"Hallo" ist das Pfandleihhaus des "Aufwiedersehn"...



Miniaturen des Absurden

Betrete mit der Miene der Abfälligkeit und erhalte Einlaß

Vom Jardin du Luxembourg zum Panthéon brauchte es schon mehr als platonisches Innehalten, um sich Gehör für Gesehenes zu verschaffen. Da...

Sonntag, 15. Oktober 2017

Julep


Was machen Menschen im schönen Oktober eigentlich, wenn die schöne Oktobersonne untergeht?
Ich will es gar nicht wissen.

Ich mag Autos. An Autos mag ich, daß sie immer ein Vorne und ein Hinten haben.
Menschen mögen auch ein Vorne und ein Hinten haben:
Sie schauen einen von vorne an, blicken aber von hinten weg. Allein deshalb meide ich schon Menschen.

Allein wegen der Unfallgefahr:
Sie blinken nicht, wenn sie aus der Spur fahren. Oder Flashen nur, wenn man selbst aus der Spur fährt.
Von hinten.

Bei Autos - so unterschiedlich sie auch sein mögen oder eben nicht - gibt es immer ein Vorne, ein Hinten, zwei Seiten, ein Unten und ein Oben. Das macht mir Autos sehr sympathisch. Das ist schon mal mehr als bei Menschen, die erwiesenerweise nur ein Vorne und ein Hinten haben.

Bei Motorrädern finde ich das noch, und - wenn sie über einen inneren Antrieb verfügen - bei E-Bikes. Was das Fortkommen, Verweilen oder Parken doch sehr bequem macht.

Kein Wunder, daß der Mensch dem Auto unterlegen ist.
Kein Wunder, daß mehr Autos gestohlen werden als Menschen.

Von Menschen kenne ich nur das Vorne und das Hinten.
Ich kenne mich daher nicht so gut bei den Menschenmarken aus.

Lieber kann ich mir stundenlang Gedanken darüber machen - und kriege schlechte Laune, weil die Auswahl so groß ist -, welche Farbe mein Rolls-Royce Phantom VIII denn nun haben soll:
Auffällig in Cherry Red oder Azurite-Blau? Einfarblackierung oder Zweifarblackierung? Unauffällig elegant der Main-Body in Anthracite, welches einen raffinierten Schuß Lila in sich birgt, und der Upper-Main-Body in Black?
Wie sieht Titanium mit Blue Ice aus? Von der Wirkung her.
Wegen der Wirkung google ich: Life-Pics.

Auch das fällt bei Menschen weg. Life-Pics. Noch so ein Nachteil gegenüber Autos.

Ich google also Rolls-Royce-Farben an Vergleichs-Modellen. Ob Ghost, ob Wraith. Auch das kann ich stundenlang.
Deshalb heißen sie ja Life-Pics. Sie nehmen Leben. Ha, ha.

Und stelle fest, daß das Licht in Miami, Florida, beim Händler doch ganz anders ist, als das in Edinburgh, UK, so daß Graphite in dem einen wie dem anderen Land ganz anders ausfällt.
Das mag an der Sonne, die in jedem Land gleich ist, liegen, oder an der Kamera.
Amerikaner überbelichten. Mit Dunst. Körnigem Life, fällt mir auf.

Interessiere mich aber nicht für Menschen und ihr Körniges und tendiere im Inneren zu Armagnac, einem kräftigen Braun gemischt mit Orange.
Komplementiert mit Arctic-White-Kontrastflächen. Vielleicht noch Baby-Blue? In den Inner-Pockets allemal. Das wäre der Touch.
Und nun: Mit Holz in den Türen oder ohne? Das beschäftigt mich sehr lange.

Allein die Namen der Farben, Lacke und Leder, sind vielfältiger als dringend benötigte, neue Babyvornamen aus Fernsehserien.
Zugegeben. Ich möchte kein Twilight Purple haben, das Khaleesi heißt.
Mit einem Spock! als Bohemian-Red kann ich leben. Er käme ja immerhin aus dem Ausland. Und nicht wie Bohemians aus dem Kiez.

Bei Bentley heißt Gelb-Metallic Julep. Mit Grüneinschuß. Julep!
'Romeo und Julep.' Das ginge auch als Menschenname durch.
Diese Engländer. Man muß sie einfach mögen.

Wenn sie nicht gerade im Fernsehen auftreten.

Ich mag Autos. Ich mag ihr Vorne und Hinten, die zwei Seiten, ihr Oben und Unten, ihr Inneres und die Namen ihrer Farben.
'Grigio Scuro'. Wie das schon geschrieben klingt. Eine Ferrari-Farbe. Uni.
'Solid' würde der Rolls-Royce sagen und es mit Doppel-L aussprechen.

'Dunkelgrau'.
So würde es der Deutsche aussprechen. Mit D und grau.
Und alle Oktober sind so golden schön! Das klingt auch schön. Deutsche, das muß man wissen muß man Deutschen lassen, können 11 Monate auf alle schönen Oktober warten.

'Dunkelgrau' - so heißt Grigio Scuro auf deutsch, was wiederum wie der Name eines vollständigen, italienischen Mannes klingt - klingt nicht wie ein Vor- und Zuname eines italienischen Mannes, wenn er Dunkelgrau heißt.
Klingt eher wie 'Vor- und Zuname'. Klingt wie deutsch.
Klingt wie 'Herr Grau Dunkel'. Die Reihenfolge beachtend. Wie seine Lebensgefährtin wohl heißt?

'Copine' sagt der Franzose.
'Ma Copine'. Selbst das klingt wie ein Name mit Farbe.
Jenseits der Sümpfe Louisianas am Schmortopf rührend kann ich mir sie auch gut ohne Deinen Kolonialismus unterstellend in einem französischen Banlieue vorstellen.
Als Reiseverkehrsfachfrau. "Flugreisen günstig nur bei Ma Copine!"

Ich empfehle, mal einen guten - also stundenbegehrenden - Konfigurator auszuprobieren. Samstags oder sonntags.

Menschen, die man nicht im Konfigurator erstellen kann, empfehle ich dagegen nicht.
Menschen, die man nicht im Konfigurator antreffen kann, empfehle ich auch nicht. Sie sind mir zu uniform.

Zu gleichfarbig. Zu wenige Kontrastziernähte. Vom fehlenden Piping und Pinstripe - vornehm: Coachline - ganz zu sprechen.
Als ob sie alle schwarzes Leder im Innenraum ausstatten. Wegen dem Wiederverkauf.
Wegen dem Es-Sich-Leisten-Können. Das Leder muß es schon sein. Wegen dem grauen Sofa daheim.
Wegen dem schwarzen Leben allgemein. Wenn "In Silber sieht er auch nicht schlecht aus..." ein Lebensmotto ist, verfehlen selbst bunte Kissenbezüge ihre Grau-Sofa-Wirkung.

Der Wiederverkauf. Graue Sofas verkaufen sich wieder gut.

Die Kissenbezüge kann man immer noch für Klein-Inventar verwenden, das nicht sichtbar sein soll, und so kratzfrei im nächsten Keller verstauen. Soll ja keiner unordentlich sein.
Unordentlichkeit fordert den Gast immer auf, mal aufzuräumen, bevor er sich aufs graue Sofa setzt.
Wie unhöflich passiv-unangenehm. Krimskrams? Schon verloren.

Ich mag Menschen nicht. Nicht, weil ich Menschen nicht mag.
Von der Konfiguratorseite her mag ich Menschen nicht. Ich mag Autos.

Ich habe gehört, es soll Menschen geben, die mögen keine Autos mehr.
Das konnte ich nicht glauben.
Wer keine Autos mag, mag auch keine Farben mehr, denke ich mir dabei.
Und wer keine Farben mehr mag, mag auch keine Farben mehr.

Ich mag Julep Bentley. Ein Mensch, der nicht mindestens Julep Bentley heißt, erregt nicht mehr mein Interesse.
Oder Iridium?

Menschen erzeugen Aufmerksamkeit nur für wenige Minuten. Mit ihrem Vorne und Hinten.
Das ließe sich wissenschaftlich beweisen. Halb-wissenschaftlich habe ich das mal ausprobiert. Und mich geopfert.
An Life-Pics.

Ja, es stimmt:
Menschen erregen Interesse nur für wenige Minuten, Autos dagegen für Stunden.

Autos haben sogar Lichter. Vorne, hinten, seitlich, innen. Autos sind hell.
Auch da ist das Auto dem Menschen eindeutig überlegen.

Das merke ich mir. Und frage mich:

Bei allen grauen Sofas, was machen Menschen im schönen Oktober eigentlich, wenn die schöne Oktobersonne untergeht?
Geben sie der untergehenden Farbe einen Namen? 'Rose Quartz' vielleicht?
Das ist eine Special-Order-Farbe. Bei Rolls-Royce. Eine Special-Order-Farbe! Bei Rolls-Royce!

Ich will es gar nicht wissen.

Vielleicht schauen sie ja den Rücklichtern nach.

Rücklichter haben ein Rücklicht. Ein Bremslicht. Ein Rückfahrlicht. Einen Blinker. Ein Nebellicht.
Und einen Reflektor. Allein das Rücklicht. Allein das Hinten.

Eindeutig. Alles mehr als beim Menschen.

Ich hege den leisen Verdacht, daß Menschen gar nicht so vielfältig sind, wie manchmal behauptet wird.


Ziehe daraus aber keine Schlüsse.






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