Promi
Big Brother gibt es zwar erst seit kurzem, es
lassen sich aber schon einige erwähnenswerte Muster erkennen:
Es gibt da die Kandidatin, der es wichtig ist, daß
alle ihre nichtssagenden Äußerungen für die Nachwelt aufgezeichnet werden. Sie
zählt ihre Sendungsminuten im Inneren heimlich zusammen, sagt, daß es ihr nicht
wichtig ist, auf Sendung zu sein, verachtet allerdings andere Kandidaten – und äußert dies auch –, die es nicht
sind oder nur unzureichend. Dieses Kandidatenverhalten ist einhergehend mit
sozialer und innerer Vereinsamung, Überlegenheitsgefühlen als Auflehnung
dagegen und unbefriedigendem
Sexualleben. Diese leiden häufig unter dem Jeanne
d’Arc-Syndrom: „Ich mache Männer zu
Königen, berührst Du mich aber, dann verbrenne ich innerlich. Brenne! Brenne!
Brenne!“ Dieser Kandidatentyp kann sich nur mittels Äußerungen mitteilen,
ihr eigenes Verhalten – ihr Tun –
weicht davon in erheblichen Maße ab. Langeweile ist ihre Motivation, Liebe um
der Gegenliebe willen. Sie läßt sich gerne in PS aufwiegen. In Form von
gekauften Autos, Uhren oder anderen leblosen Dingen. Prognose: Sie wird viel
Zeit im Keller verbringen. Es aber als die tiefste
Erfahrung ihres Lebens darstellen.
Die männliche
Variante dieses Kandidatenmusters schielt nicht auf die Aufmerksamkeit – die wird als gegeben vorausgesetzt –,
sondern auf einen möglichen Lohn. In diesem Fall sind es die € 100.000 – neben möglichen
Sexualpartnern zu finden. Innerlich ist diese Aufmerksamkeitsentlohnung schon
ausgegeben, Frauen haben für ihn weiter keine Bedeutung, gewinnen tun sie die
Show meistens nicht. Interessant wird es dabei zu beobachten sein, wie sie mit
dem Druck umgeben, immer und immer wieder als unterhaltsam zu erscheinen.
Es gibt da die selbstbezogene, oberflächliche
Kandidatin, deren Wankelmut sich in Launen äußert wie: „Wenn ich happy bin,
dann müssen alle anderen happy sein. Wenn ich traurig bin, dann müssen alle
anderen traurig sein. Wenn ich lache, müssen alle anderen lachen. Wenn ich
wütend bin, müssen alle anderen mir Verständnis entgegen bringen.“ Das ist
natürlich ein Borderline-Verhalten in
der für ein Sozialwesen anstrengenden Variante mit ADHS. Interessant wird zu
beobachten sein, wie sich das Sozialgefüge namens ‚Wir-sind-ihr-nun-mal-mit-Gedeih-und-Verderb-ausgeliefert‘ mit ihr
arrangiert. Ignorieren und Buddha-Beherrschung
böten sich hier an.
Es gibt da die selbstverleugnenden Kandidaten – männlich/weiblich –, die so
selbstaufgebend sind, daß sie eigene Eigenschaften zuhause gelassen haben und
sich nur dadurch auszeichnen, daß sie das wiederholen, was andere sagen.
Ansonsten regen sie sich nicht viel, wollen sich offensichtlich aber irgendwie
mitteilen. Ihre Motivation, Kandidat zu sein, provoziert eine weitergehende
Untersuchung.
Es gibt da den Kandidaten, der nur ein einziges Ziel
verfolgt: irgendetwas zu vermarkten. Er hält sich den anderen für überlegen,
ist es intellektuell auch, weiß aber auch, daß er die Show nicht gewinnen kann, zieht aus der Zeit und dieser Erkenntnis
den Nutzen und das Vergnügen, zu wissen –
zumindest zu glauben –, daß sein Plan dennoch aufgeht, und selbst wenn der
Plan nicht aufgeht, wird er behaupten, daß dies genau seine Strategie war.
Diesem Kandidatentypus könnte man eine Karriere als Politiker zutrauen. Er
würde allerdings über seine Affären stolpern. Und sympathisch – und gut für das – ist er dem
Sozialgefüge auch nicht.
Es gibt da die Kandidatin, die sich auf ihre
sexuellen Anreize reduziert. Reduziert,
nicht reduzieren läßt. Das ist diesem Kandidatentypus sehr wichtig. Sind aber
erst mal alle primären und sekundären Geschlechtsteile gezeigt, bleibt nicht
viel mehr zu betrachten. Diese Kandidatin kokettiert mit der Allverfügbarkeit
ihres Körpers, führt aber ein Sexleben wie ein Eremit. Wenn sie es schafft,
sich durch kecke Äußerungen Sendungszeit jenseits ihrer Nacktheit zu sichern,
winkt ein Platz im guten Mittelfeld. Ihre Motivation ist, Anschlußbuchungen
nach der Show zu ergattern, und sei es in der Dorfdisko nebenan, und ist
zufrieden, solange einschlägige Zeitungen darüber berichten. Was wiederum dazu
führt, daß sie für die Dorfdisko nebenan gebucht wird. Diesen Kandidatentypus
unterschätzt man allgemein in seiner Intellektualität.
Es gibt die emotionale Kandidatin, die alles in
Sonnenblumen und Lilien einordnet. Ihre innere Stimmungslosigkeit ist getrieben
durch ihre Appetitlosigkeit auf das Leben, hungernd füllt sie den Kühlschrank
ihrer Sehnsüchte, verbittet sich aber, den Inhalt zu verköstigen und so sie das
tut, frißt sie alles in sich rein, bis sie alles wieder auskotzen muß, da der
Gefühlsmagen soviel Nahrung auf einmal aufzunehmen nicht gewohnt ist. Diese
Kandidatin kann in ihrer Unberechenbarkeit –
die Unberechenbarkeit bezieht sich auf den Zeitpunkt ihres Gefühlsausbruch,
nicht darauf, daß er kommen wird – sehr unterhaltsam sein. Nicht vor dem
Ausbruch, nicht danach – beim Ausbruch. Danach ist sie wieder wie davor und
wieder wie danach. Emotional, still leidend, langweilig, bis zum nächsten
Ausbruch, der wieder sehr unterhaltsam ist. Man wünschte sich Emotions-Bewegungskameras,
die genau diesen Moment einfangen – und alle anderen Momente ausblenden.
Es gibt da die Kandidaten, die wollen einfach nur
ins Haus rein, rein, rein. Die sollte
man gleich wieder raus, raus, raus lassen. Ihre Anwesenheit, die sich durch Ereignislosigkeit
auszeichnet, ist nur geduldet, da sie den Cast
auffüllen und den anderen folgen. Das Folgen ist erwünscht. Mehr auch nicht.
Ihr Erscheinen bemerkt man nicht, ihr Gehen auch nicht. Sie sollen den Protagonisten-Kandidaten als Projektionsfläche
dienen, damit es nicht seltsam erscheint, alleine in die Kamera hinein Selbstgespräche
zu führen. Ansonsten gilt: Aus den Augen, aus dem Sinn. Die Protagonisten-Kandidaten, also der
Kandidatentypus, der meint, er würde die Show
tragen, schielt schon nach dem nächsten Folger, bemerkt aber nicht, daß die
Regie und damit der Zuschauer schon längst einem anderen Kandidaten in seinem
Betrachtungssein folgt und die erreichten Zuschauerzahlen nur pro forma weiterbestehen als
Karteileichenzuschauer, da diese schon längst auf dem Klo verschwunden sind
oder in der Küche, um sich Snacks zu holen, und dann erst auf dem Sofa Platz
nehmen, wenn die wirklich wichtigen Kandidaten wieder auf dem Bildschirm
erscheinen. Dieser Protagonisten-Kandidatentypus
wird sich die hohen Einschaltquoten auf seine Kappe schreiben und überrascht
sein, daß ein anderer die Show
gewinnt, die Aufmerksamkeit erhält und Äußerungen – und seien sie noch so banal – dieses Kandidaten/Kandidatin an
Gewicht in den einschlägigen Medien gewinnen.
Was mich noch zu dem letzten Kandidatentypus führt:
Und es gibt da noch den traurigen Narr. Dieser
Kandidat, der sich durch ungehemmtes Verhalten auszeichnet, das sich dadurch
äußert, daß er erkannt hat, daß es eh keinen Sinn mehr macht, etwas vorzugeben
zu sein, was man nicht ist oder andere glauben machen will, wer man sein soll, wird
die Show gewinnen. Seine einzige Aufgabe
wird es sein, die € 100.000 zu erhalten, aber letztendlich nicht mit einer schweren
Hypothek das Haus zu verlassen, die er nicht mehr abbezahlen kann, und die man
ihm noch in Jahren hinterherträgt.
In diesem Fall tippe ich mal auf Hubert Kah.
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