"Hallo" ist das Pfandleihhaus des "Aufwiedersehn"...



Miniaturen des Absurden

Betrete mit der Miene der Abfälligkeit und erhalte Einlaß

Vom Jardin du Luxembourg zum Panthéon brauchte es schon mehr als platonisches Innehalten, um sich Gehör für Gesehenes zu verschaffen. Da...

Mittwoch, 1. November 2017

Das absolute Gehör


Ich will beichten.

Zu beichten ist immer der Ort, wo Tränen nicht ausreichen.
Ein Beichtstuhl zum Beispiel. Der besteht aus Holz. Oder ein Beichtstuhl am See zum Beispiel:

Dort am Wasser reicht kein Wasser aus...


...kein See reicht aus.

Der See will kein fremdes Wasser. 

Sein Wasser läßt sich nicht wässern.

Meine Tränen rinnen in Furchen über meinen Wangen.

Sie trotzen gegen.

In schmalen Flüchen.

So schmal kann kein Meer sein, wie ich als Rinnsal - wie der Englische Kanal zum Beispiel -, 

kein Krug so tief.

Kein krug so dunkel.

Meine Tränen fallen.

Und fallen, und fallen. 

Und fallen nicht ins Tief. Denn ich beichte (aber ich tu's nur heimlich):


Ich hörte Musik.


Solange es Luft gibt, trägt der Schall alles, denke ich noch dimmend.

Dann schnief.


Nein, das ist nicht lustig.

Musik ist nicht lustig. Dazu ist Musik viel zu ernst.

Musik ist viel zu ernst, um Musik lustig zu nehmen.

Wer Musik nicht spürt, der fehlt für die Welt.

Und wer für die Welt fehlt, der fehlt für die Welt der Musik.

Und wer für die Musik der Welt fehlt, wird besungen.

Und es werden so viele besungen. Wer vermißt soviel?

Wo sind die alle hingegangen? Zum See? Zum Schniefen?


Hier, in der Nähe ist ein See. Der hatte mal 'ne Bank.

Die Bank ist verschwunden. Haben sie die Bank gleich mitgenommen?

Beim Date am See mit Pods und Repeat und Shuffle?


Nachdem ich in Erfahrung brauchte - ich bin noch immer erschüttert, daß die betroffene Variante 'Alkohol' beinhaltet, wodoch ich doch gar nicht trinke -, daß die besoffene Variante von "Wadde-Hadde-Du-De-Da?!" "Walle-Halle-Lule-La?!" heißt, widme ich mich im Einvernehmen mit meinem Psychiater nun der Belletristik des gesungen Wortes.

"Rebel Yell" und "White Wedding" kannte ich schon von einer Frau:

Frauen hören sowas, Mädchen hören's nicht.

Weiß ich. Denn die haben das gar nicht verdient.

"Rebel Yell" und "White Wedding" haben Mädchen gar nicht verdient.

Und meine Tränen fallen. Und - schnief - fallen.

Mädchen hören's nicht.

Das Fallen der Tränen hören sie nicht. Trotz absolutem Gehör:


Denn Mädchen hören Musik.


Die hören was wie "Schnick-schnack-schnuck - ich wünsche mir Luck". Denn Luck (sprich: Lack) haben Mädchen sich verdient. Wie selbstverständlich. Haben die Luck verdient.

Zugegeben, wenn es um Musikgesang geht, bin ich der schlechteste unter denen, die keine Ahnung von Musik haben.

"Ich habe keine Ahnung von Musik.", sage ich dann immer. "Aber ich habe Ahnung von meinen Ohren.", banause ich dann immer.

"Aber Mädchen können singen. Denn Mädchen können klingen.", wagt mein inneres Erinnerungs-Tindersticks - Travelling Light und neckt und probt den Aufstand gegen die Musik der Mädchen:

"Aber Frauen kann man hören. Denn Frauen können röhren."

Auch wenn das natürlich natürlich ein Klischee ist: "...denn Frauen können röhren."

Musik-Mädchen dagegen mögen Prince-Musik mögen. Aber keine Musik, die man hören kann, sondern Musik, die man anziehen mögen kann. Mit einem Brautkleid zum Beispiel:

In der Musik werden Märchen, Märchen werden wahr.

Jedes Mädchen kann sich als Prinzessin in weißem Kleid daneben stellen, Volume Max und Lider schatten, wenn Prince George of Cambridge in St. Pauls zu seiner Thronbesteigung singt:

"Weil - mir - im Siegerkranz - der Mieder wamst."

Im Original:

"Rail - me - in hither glance - to wither, hence." - Featuring Prince Gee One introducing Flora Schmidt, ehemals Grundschülerin und Absolventin der Malklasse mit Buntkreide.

Ich wünsche Flora Schmidt allen Luck der Welt mit ihrem populären Princen.

Verständlicherweise brauchen sie auch nicht meine Erlaubnis. Mädchen brauchen keine Erlaubnis, wozu haben wir Mädchen? Aber meine Ohren, meine Ohren brauchen Erlaubnis!

Es ist bekannt, daß der Maler Edvard Munch auf seinem Platten-Cover "Der Schrei" feat. Farbe mit beiden Händen seine AirPods an seine Ohren preßt und laut Paramore mitsingt:

"Ah, und uh-hu. Wo ist mein Schuh."

Musik-Mädchen behandeln mich wie eine Baby-Born-Puppe, denke ich mit der Selbstgewißheit von Leitartikeln. Als wäre ich das Liebesereignis aus Flora Schmidt und Prince Gee. Sie singen (Die Band heißt 'Baby-Born', das Lied heißt 'Trink!', und das sind echte Lyrics!):

"Trink! Ich will sehen, daß Deine Tränen echt sind! Trink! Sie sollen aus Deinen Augen fallen!
Ja. Aus beiden!"

Lalala.

Und:

"Wenn 2 Liter Tränen nicht ausreichen, mußt Du unter Bäumen weichen."

Und:

"Du bist doof.", reimen sie dann immer. Weil, - doof - das reimt sich immer: Auf Love.

Nur wenigen ist bekannt, daß Edvard Munch sein Bild nicht "Der Schrei" nennen wollte, sondern "Love" nachdem seine Tochter eine Baby-Born-Puppe mit 2 Liter Leitungswasser fütterte und seinen "Schuh" nach einem von beiden werfen wollte. Was ich sehr einleuchtend finde.

Denn:

"Ich will Deine Tränen quietschen hören! 2 Liter reichen nimmer!" So singen Mädchen. Immer.

Dann bin ich fix und foxette und roxy:

"2 Liter Tränen reichen nicht? Ich bin doof? Du bist Dover.", schniefe ich dann, wenn ich das höre und sage wimmernd meiner verschwundenen Bank am See ab.

Und meine Tränen fallen, denn meine Tränen fallen schief.

Schniehiefend sage ich (denn beschniefen hält die Lebenswunde wie mit Kleber verbunden. Aber nur mit Muhusik):

"Und: 'Dover' ist wie 'Rover', nur mit 'D'. Bäh!"

Ich habe mich babybornisiert:

"Und ohne 'D' nur 'Over'", sage ich dann. Und sage noch:

"'Alles noch Rodscha in Kambodscha?!
Aber 'Roger' ist ein 'Oger'. Und der wartet nicht in 'Dover'.

Der watet in Schampanja.
In Mañana.

Und 'Lover' reimt sich noch auf 'Over'.
Wenn die 'Mother' Lack hat, ist sie Fakt.

Die Toffi-Fee. Die Toffi zaubert Schnee.
Und der 'Roger', der 'Roger' wartet nackt im See.

Schal-lala, Sham-bala!

Zitter-zatter.
'Roger' klappert.

Aber lange klackert er nicht. Mach' Dich auf.
Er wartet nicht auf Dich.

Und Anja trinkt schon Konjack.
In Hai-Heels.

Denn er muß noch untergehen.
Dann kannst Du ihn von unten sehen.

Und Pipi aus seinen Augenseen.
Anja flitzt auf Wheels.

Und mit Füßen an den Pilzen kannst Du oben stehen. Tack, tack, tack."


Dann bähe ich und strecke konstruktiv die Zunge heraus: Bääähhh! Und wische mir konstruktiv die Tränen aus den Augen. Musik baut auf..., denke ich,

...dem Prinzipat des Sich-Verbündens. Babybornisiert unter Baby-Born-Puppen.

Ich verbünde mich natürlich mit Baby-Born. Und proklamiere: Keiner wahrt die Musik-Rechte von Baby-Born!

Konstruktiv mit Zunge verbünde ich mich auch noch solidarisch mit meinen Augen. Die verbünden sich - 2 Liter Solidarität. Mit Zunge wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht.

"Definitiv bin ich erwachsen.", denke ich dann rebellisch erwachsen wie Menschen mit Abiturhintergrund beim Selbstfindungstrip in Kamschatka, während ich es nur nach Südfrankreich schaffte - aber trampend! - und klammer' mich an "Rebel Yell" fest.

Definitiv singen Mädchen dann, denn sie kennen keine Opfer:

"Verflucht seist Du! Und alle Deine Kinder. Und seien alle Inder, Deine Kinder, seist Du!
Verflucht ist so 'ne ganze Milliarde. Du. Und alle Deine Kindes-Inder. Herznarbe."

"Herznarbe? Wieso 'Herznarbe' denn?"

Sage ich dann.

Dann klinke ich mich aus und verstehe Youtube nicht mehr.

Warum hat man Youtube nicht einfach für Zoo-Besuche erfunden?, frage ich mich ernsthaft und suche erfolglos nach Zoo-Videos.


Doch Youtube singt noch weiter:

"Mädchen können nicht reimen. Alle kommen aus Heimen.", sagt Youtube mir und nennt sich Vevo.

"Wir kommen in Herden. Nicht aus Heimen, wir kommen aus Verden. An der Aller!", singen wir und wir alle sind mit Vevo hier.

Ein zweiter Vevo antwortet:

"Triller-Traller! - Youtube ist da sehr einfallsreich - Zum Werden aller kommt man nicht auf Pferden:
Gerda kommt zu Fuß. Die von iii-hr sind voller Ruß.
Denn Gerda geht nicht durch den Fluss. Zu reiten ist kein 'Muss'.
Und Shambala ist nur Stuss."

Ich wippe wieder mit.

Doch - man ahnt es schon - der Böse kommt:

"Mädchen sollen sich mal Mühe geben. Dann könnten sie ohne Mühe leben.", aber-vevo-singt ein Prince.

Aber nicht Prince Gee of Cee. Und Flora tanzt.

"Hey.", aberprinct der Prinz in mir, "Prinzessinnen müssen sich das nicht leisten lassen! Sie leisten sich die eigenen Tassen!"

Doch zum Luck, Mädchen singen und klingen nach und klingen danach:

"Männer sind wie Kühe: Sie kommen in der Frühe. Und gehen als Kälber in der Nacht."

Dann - hell-yell endlich - singen sie wie Frauen in den Auen, denke ich phallisch anerkennend mit mitgegebener Blockflöte aus dem Musikunterricht aus Grundschulzeiten.

Mein indischer Nachbar, der immer einen warmen, weichen Händedruck hat, und der zweitnetteste im ganzen Haus ist, und netter ist nur mein Nachbar, der aus Kaliningrad stammt, weil er mir schon mal ein Halbes Hähnchen geschenkt hat, und ein halbes, warmes Hähnchen ist nun mal mehr als ein warmer Händedruck, ahnt nichts von meinem Drama. Meine verheulten Augen erkläre ich mit dem Regen. Die Tränennarben auf meinen Wangen mit dem Narben vom Grill auf dem Hähnchen. Mit 'Rebel Yell' im absoluten Gehör drücke ich seine warme Hand etwas fester. Etwas fester drückt er zurück.

Musik verbündet.

Er hört wohl heimlich auch Musik. Wir beichten - schnief - es uns nur heimlich.






*






Sonntag, 29. Oktober 2017

"Kapier's endlich: Du inspirierst mich nicht."


Sage ich zu mir. Und das ist ja das Tolle daran:

Daß man sich das alles selbst sagen kann. Und noch viel mehr.


Da ich heute als einziger Mensch eine ganze Stunde geschenkt bekam, denn ein Geschenk bekommt man ja als einziger, las ich hier mal eine Stunde lang meine Geschichten.

Und da ich nicht toll bin und auch kein guter Mensch, aber lesen kann, was mitunter schon mehr Reflexion ist, als bei Menschen, die lesen können  u n d  toll sind und daher gute Menschen sind, die jeder braucht, um selber toll zu sein, deshalb man ja tolle Menschen braucht - ich eingeschlossen -, las ich mal meine Geschichten, so als ob sie jemand anderes liest, und dachte mir, wenn ich schon mal dabei bin, was sich solche Leute wohl dabei denken, die das hier so lesen, wenn sie das hier so lesen, was sie sich wohl dabei denken, wenn ich das denn lese eine Stunde lang. Und - hey - bei einer geschenkten Stunde sage ich nicht nein.

Aber jeder denkt für sich allein, was andere wohl denken, denke ich.
Und daher denke ich mich mal selbst hinein in das, was ich hier so schreibe.

Und da ich nicht lange denken kann - nur lange Gedanken schreiben kann -, schreibe ich mir einen Satz auf, einen einzelnen, bevor ich ihn wieder vergesse.

Ich schreibe ihn als Kommentar auf mich selbst, was ich hier denn so zu lesen bekomme.
Dafür stelle ich mir - Phorsicht Phantasie! - einen Leser vor:

Da ich nicht gebildet bin, eine Leserin.

Ungebildete Menschen wie ich stellen sich immer eine Leserin vor.  Die sind nobel. Die lesen noch was. Das mag daran liegen, daß mehr Frauen lesen als Männer und daher gebildeter sind.

Ja, es geht schon wieder um Bilder, denke ich schon wieder. Aber deshalb heißt es wohl gebildet.

Mein Lebensmotto lautet:

"Stelle Dich gleich mit dem zweiten Eindruck vor, dann kann der erste nicht enttäuschen."

Das stelle ich gleich hier als Bildunterschrift ein.

Daran sieht man, daß ich ungebildet bin: Hier ist ja gar kein Bild für eine Bildunterschrift eingebildet.

Aber die Phantasie wird schon eins einbilden, denke ich, und damit ist's mir schon gedient.


"Darf man nicht mal mehr in Ruhe einen Lebenszusammenbruch gehabt haben in diesem Lande?!",

frage ich mich, als ich mich erinnere, ja einen einzelnen Satz einfügen zu wollen, als Gegenkommentar zu dem einzelnen Satz einer Leserin, als die ich mich vorstelle, die irgendwas denken könnte, weil sie ja gebildet ist, wenn ich sie mir mich als mich vorstelle, wenn ich meine Geschichten, die ich mir alle ausgedacht habe, so mal durchlese.

Das finde ich schon sehr kompliziert. Denke ich.

"Füge doch einfach ein Bild ein.", kommentiere ich als Leserin. Als wäre ich eine gebildete Leserin.

"Tz, Snobine!", antworte ich ungebildet, aber ungehalten.

"Ein Satz sagt wohl mehr als zwei Sätze.", schnaufe ich wegen des Kommentars.

"Das kann ich nicht. Alle Bildunterschriften sind schon vergeben. Nochmal tz."

Schnaufen, habe ich gelernt, ist heutzutage eine tolle Eigenschaft. Also schnaufe ich nochmal:

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                                                                                                                                                      |

Da war es wieder: Wieder stelle ich mich mit dem zweiten Eindruck vor, stelle ich zufrieden fest.
Und es gibt ja noch den Eindruck, wenn man nicht ganz dicht in der Birne ist, denke ich.
Leider geht so eine Zeit schnell vorbei, denke ich zufrieden. Und dann ist man wieder normal.
Und man hat nur sich wieder als Leser und ein paar Erschrockene, die man auch nur haben will als Leser.

Die suchen sich das selber aus und werden dazu nicht genötigt, denke ich und schnaufe noch nicht einmal.

"Endlich mal einer, der einem nichts aufzwängt.", lobe ich mich, während ich meine eigenen Dinge aufzwänge.

"Und der erste Eindruck kann nicht enttäuschen,", denke ich zufriedenstellend, "wenn man sich gleich mit dem zweiten vorstellt. Phantastisch."

Aber gegenkommentiere meinen Kommentar indem ich phantastisch schreibe:

"Ich werd' jetzt weiter mein Atmen verbessern. So. Das ist sehr anspruchsvoll und erfordert volle! Konzentration. So, nochmal. Das kann von mir aus mein Leben lang so weiter gehen.
...öps. Wieder veratmet. Deine Schuld. Jetzt muß ich mit dem Atmen  wieder  g a n z  von vorne anfangen! Weißt Du, was das bedeutet, wieder ganz von vorne mit dem Atmen anzufangen!
Jetzt muß ich erst wieder lernen, wie man den Mund zum Atmen öffnet.
Und wie war das jetzt schon wieder mit der Nase?!
Kommt die vor dem Mundatmen, oder danach?!"

Dann denke ich mich in meine innere, gebildete Leserin hinein:

"Ich weiß, daß Du schon Tragisches hinter Dir hast. Es hilft keinem, sich gegenseitig schlecht zu machen. Hinter Humor verstecken. So daß man nicht merkt, daß man ein tiefgründiger, also widersprüchlicher Mensch ist. Ekelig peinlich. Tiefgründig, bäh. Das sind doch die Doowen. Widersprüchlich, igitt. Lieber für alle Zeit unterschätzt werden. Weil man eh nur abschätzig gesehen wird. Egal, wie man sich gibt. Dann lieber perfekt. Und zack, Beweisphoto dazu."

Menschen schätzen Menschen nur für Dinge, die ihnen selber nutzen, denke ich selbst dabei.
Wobei man die meiste Zeit auch nur oberphlächlich ist.

"Bin ich auch nur.", denke ich.

"Für den Rest habe ich meine Phantasie. Da darf ich toll sein. Auch wenn ich es in Wirklichkeit nicht bin. Dafür hat man ja schließlich Phantasie: Um toll zu sein, obwohl man es in Wirklichkeit nicht ist."

Da war sie wieder: Die Phantasie.

Phantasie: Der enttäuschte erste Eindruck, der den zweiten Eindruck nicht enttäuschen kann.

"Wer 'Phantasie' mit 'F' schreibt, schreibt 'Ficken' auch mit 'F' und es fehlt die Phantasie dabei. Hihi, ich habe ''Phicken' gesagt.", antworte ich als Leserin.

"Außerdem bin ich zu alt, um mein Leben Revue passieren zu lassen.", schnaube ich aber noch zurück, weil ich das durch die heutigen Zeiten so gelernt habe, daß man das heute so macht:

Schnauben.

"Das wäre eine langatmige Vorstellung. Lieber schaue ich Leuten zu, die mit ihrer Nummernrevue gerade erst begonnen haben. Vielleicht werfen sie bei ihrem Tralala ja Konfetti. Ich meine. K o n f e t t i ! Echtes, buntes Konfetti! Ich dreh' durch vor Aufregung."

Meiner ein-gebildeten Leserin, die ich mir vorstelle (Ich nenne es Reflexion. Das klingt immer gut.), gebe ich noch mit auf den Weg:

"Du wirst hier nichts finden, was einen Nutzen für Dich haben wird.
Suche weiter, kleine Indianer-Squaw.
Kräuter und Wigwam findest Du drüben am Lebhafter-Bär-Pass. Dies hier ist der Toter-Kojoten-Pass.
Aber nicht die Daisys am Pfad pflücken! Die brauche ich selber noch für meine Wamwam-Gardinen:
Um sie dort hinein zu nähen. Sieht so gleich viel hübscher aus. Vielleicht setzen sich ja Bienen drauf.
Wenn ich denn Gardinen hätte. Zumindest die ausgestorbenen. Die setzten sich drauf.
Suche weiter, kleine Squaw. Suche weiter."

Ich und ich als Leserin sind zufrieden: Niemand sucht weiter. Nicht ohne Phantasie nicht. Niemand, der hier sowas liest, soll sich ohne Bilder einbilden, hier spränge etwas für ihn heraus. Außer Zeitverschwendung oder etwas Zeit vertrödeln, wenn man denn wie heute eine Stunde mehr auf dem Lebenskonto hat.
Auch wenn sie gleich Skonto gegengebucht wird diese Stunde mit atomaren Gegenuhren. Einen 25-Stunden-Tag habe ich jedenfalls noch nicht erlebt. Auch nicht, als ich mal Matsch in der Birne hatte. Was schon sehr surreal war. Matsch wo sonst nur Murmeln sind. Aber wie jedes Surreale nicht wiederholenswert, denke ich. Nur das Reale wiederholt sich ständig lohnenswert. Für den Unlohn gibt es ja das Irreale.

"Immerhin haben wir eines gemein. Du, Gardinen und ich: Ich bin anziehend und abstoßend zugleich, sagen wir allen gleich beim ersten Anblick. Nur auf den zweiten Blick folgt der erste. Und der erste reicht mir schon. Und: Wenn erst die Gardine anfängt, zu sprechen, wird's surreal. Surreal vorrewa!", jippie ich mit V-Fingern hinterher, so als wäre ich ein Asia-Girl auf Rheinfahrt, aber komme in Köln an.

Dann bleiben noch 30 geschenkte Minuten über von den 60 Minuten, die das Leben in einer leeren Schachtel geschenkt hat - mit sehr viel Aufwand, muß ich anerkennen; als wäre das Leben mit sehr viel Aufwand verbunden und wie ein Geschenk in einer leeren Schachtel übergeben - und mache gleich das, was man jetzt so macht, wenn man mit dem geschenkten Leben, als wäre es eine geschenkte Stunde - dann kommt die nächste Klau-Stunde - weiter macht:

Ich schnaube.

Ich gebe mich also gesellschaftskritisch.

Das kommt immer gut..., denke ich,

...darauf an, in welcher Gesellschaft man verkehrt.

Ich bin in meiner, und das allein reicht mir als Rechtfertigung aus, die Gesellschaften anderer zu inspizieren. 'Inspizieren' ist ein gebildetes Wort. Denke ich. Ich habe es irgendwo mal gelesen.
Deshalb habe ich es wohl geschrieben, damit man denkt, wenn man es liest, ich sei gebildet. Weil das gut kommt..., denke ich, ...kann ich versichern, daß ich es nicht bin.

"Hach, ich mag so einen geschnörkelten Scheiß.", juchze ich auf, als ich das lese. "Schreiben. Und schnörkeln. Und abschweifen. Das finde ich geil."

Andere machen es mit Bettdecken oder Beeten. Und was andere machen ist immer geil. Das weiß ich. Weil es ja andere machen. Und alles, was andere machen wäre geil, wenn sie einen denn inspirierten, denke ich das Gesellschaftskritische:

Menschen inspirieren mich schon lange nicht mehr. Geht es mir auch so?, frage ich mich als kritischen Leser.

Ja, es gibt Bilder. Aber Inspiration?
Gibt es überhaupt noch Inspiration?
Oder schaut nur jeder seine Bilder an?

Ich erinnere mich.
Ich weiß, das ist heutzutage nicht mehr so gefragt: Das Erinnern.
Erinnern - junge Menschen schauen im Duden nach - gilt als unschicklich ungebildet. Nur das Instante ist das Konstante.
Hörte ich von Menschen, denen man es nicht zum Vorwurf machen kann, daß sie sich nicht erinnern, weil sie gar nicht so viel Zeit zum Erinnern zur Verfügung haben.

Warum inspirieren junge Menschen nicht?

Ja, sie machen ihre Bilder. Aber inspirieren tun sie nicht.

'Interview mit Greta Garbo' habe ich 2004 oder 2005 geschrieben. Das ist ein Ausschnitt aus irgendwas. Wenn Du mir damals begegnet bist, hast Du mich sicherlich inspiriert.
Wann nicht: Menschen wollen Inspiration sein, dienen aber nicht mehr als Inspirationquelle. Vielleicht wollen sie einfach nur Photos zeigen. Weil sie eh wissen, daß diese nur für 60-Sekunden-Betrachten gemacht sind. Und nicht für die Ewigkeit. Vielleicht halten sie sich aber heimlich doch für die Ewigkeit. Zweidimensional. Und lieben zweidimensionale Komplimente. Wo ist all die Phantasie geblieben? Wann haben sie aufgegeben, zu inspirieren?

Doch dann greife ich lieber auf Bilder zurück, die ich mit den eigenen Augen geknipst habe. Die sind mehrdimensional und haben manchmal sogar Gerüche. So brauche ich auch nicht zu recherchieren, was ich nicht tue, und erzähle nur aus meiner Phantasie oder Erinnerung heraus. Was dasselbe ist.

Phantasie macht toll, auch wenn man nicht toll ist.
Ich bin bestimmt nicht toll. Objektiv schon mal nicht.

Das ist ja das Tolle an Phantasie: Man muß nicht toll sein, um Phantasie zu haben.
Ich muß mich nur daran erinnern, wie man orthografisch korrekt Phantasie schreibt. Dann bin ich, der nicht toll ist, toll. Toll, nicht? So trickse ich meine Beliebigkeit aus.

Aber Phantasie, ach!, will heute keiner mehr, denn Phantasie hat ja jeder!

"Phantastisch siehst Du wieder aus! Ich liebe Dich!"

Tolle Bilder.

Aber nicht für Dich, nicht für Dich, Dich lege ich zurück, für Dich nicht und Dich lege ich auch zurück. Ein großes Panini-Album: Der fehlt mir noch und die. Dann habe ich mein Album komplett.
Aber es gibt ja noch den. Was mache ich denn mit dem?! Ah, die kommt auch noch rein. Die quetsche ich zwischen den Bildern von 'Herrn Lustig' und 'Frau Schön'. Aber sie müssen farblich zusammen passen. Soll ja keiner über mein Panini-Album meckern. Ich am wenigsten. Soll doch andere beeindrucken. Wie toll und cool und abgeklärt ich bin. Man soll mich loben:

"Was für ein schönes Album Du da hast!" - "Das paßt mir gerade recht für mein eigenes Album. Sollen wir Bilder tauschen? Zwei Cool gegen drei Neidischmachende? Zwinker."

Wie gut, denke ich, daß ich nicht toll bin. Und schreibe:

"Du bist nicht toll! Jeder ist jetzt toll. Und wenn Du nicht toll bist, dann bist Du, bist Du... und dann überlegen sie auch nicht lange und schnaufen... auch kein guter Mensch! Du wirst schon wissen, wieso.", denken sie dann noch. "So." Und wissen nicht, wieso. Aber sie denken sowieso.

Wie gut, daß ich noch dazu kein guter Mensch bin, denke ich aufatmend. Dafür habe ich zuviel Erinnerung und zuviel Phantasie.

Das mit dem Tollsein ist wie Humor: Humor hat ja jetzt auch jeder. Aber wehe nicht.

Behaupte nie, ein Mensch hätte keinen Humor. Dann bist Du garantiert nicht toll. Für jemand anderen. Und das ist sehr wichtig. Immer etwas für andere sein:Das ist das Sein.
Das ist dann schlimmer als ein Mörder zu sein. Die werden zumindest resozialisiert. Humorlose Menschen nicht. Niemand resozialisiert humorlose Menschen. Da gibt es nur einen Ausweg. Man kann nur dreist behaupten, man hätte Humor: Dann ist man zwar Betrüger, aber immerhin kein Mörder.
Aber wehe, Du behauptest, ich hätte ihn nicht! Dann ermordest Du mein Tollsein!
Bei allem Humor, da hört 'der Spaß' auf.
"Dann werde ich zum Mörder Deiner Spezies! Nein. Auch die Kleinen!"

Dann wird man gleich humorlos. Fast so schlimm, wie jemanden vorzuwerfen, man hätte keine Phantasie. Aber auch nur fast so schlimm, denke ich.

Denn Phantasie hat ja schließlich jeder: Ich zeige Bilder! Die sind phantastisch.

Kein Wunder, denke ich, daß nur noch Bilder gezeigt werden, die man geschenkte 60 Sekunden betrachtet. Die Phantasie beschränkt sich auf beschränkte 60 Sekunden. Die Bildunterschrift: Das ist dann die Geschichte unter dem Bild. Ich meine, die ganze Geschichte unter dem Bild. Es gibt eine ganze Industrie, die Geschichten nur noch mit Bildunterschriften erzählt.

Ein Satz erzählt mehr als zwei Sätze. Diese These unterstütze ich nicht.

Ab dem dritten Satz wird aus einem 'Hallo' eine Geschichte:

Wie geht's weiter? Gibt's eine Pointe?
Kommt's zum Kuß, kommt's zur Tragödie? Ist der Kuß nicht schon die Tragodie? Der Kuß hat Herpes. Dann ist es eine Tragödie. Oder verschwende ich nur meine Zeit? Du hast 60 Sekunden, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Der erste Eindruck zählt. Tick, tick, tick.

Wie gut, daß ich mich stets mit dem zweiten Eindruck vorstelle. Für 60 Sekunden fehlt mir die Zeit, denke ich.

Kann es sein, daß man sich der Außenwelt verweigert, ambivalent zu sein? Zwiespältig zu sein.
Widersprüchlich zu sein. Höchstens mal anrüchig sein, hihi.

Und dann, spätestens nach 59 Sekunden drifte ich dann wie jeder Mensch ins schmähende Denken ab: Ich bin kein guter Mensch, sagte ich doch.

"Du kennst mich doch gar nicht!" ist der gebildete Satz, den ich von gebildeten Menschen immer lese. Sehr reflektartorisch. Jeder Mensch ist der Maßstab seines Gegenüber. Und jeder Mensch kennt sich nicht. Und man ist schon zufrieden, daß man sich selber kennt, wenn man sich in anderen wiederfindet.

Wie Klaviertöchter, die mit Ghetto-Rap kokettieren und sich dort in Ghetto-Pose wiederfinden. Irgendetwas müssen sie ja dort verloren haben. Wie aufregend, dieser Asozialen-Schick.
Und so tiefgründig. Und so karitativ. Für eine Klaviertochter sich für Menschen aus der anderen Gesellschaft einzusetzen. So befriedigend: "Ich verstehe euch!"

"Du verstehst nichts, wenn Du nicht die Erinnerung hast, daß 12 Stunden Ghettoblaster jeden Reim zerdonnert.",
denke ich nur dabei schmähend und genieße meine Ruhe.

Fast so phantasievoll, wie eine Klaviertochter nach Afrika jettet und sich lächelnd mit Schokobabies ablichten läßt. Ach, was bin ich für ein guter Mensch. Gleich mal zeigen!

Damit jeder in meinem Panini-Album sieht, was für ein guter Mensch ich bin, denke ich und bin kein guter Mensch dabei. Das ist dann die ganze Geschichte. Vermittelt mit Bildunterschrift:

"Meine Geschichte, die ich mit euch teile, ist, daß ich ein toller, guter Mensch bin.
Sammelt mich in eurem Panini-Album! Vielen Dank für Eure Inspiration! Love!"

Mein Nachbar Rolf, der mir immer Schokorollentorten vorbeibringt, was auf Dauer wirklich nervt,
war 8 Jahre in der Forensik.
Man kann sich denken, weshalb. Seine Bewährung läuft bald aus. Ich finde das auch nicht komisch.
Aber das sind echte Geschichten. Mein alter, lieber, immer gesöffbenebelter Deutschrussen-Nachbar hatte einen Herzinfarkt und ist vom Fahrrad gefallen. Bei seiner Wohnungsauflösung hat sich Kofi, mein lieber "Wie geht's, Kofi? Alles gut? - Alles scheise. Kannst Du mir 5 Euro leihen?"-Nachbar,
Johanns Knarre mit vollem Magazin genommen, sagt Rolf. Aber das muß ja nicht stimmen, was Rolf so erzählt. Er erzählt auch, daß Kofi auf seine neuen, weißen Turnschuhe neidisch ist. Was ich bezweifle.

Jeder hat so seine Geschichten. Sie finden statt. Aber sie finden nicht auf Photos statt. Oder sie finden nur als Aufregung über politische Petitessen statt. Bei denen man gar nicht hinterherkommt, wer sich denn jetzt eigentlich mehr über wen aufregt.

Aufregung ist keine Geschichte.

Aber zeigen gleich mit ihrer Aufregung, ihrem Panini-Album, wie toll sie sind.

Das Aussterben der Erinnerung schlägt sich nieder in Geschichten.

Es gibt im ganzen Deutschen vielleicht zwei Autorinnen, die man lesen kann.
Vielleicht grübeln sie, vielleicht nicht. Vielleicht nehmen sie auch nur ihre Gedanken vor dem Computerspiegel mit einem Diktiergerät auf.
Beiläufig. Und merken es gar nicht. Was soll's.

Ich bin nicht toll. Ganz objektiv nicht.
Ich muß auch nicht mehr für andere sein.
Ich bin Geschichte.

Wer das kapiert hat, muß auch nicht mehr für andere toll sein.

Für das Tolle habe ich meine Phantasie. Und meine Erinnerung. Und meine Geschichte. Die lese ich.
Die habe ich für mich ganz allein.

Und Rolf und Kofi. Die haben auch Geschichte.
Keine schöne. Aber schön sehen sie auch nicht aus.

Ich finde hier nichts, was mir von Nutzen ist, denke ich noch, während ich meine Geschichten zu Ende lese.






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