hatte in jedem Land Gültigkeit – nur in der Antarktis hatten die Pinguine etwas auszusetzen, man verstand sie nur undeutlich, sprach ich zwar Fischuheli, Vögelisch aber nicht, und daher wird mir es für immer ein Rätsel bleiben, woran denn nun diese Reise scheiterte – mit dem Schlagbaum. Nein, so wurde mir angedeutet, mit dem nun auch wieder nicht. Mit dem Schlagbaumwärter. Nein, so wurde mir zu verstehen gegeben, mit dem nun auch wieder nicht. Mit dem Schlagbaumwärterhäuschen in dem der Schlagbaumwärter nun gefangen war, weil mein Dicker Otto die Tür blockierte und andere Grenzbeamte des Großherzugtums Liliput schon mit dem Messen begannen, ob der nun dadurch schon die Grenze überschritten hatte, als ich ihn vor das Schlagbaumwärterhäuschen setzte und pro forma doch noch nicht offiziell eingereist war. Weil der Schlagbaumwärter ja nicht aus seinem Häuschen herauskommen und in meinem Diplomatenpaß einen Einreisevermerk stempeln konnte.

Ob schon eine Grenzüberschreitung vorlag, ich also erst des Landes verwiesen werden müsse – persona non grata –, bevor ich dann ordnungsgemäß einen Wiedereinreiseantrag stellen könne – den Fuß müsste ich dann kostenpflichtig zurücksetzen –, oder ob eine Ausnahmeregelung greife, weil, wegen dem Nagel und so. Man rief Verstärkung herbei – der Zollhauptmann wurde aus seiner Mittagspause gerissen, sein Serviettentuch steckte noch im Kragen, das Laufen befahl die Richtung, in die es wehte, Tomatensuppenflecken – und besorgte auf die Schnelle Maßbänder mit lautem Befehlen, um den Umfang der vermeintlichen Grenzverletzung nicht nur im Umfang, sondern auch in Zentimetern ausdrücken zu können. Man war sich uneins, ob der Fußnagel schon zum belebten Teil des Dicken Ottos gehörte oder als zum Reisegepäck zählendes Utensil, das keiner Einreisestempelung benötigte. So als stellte man seine Koffer auf die Grenzlinie, vor Einreise, und die gehörten ja nicht zur persona grata, die also die Einreise folgenreich und so erfolgreich tätigte, sondern zur Person, die noch einzureisen wünschte. Und Koffer brauchten sowieso keine Papiere.

Ich bot der Einfachheit an, den Fuß von selbst zurückzusetzen, doch das erzeugte zu meiner Verwunderung nur noch mehr Verwirrung in den schon rotangelaufenen Gesichtern der Paßkontrolle. Schließlich sei man ein souveräner Staat, und von einem Dahergelaufenen, und sei es noch ein RIESE, lasse man sich die Vorschriften nun schon mal gar nicht diktieren, die schon immer galten und schon immer funktionierten. Und nur bei einem RIESEN wie mir jetzt Probleme machten. Und gaben mir indirekt zu verstehen, daß meine Größe daran schuld sei. Bei mir zuhause, da, wo ich herkomme, sind alle so groß, dachte ich. Und gab ihnen indirekt zu verstehen, daß ihre Kleinlichkeit – ob Dicker Otto nun, oder Zehennagel – daran schuld sei, daß nun Probleme auftauchten. Ich überlegte kurz, ob ich sie einfach niedertrampeln sollte, kramte aber meine Gelassenheit aus dem Kulturbeutel, den ich immer am Körper bei mir trug, fand darin zufällig eine Nagelpfeile, holte sie hervor, bückte mich und kürzte den Zehennagel vor verdutzter Paßkontrolle auf das gewünschte Maß hinter die Grenzlinie. Was ich nicht wußte: die Nagelreste sollten mir noch bei der Zollkontrolle Probleme bereiten. Diplomatenpaß hin oder her. Ob ich sie hineinschmuggeln wollte. Und wie man sie deklarieren sollte. Andere Länder, andere Vorschriften. Die Probleme eines RIESEN mit den Zwergstaaten. Ich kramte meine Gelassenheit heraus. Und kramte.






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