"Hallo" ist das Pfandleihhaus des "Aufwiedersehn"...



Miniaturen des Absurden

Betrete mit der Miene der Abfälligkeit und erhalte Einlaß

Vom Jardin du Luxembourg zum Panthéon brauchte es schon mehr als platonisches Innehalten, um sich Gehör für Gesehenes zu verschaffen. Da...

Freitag, 20. Oktober 2017

Kind, aber das werde ich ja wohl noch sagen dürfen!


Das Leben -

dessen eingängigste Definition ist: 

Von anderen ist immer alles erlaubt, von einem selbst aber nicht, und dessen zweite, noch eingängigere leise laut Encyclopaedia Britannica lautet:

Halte stets und immer anderen einen Spiegel vor - vor anderen -, aber hüte Dich vor der eigenen Reflexion. Was du oben in Dich hineinfrißt, kommt unten wieder raus; aber mach's nicht vor dem Spiegel, heißt es noch

- ist ein Aber.

Das eine schon, aber das andere nicht, heißt das Obige wohl.  Das soll man vor dem Spiegel machen.

Aber dem Leben ist's egal, denke ich, ist die dritte. Und die kennt schon mal jeder.

Das man aber tunlichst vermeiden sollte.

Also nicht das Leben, das Aber.


Meine Gedanken, die immer ein Danke beinhalten, weil das ja schon da drinnen steht, das Danke in Gedanke, sanken auf das ungeliebte Erstkind, wenn Nachwuchs babysüß ins Haus steht, vor dem Haus, das trotzig daneben auf dem Tritt vor der Haustür bömmelte und nichts anzufangen wußte mit dem Korb, den der Storch da brachte, wie auf das Aber, und hüftschwang mit den Hüften, das aber nichts sagte, auch nicht leise, laut Enzyklopädieagogontria Wikipedia.

Das Wort Aber stand da, babysüß, auf dem Tritt, das so diskriminiert zu werden schien, wie ein Aldi-Käufer bei Lidl.

Der so dasteht. Und nichts versteht. Und nicht lesen konnte, wie ein funktionaler Analphabet.

Und - nun, ja - jetzt da er so dasteht und mit den großen Augen guckt, wo denn seine No-Name-Produkte bei Lidl stehen, die er von Aldi her kennt, und wie sie hier heißen, sie aber nicht lesen kann, und nun hilflos fragend in der Nase popelte.

Aldi-belesen, aber Lidl-Analphabet sozusagen.

No-Name-Produkte aber kann ich versichern heißen nicht. Sonst hätten sie ja einen Namen, wenn sie
Freeway oder Kania hießen. So heißen zuweilen No-Name-Produkte bei Lidl. Haben aber keinen Namen.

Aber keinen Namen, muß ich sagen.

Und so stand nun das Kind wie bei Lidl vor dem Kind im Korb ohne Namen - also dieses aber No-Name - und popelte in der Nase, aber ohne mir seinen zu verraten, weil wegen dem Popel im Mund, auf dem er kaute und daher nicht sprechen konnte.


Ich möchte das schöne Wort Aber verteidigen.

Aber ich möchte das schöne Wort verteidigen.

Ich finde, es wird wirklich diffamiert und diskreditiert, schimpfe ich.


Aber..., dachte ich. Diskriminiert ist das neue Cool, und krass cool, wenn man es wird, dachte ich.
Dann werde ich zumindest so krass cool sein, wie das Kind, das so krass cool Popel konnte.

Diskriminiert.

So höre ich das jetzt immer wieder von anderen. Diskriminiert. Weil es so viele sind. Und wenn ich von anderen etwas höre, was so viele wollen, will ich es auch.

Ich will auch diskriminiert!, gedanke ich.

Das hörte ich von anderen, die wollen das auch, und immer, wenn ich etwas von anderen höre,
will ich es auch erst recht.
Wie alle anderen. Auch erst recht!
Das ist krass cool, hörte ich aber, aber erst so richtig mit Ausrufezeichen.

Aber!

Dieses schöne, babysüße Wort.

Auf diesen vier Buchstaben beruhen alle meine Hoffnungen, danke ich, denke ich, um cool zu sein.
Aber nicht sitzend auf allen meinen vier Buchstaben, sondern mit all den vier Buchstaben im Wort Liebe.

Dieses Kind soll wachsen!, schrie ich heraus. "Aber mit Liebe!" (Und Ausrufezeichen.)

"Aber Liebe wird mit fünf geschrieben!", dachte das popelnde Kind auf dem Tritt auch und zeigte mir seinen Popel.

Es ist fünf, nehme ich an, denn es bestand darauf - es zu sein - mit Ausrufezeichen.

"Aber! mit fünf kannst Du das doch noch gar nicht wissen!", sagte ich gütig. "Das werde ich ja doch noch sagen dürfen!", sagte ich dazu.

"Aber! doch.", sagte es.

Und ich verstand nun, warum das Aber! mit Ausrufezeichen so diskriminiert wird:
Auch ein Kind mit fünf versteht schon Liebe.

Und will es nun umso mehr!

Es soll wachsen, wohlbehütet, manchmal vorsichtig schniefend, und dann will es raus, großgewachsen, wie sein Popel, den er so hegte, aus der Nase.

Cool.

Im Unterschied zu drinnen und draußen erst richtig cool und krass.

Weil diskriminiert jetzt cool ist will ich auch.

Ist wie Liebe. Und Liebe wollen alle. Die will auch groß raus. Aber nur mit Ausrufezeichen! Will auch cool sein wie Liebe!, dachte ich beim Anblick des Popels.
Weil es andere sein wollen, so häufig, wie ich es von anderen so nun höre. Und das Kind seinen Popel so vorzeigte, als ob es ihn liebte, erst im Unterschied vom Drinnen zum Draußen der erst diskriminiert zu wahrer Größe und voller Pracht gedieh!

Diskriminiert will jeder so häufig wie Liebe.

Dachte ich und horchte in mich hinein.

"Ich bin diskriminiert!", rief jemand sogleich, als horchte er meine Gedanken. Und enttäuschte mich nicht. Ich folgte der Stimme...


"Cool! Ich will auch!", rief ich zurück und stimmte ins Rufen ein. "Kennst Du schon den Popel?"

"Krass cool,", antwortete jemand gütig, "aber Du nicht!"

"Aber, warum nicht!", gütigte ich zurück.

"Weil Du nicht diskriminiert bist!", antwortete ein Erklärer.

"Weil? Wieso denn Weil! Ich denke, es geht ums Aber!", sagte ich.

"Ich habe nichts gegen das Wort Aber!, aber Aber! ist ein anderes Wort für Weil!"

"Aber weil?", nun kein Aber! zur Verfügung stand, fragte ich verdutzt mit Fragezeichen nach?

"Weil es etwas erklärt!", aber sagte der Erklärer und enttäuschte mein innerliches Aber! doch.

"Weiß doch jedes Kind mit fünf!", fügte ein Dritter erläuternd hinzu.

"Ich bin nicht diskriminiert?", knirschte ich zerknirscht mit einer Kania-Tütensuppe in der Hand, wo auch immer die herkam. Aber, man sollte immer eine dabei haben, dachte ich gütig und versuchte, ihren No-Name-Namen zu lesen. Scheiterte aber daran, weil man No-Name-Namen nicht beim Namen benennen kann, weil die keinen Namen haben. Wie das Kind mit dem Popel, das auch keinen Namen hatte, weil ich ihn ja nicht kannte und nur, weil er ihn kannte schon lange nicht einen hatte.

"Weil Du es nicht bist!", zischte jemand.

"Weil ich es nicht bin?", wurde ich knirschend und bezischt und Kania lesend immer kleiner.

"Dann ist Aber! also nicht das, was man ist? Sondern erklärt nur etwas? Und erläutert es? Hinreichend und allumfassend?", fragte ich.

"So, wie ein Kind mit fünf, das sagt, ich bin ein Kind, aber habe keinen Namen, mir seinen Namen nennt, damit es einen Namen hat und ich ihn dann kenne, falls ich ihn mal bräuchte, wenn man mich fragte, ob ich das Kind denn gesehen habe, wenn man es sucht, ohne daß es aufhört, fünf zu sein oder Kind, aber weil es mir ihn gar nicht nennen muß, eben halt nur ein Kind ohne Namen ist und nur fünf sein muß, um ein Kind zu sein, wenn ich ihn vergesse, wenn seine Mutter ihn zum Kania-Tütensuppenessen ruft?"

"Aber ja, doch!"

"Nun gut.", fand ich mich - krass, aber uncool - damit ab.

"Ich bin kein Unmensch. Aber Du auch nicht, aber Danke!"


Sagte ich noch und entfernte mich.


Dann aber kam ich bei der Haustür an, noch immer den No-Name-Namen Kania lesend, hob den Korb auf, den der Storch gebracht hatte und da immer noch stand, zweifelte, aber - das werde ich ja noch sagen dürfen -, nahm ihn mit allen Zweifeln und Aber und Weils mit ins Haus.

"Hat hier jemand wohl vergessen. Aber nicht mit Absicht."

Das Leben ist voller Erklärungen, dachte ich noch.

"Aber nicht für Erklärungen gemacht."

Fügte ich pfeifend hinzu.

"Es ist selbstverständlich selbsterklärend.", lächelte ich auf der zweiten Treppe und machte endlich die Korbbesitzerin des Babys ausfindig.

Wenn man Erklärungen macht. Sich Definitionen macht.
Und sich laut der eigenen auch nicht vor der eigen Reflexion hütet, wessenwegen man ja schließlich einen Spiegel hat. Fügte ich hinzu.

"Und der Spiegel der anderen ist immer krass cooler."

Dachte ich noch, als ich den übergroßen Spiegel der Babybesitzerin in ihrem Flur sah, während sich die Tür langsam schloß.

Vielleicht sollte ich das mal sagen dürfen, daß sie mal hineinblicken sollte.
Wenn sie das nächste Mal den Storch verpaßt.


...weil sie sonst ihr eigenes Lächeln verpaßt. Was denn sonst?


Und das Kind mit fünf?

Ach, die stehen hier so manchmal rum, betrete ich meine eigene Wohnung ohne Schmach.

"Ich habe nichts gegen Kinder. Aber haben die kein Zuhause?"

Denke ich.


Aber das habe ich mir nur so ausgedacht.

"Denn was ist denn schon schlimm daran, ein Zuhause zu haben? Was soll es dort schon anderes geben außer Liebe. Das ist meine Meinung. Nur schlechte Menschen denken schlecht über andere Menschen."

"Weil andere Menschen vielleicht schlecht sein sollen.", sagt mein Spiegel in der Diele unvermittelt und spricht.

Mich wundert auch nichts mehr, wundere ich mich, als er spricht.

"Damit man was im Leben hat,...", sagt er noch,


"...hast Du ja mich."


Krass cool, denke ich.

Die Definition von Leben stimmt. Zumindest die mit dem Spiegel, denke ich.

"Der wenigstens diskriminiert mich.", sage ich und freue mich.

"Ich habe nichts gegen Spiegel. Aber aussehen drin besser könnte ich schon noch.", sage ich noch.

"Ich habe nichts gegen Spiegelbilder. Aber aussehen drin könntest Du wirklich besser. Weil, dann wär's für mich auch besser.", sagt er noch leise.


Was man oben hineinfrißt, kommt unten wieder raus.






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