Nun,
wer auf die Idee kam, die Inquisition peinlich zu befragen, ließ sich im
Nachhinein nicht mehr beantworten. Hier folgt nun ein kleiner Auszug.
Die Inquisition war vertreten durch einen leicht
nach vorne gebeugten Mann, der sein Leben lang nach vorne gebeugt ging.
Vielleicht um Demut vorzugeben bei seinen Gängen. Oder – und das war wahrscheinlicher –, weil sein Aktenkoffer mit all den
Unterlagen ihn aus dem Gleichgewichte zu rutschen drohte bei jedem Schritt. Der
erste an diesem Tage, der diesen Mann grüßte, sagte „Guten Tag“ und bekam eine Antwort als Frage, die der Inquisitor – oder heißt es Inquestor? – zu fragen
beliebte: „Darüber entscheidet der liebe
Gott.“
Nur Punkt. Kein Ausrufungszeichen. Kein
Fragezeichen. Nur gesäuselt. Der Inquisitor war es gewohnt zu säuseln. Seine
Fragen zu säuseln. Seine Antworten schwieg er. Er antwortete selten in seinem
vorgebeugten Leben. Aber vielleicht antwortete er nur anders. Seiner
Aktentasche vielleicht. Der sicherlich. Sicherlich hatte er sie nicht selbst
ausgewählt. Art und Zweck, der sie zu entsprechen hatte sicherlich schon. Aber
sicherlich nicht selbst aus der Starre eines Aktenkofferlebens eines Aktenkofferladens
in die geschmeidigen Hände eines Inquisitors gezahlt und gelegt. Dafür gab es
Fragen. Fragen, die der Inquisitor anderen stellte. „Passen die Unterlagen hinein? Erfüllt die Pein ihren Zweck? Ist von
einem Ende der Befragung durch den lieben Gott auszugehen? Woran erkennt man
den lieben Gott in seiner Güte beim Eingreifen in die peinliche Befragung und
mit welcher Fußnote ist solches zu versehen?“ Lakaien besorgten die
Aktentasche.
Der zweite Mensch, dem der Inquisitor heute
begegnete, war eine Frau, die mit vollen Einkaufstaschen ihren Autoschlüssel
aus der umgeworfenen, übergroßen Handtasche, die jetzt modern waren,
jonglierte. Einkaufstaschen, Inhalt und Flüche rutschten vom Unterarm, Tomaten
rollten auf den Inquisitor zu: Eins,
zwei, drei, vier. Eine Fünfte blieb unschlüssig.
„Scheiße!“ Stauchte die Frau die Einkaufstüten
zusammen. Die sich so auch zusammenfalteten. „Muß das gerade jetzt passieren?!“
Während sie die Dinge aufsammelte und in die Tüten stopfte, tippte sie aus
Versehen ihren Autoschlüssel an – ein eitles Möök-Möök und das Aufblinken der Blinker eines Autos in der Nähe
waren zu vernehmen und zu beobachten. Der Inquisitor half der Frau bei den
Tüten nicht, bei ihrer Frage beim Vorübergehen allerdings schon, indem er seine
Antwort als Frage stellte, die der Inquisitor – oder heißt es Inquestor? – zu fragen beliebte: „Darüber entscheidet der liebe Gott.“
Nur Punkt. Kein Ausrufungszeichen. Kein
Fragezeichen. Nur gesäuselt. Der Inquisitor war es gewohnt zu säuseln. Seine
Fragen zu säuseln. Seine Antworten schwieg er. Er nahm den Schwung seiner
Aktentasche auf, die weiterschwang, als er kurz innehalten mußte wegen dem
Zwischenfall mit der Frau, stand weiter vorgebeugt in Haltung auch so und ging
weiter.
Durch die Gassen einer Stadt kam er einem Ziel
näher. Er fand einen Hauseingang. Eine zweiflügelige Kassettentür, ein
Klingelschild. Messing. Schöne Schrift. Auf dem Namensschild stand:
Der
Liebe Gott
Der Inquisitor befahl seine Aktentasche aus dem
Handgelenk in die Achselhöhle seines anderen Armes. Er öffnete die Lasche, den
Zungendeckel, kramte. Er feuchtete die Finger an und fischte eine Akte heraus,
daraus wiederum ein, zwei Blätter. Er verglich Anschrift und Namen. Der
Inquisitor überprüfte beides, er gab seinem vorgebeugten Nacken einen Ruck ins
unmerklich Gerade, dann klingelte er.
„Der
liebe Gott.“
Nur Punkt. Kein Ausrufungszeichen. Kein
Fragezeichen. Nur gesäuselt.
Nach einer Weile antwortete die Gegensprechanlage.
„Herein.“
Nur Punkt. Kein Ausrufungszeichen. Kein
Fragezeichen. Nur gesäuselt.
Der
Liebe Gott war es gewohnt, nur zu säuseln.
*