"Hallo" ist das Pfandleihhaus des "Aufwiedersehn"...



Miniaturen des Absurden

Betrete mit der Miene der Abfälligkeit und erhalte Einlaß

Vom Jardin du Luxembourg zum Panthéon brauchte es schon mehr als platonisches Innehalten, um sich Gehör für Gesehenes zu verschaffen. Da...

Mittwoch, 1. Juli 2015

Phanes


Kühle. Wärmende Kühle. Wiederkehrend. Berührend. Nur durch die Nähe verspürend, nicht begehrend. Atmen. Wiederkehrend. Durch den Hauch. Beneidetes Berühren. Wegen der Nähe. Wahrscheinlich. Wahrscheinlich das einzige Fühlen, das ohne Fühlen vor sich ging. Kühle. Wärmende Kühle. Gedankenblasend. Und unangenehm. Angenehm. Und unangenehm. Und angenehm. Sowohl dem Hauchspender, als dem Angehachten. Ins Gesicht gespritzte Küsse bedankten sich für die Nähe. Und das Zehren. Das Kitzeln aufgestellter Strähnen. Haare, die sich im Hauch hoben, im Warten auf den nächsten störten, wo sie sich niederlegten. Kühle. Wärmende Kühle. In der verdammten Hitze.


Der Garten ist der Hort. Der Ort, unbefangen von den Taten, wo es sich bequemlich machte. Das Erwarten, das Hoffen. Das Atmen. Das Ausatmen. Und nichts trieb diesen Wind mehr von der Seite, als das absichtslose Warten. Das Atmen, Ausatmen. Das Hoffen, das Erwarten. Wenn der Wind von der Seite trieb, war der Blick auf das Geschehen klar. Wenn er die Strähne von der Schläfe blies, im Schlafe, und diese dazu streichelte. Und zeigte und pochte, daß es darin noch lebte: Das Erwartete.

Das Pochen. Das Leben. Das andere.

Und dann stieg der Wind auf in absichtsloser Schwere, in diesem Sinne, sich zu tragen, aus dem Pochen ins nächste Leben zu wagen. Nach der Strähne zögerten Finger, strichen sie glatt. Absichtsloses Aufwachen. Verlangten nach der Reife. Nach der anderen, der Schwere: Jedem Warten war das Bangen inne. Auf das nächste absichtslose Aufwachen. Das Atmen, Ausatmen.

Das Leben, das Erwachen. Das Pochen.

Der Garten – ist der Hort. Der Ort des Wartens. Des Wachens. Auch der Ort der anderen Taten…


„Ich bin Phanes. Ich bin der Wind, der von der Seite treibt:

Ich bereite Wohlempfinden. Oder störe. Verschwinde. Wenn es behagt. War nie da. Bin die Art, deren Anwesenheit man nicht bemerkt… wenn man nur das Wesentliche betrachtet. Und bin weg. Einfach so. Hauch, Luft nur. Dessen Verschwinden man nicht bemerkt. Und bin weg. Einfach so. Ich bereite Wohlempfinden, Empfinden… oder störe.

War nie da. Und bin weg. Einfach so… 

Ich bin Phanes. Der Wind, der von der Seite treibt. Ich überblicke grünes Land, Hügel, ein Meer. In der Ferne schlagen Wellen gegen einen blauen Himmel. Ich bereite Wohlempfinden oder störe…


Und bin weg. Oder bleibe… Einfach so.“









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(aus: Der Liebhaber der Sonne – ein Märchen)







Montag, 22. Juni 2015

Wie kommen Lachse eigentlich den Niagara-Fall hinauf?


„Als Linkshänderin machst Du das ja mit rechts. Ein Klacks.“


Zwanzig Klackse später klackste immer noch nichts. Wackelte nichts. Ratterte nichts. Schnackelte nichts. Flusensieb raus, Flusensieb entflusen, Flusensieb rein. Bullauge auf, Kopf reinstecken, Augenblicken. „Aua!“ War es immerhin eine Idee, den Kopf in die Waschmaschine zu stecken. 

Verhakten sich jetzt aber die langen Haare mit den Löchern in der Edelstahl-Trommel. Anna hockte auf nackten Knien, Karohemd vom Boyfriend,  Socken mit Stewie-und-Brian-Print. Der Boyfriend kam erst in Stunden wieder.

„Argh!“

Anna zupfelte an den Strähnen.

Zipfelte, knippelte, schniddelte. Lösten sich die Haare nicht. Versuchte es jetzt mit Gefühl. Nichts. Dann Zerren.

„Au-ah!“

Drehte sich die Trommel nur dabei. Wollten sich einfach nicht lösen. Stützte das Kinn auf die Hände ab. Die Finger angewinkelt. Sah mal ins Innere.

„Toll. Jetzt habe ich mal ‘ne Waschtrommel von innen gesehen.“

Sah mal nach rechts, sah mal nach links. Sah mal nach oben. „Gaaanz toll.“ Sah mal nach unten. „Oh.“ Da hinten. „Eine Münze.“

Sie steckte die Hand hinein und fingerte danach. „Deshalb immer das blöde Klackern.“ Bekam sie nicht gleich zu fassen. Aber jetzt Ehrgeiz. Zunge zwischen den Lippen. Fitzelstöhnen. „Komm‘ her…“ Dann. „…hab‘ ich Dich, ha!“ Wollte schon den Kopf aus der Waschmaschine ziehen, aber.

„Au!“

Wollten ihre Haare nicht mitziehen. Aber wenigsten die Münze. „Ah, nur’n oller Groschen.“ Wohl vom Vorbesitzer. Hatte die Waschmaschine schon ein paar Jahre auf dem Buckel. „Ach, was soll’s.“ Sie drehte jetzt den Kopf, ganz vorsichtig, und konnte sich tatsächlich umdrehen. Saß jetzt auf dem Hintern, der Kopf im Nacken und sah so gut es ging an die Decke. Was man an einer Decke eben so sah.

„Gaaanz toll.“

Zog das Hemd unter die Backen, hüllte sich ein. War kalt auf dem Boden. So mit nichts an und nichts dran. War schon eine halbe Stunde so vergangen, dann eine Stunde. Dann nach einer Stunde und einer halben fiel ihr der Wäschekorb auf, der brav neben ihr auf dem Boden wartete. Sie zog ihn mit der Linken heran. Wühlte. Wäsche der halben Woche. Und der Meßbecher für das Waschpulver. Sie überlegte, hielt ihn in die Höhe, vors Licht. Er leuchtete.

Sie drehte sich um. „Aua!“ Und versuchte mit dem Becher die Haare aus der Trommel zu lösen. Die Spitzen zu schneiden. Immer schneller. Schneller. Noch schneller. „Scheiße!“ Entnervt schleuderte sie den Meßbecher durch die Küche. Er traf eine Flasche auf dem Tisch. Die Flasche wackelte, ratterte, schnackelte. Fiel dann herunter. Natürlich war der Deckel nicht drauf. Klebriger Saft gluckerte sich aus dem Hals und floß über den Boden. Immer näher zu Anna hin. Erreichte die Füße, sie zog sie zurück, angehockt, suchte sich ein Eckchen, waren die Haare dagegen und saß nun in einer Plörrepfütze.

„Na, toll.“

Zweieinhalb Stunden verharrte sie schon so in ihrer Lage. Five-to-go. Sie erinnerte sich, daß sie ja noch den Groschen in der Hand hielt. Sie warf ihn hoch, fing ihn. Warf ihn hoch, fing ihn. War ganz geschickt. Sie lächelte. Und noch mal. Und noch mal. Sie machte eine Kunst daraus. Mal so werfen, mal anders. „Hey!“ Und schneller. Und schneller. Immer schneller. „Hey, hey!“ Fing ihn dann mit einem Platsch. Ballte die Faust drum. Öffnete die Hand, die Münze hatte einen Abdruck hinterlassen. Hielt sie sie jetzt hoch, ins Licht. Die Jahreszahl. „Oh. Mein Geburtsjahr. Mein Glückstag.“ Sie lächelte breit. Und wirklich, sie freute sich ehrlich.

Nach vier Stunden bekam Anna Durst. „Nei-hein, keine Angst. Dich schleck‘ ich nicht!“, sagte sie zur Pfütze der Saftplörre. Und zeigte der Plörre die Zunge.

„Scheih-ßäh!“

Sie hob den Arm, die Hand schlackerte an der Waschmaschine. Ditschte. Schlug dann dagegen. Bekam den oberen Rand der Maschine zu fassen und hielt inne. Sie zog ihren Kopf soweit es ging aus der Trommel. Sah den Rand von hier unten. Machte sich jetzt lang. Die Hand verschwand hinterm Rand. War da nichts. „Muß doch.“ Griff nach etwas. Weichspüler. Er fiel herunter. Als nächstes ein Lappen. Ein Handtuch. „Na warte.“ Wäscheklammern. Alles fiel herunter. Und.

Die Haustür öffnete sich mit der Belanglosigkeit gesegnet, wie sie sich nur öffnen kann, wenn man endlich Zuhause ist und die Tür nur zwischen den Belangen steht, lästig, geschlossen, offen, dann wieder geschlossen, von innen. „An-nah!“ Der Schlüssel fand seinen Platz am Haken. Noch einen Blick in den Spiegel.„An-naah!“ Durch den Flur, Blick hinein ins Wohnzimmer. „Anna?“ Klopfen am Klo, keine Antwort, Tür auf. Keine Anna. Jacke aus. „Bin früher da!“ Tür zum Schlafzimmer, Tür auf, Klamotten vom Verabschiedensmorgenknutschen noch auf dem Boden. Keine Anna. Schuhe aus. Umdrehen.

Stand Anna in der Küchentür. Stewie-und-Brian-Socken, nackte Beine, Karohemd, das tropfte. Der Kopf versteckte sich. Wieder. Ein Arm erhoben, zwischen den Fingern der Groschen, zittrig.

„Stell. Keine. Fragen.“

„Gut… siehst Du aus.“

„Stell' K e i n e  F r a g e n !”



Wie Anna sich befreien konnte?

Na, wie kommen wohl Lachse den Niagara-Fall hinauf?












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