Früher
sagte man Indio-Stämmen nach, wenn sie zum ersten Mal auf weiße Besucher aus
der Zivilisation trafen und die sie photografierten, daß sie sich davor
fürchteten, daß ihre Seele in den Photoapparat gezogen wird.
Diese Kamera war anders. Sie zog gleich den ganzen
Menschen hinein.
Mit nachlässiger Begrüßung lud der Japurá ins wackelige Kanu ein, drei
Fremde, Gepäck für vier Wochen, Kameras und Stative. Schwüle, Porzellanzähne. Der
Motor startete, die Schraube setzte auf dem Wasser auf wie ein Libellenschwanz.
Das Dröhnen begleitete die weitere Fahrt. Acht Stunden rechnete man ein. Die
Gespräche beschränkten sich aufs Nötigste.
Dichter Pflanzenvorhang. Das Kanu lag zwei Stunden
hinter ihnen. Schob man einen Vorhang zur Seite, stand man vor dem nächsten. Mosquitos surrten und saugten,
Schweißflecken von den Achseln bis zu den Hüften. Die Träger trugen, die
Fremden sich ferner. Diese Nacht verbrachten sie unter keinen Sternen.
Hockten am Tage. Warteten auf Regung. Zogen dann
weiter. Nasse Stiefel, Füße wund. Kein Reden. Nur die trügliche Stimme des
Regenwaldes, der zu eigenen Dingen keine Stellung bezog, nur für andere bedächtig log.
Tranken im Gehen Wasser, das schwefelig roch. Wischten die Stirn mit noch
nasseren Halstüchern. Trieb sie die Vorstellung weiter, wie sie sich
vorstellten. Mit der Kamera, dem Stativ. Das Motiv. Das nur.
Erste Spuren. Behauenes Gehölz. Leichte Pfade, die
sich nicht mehr von den Armen der Bäume umarmen lassen wollten. Dann stahl
Licht sich ins Auge der Fremden. Ein Platz, darauf zwei lange Häuser aus
Resten, die der Wald achtlos weggeworfen hatte oder die man ihm wie ein Räuber
abtrotzte. Erste Kinder, nackt, mit den Fingern im Mund, Hunde, Hühner, Mandiocamehl.
Traten die Jüngeren heran. Mit Penisschutz und gegerbtem
Leben. Frauen wechselten Säuglingen die Brust, die Älteren kamen verlegen
entgegen, denen, die sie aus ihrer Gewohnheit entnahmen. Traten die Fremden
ungebeten ins Leben. Erste Annäherungen. Geschenke, die keinen Sinn ergaben,
für eine Zivilisation an eine andere. Die Kamera wurde aufgebaut, Stativ. Kaum
Verstehen.
Fand sich der Stamm in einer Reihe wieder. Die
Kleineren vorne, die Älteren in der Mitte, die Jüngeren hinten, Kinder, Frauen,
Männer, Hütten. Hatten die Fremden geschickt mit Freundlichkeit Regie geführt,
sie dorthin gestellt, jenes drapiert, ein unscheinbares Schieben, standen sie
nun vor dem Kameraobjektiv.
Nur einmal auslösen. Nur ein einziges Mal. Nur
einmal wurde der Auslöser gedrückt. Und war der Stamm auf einmal weg. Weg. Die
Hütten blieben, die Hunde, die Hühner. Waren nur die Menschen weg.
Packten die Fremden ihre Sachen. Kamera in die
Tasche, Stativ zusammengesteckt. Würdigten dem Orte keinen Blick, durch den
Urwald zurück. Stunden. Mosquitos,
wunde Füße. Schwerer ihr Gepäck. Ins Kanu. Der Ausleger klatschte ins Wasser.
Quirlte. Mit dem großen Boot nach Manaus.
Von da zurück.
Dunkelkammer. Photobäder. Abzüge. Wurde das Bild
entwickelt.
Ein Schreibtisch. Karten, auseinander gefaltet.
Lupe, Stifte. Linien gezogen, Lampe, Bücher über Naturvölker. Die Kamera. An
der Wand Bilder in Rahmen. Aberdutzende. Darauf: Menschenstämme. Mal größer,
mal kleiner. Mal bunter, mal bleierne Minen. Hängten Hände das neue Bild auf,
richteten es aus. Der Stamm am Japurá.
Blieb noch Platz für ein Bild. Genau für eines. Genau in der Mitte.
Nur den einen noch. Nur diesen einen Stamm noch. Dann.
Dann war die Expedition, die Kammer vollkommen.
*