Als ich einhundert
Jahre alt war, kam es mir vor, ich würde vergehen. Kam es mir vor, als
schlüpfte ich aus zu großen Schuhen. Ich stellte sie zu den anderen, die mich
einhundert Jahre lang begleiteten. Waren
sie getragen?
Als ich zweihundert
Jahre alt war, kam es mir vor, ich würde verstehen. Kam es mir vor, als zog ich
Gewohnheiten an. Ich streifte sie über, wie die anderen, die mich einhundert
Jahre lang kleideten. Wärmten sie mich?
Als ich dreihundert
Jahre alt war, kam es mir vor, ich würde sehen. Kam es mir vor, als warf ich
einhundert Schleier über. Ich lupfte sie nicht, wie die anderen, die mich
einhundert Jahre lang verhüllten. Bewahrten
sie mich?
Als ich vierhundert
Jahre alt war, kam es mir vor, ich würde reden. Kam es mir vor, als
entwaffneten sie einhundert Zungen. Ich verteidigte sie nicht, wie die anderen,
die mich einhundert Jahre lang verschluckten. Versuchten sie mich?
Als ich fünfhundert
Jahre alt war, kam es mir vor, ich würde verstummen. Kam es mir vor, als
ergaben sich zweihundert Stimmen. Ich hörte ihnen nicht zu, wie den anderen,
die mich einhundert Jahre lang besuchten. Straften
sie mich?
Als ich sechshundert
Jahre alt war, kam es mir vor, ich würde erwachen. Kam es mir vor, als gähnten
sich einhundert Schlafe. Ich erwähnte sie nicht, wie die anderen, die mich
einhundert Jahre lang einsperrten. Träumten
sie mich?
Als ich siebenhundert
Jahre alt war, kam es mir vor, ich würde brechen. Kam es mir vor, als verlor
ich einhundert Stützen. Ich versagte nicht, wie die anderen, die mich
einhundert Jahre lang hielten. Spürten
sie mich?
Als ich achthundert
Jahre alt war, traf ich auf alle Jahrhunderte zuvor. Sie sprachen über mich wie
gute Freunde, doch urteilten über mich. Warum ich einhundert Jahre lang nichts
tat, warum ich einhundert Jahre lang zögerte, warum ich einhundert Jahre lang
zweifelte, warum ich einhundert Jahre lang verharrte, warum ich einhundert
Jahre lang haderte, warum ich einhundert Jahre lang kauerte, warum ich
einhundert Jahre lang wartete und warum ich einhundert Jahre lang nicht wollte.
Warum es mich dann gab?
„Weil ich nicht glaubte,“, antwortete ich, „daß ich
allen Jahrhunderten entsprach. Daß mir zu wenig Zeit gewährt wurde, um mich zu
begreifen, während alle Jahrhunderte sich nur mühten, mich zu schaffen. Erschufen sie mich? Oder bewältigten sie
mich nur? Während alle Jahrhunderte nichts taten, zögerten, zweifelten,
verharrten, haderten, kauerten, warteten und nicht wollten, glaubte ich nicht
daran, daß es mich für andere gab. Daß es mich gab. Für alle Jahrhunderte, die
es noch zu leben gab, wenn ich aus einhundert Jahren die Jahre wählte, die es
brauchte, den Tag zu finden, für den es sich lohnte, acht Jahrhunderte zu
geben.“
Und für diesen einen Tag wählte ich einhundert
Stunden. Aus denen sich nur die erinnerten, die vierundzwanzig ergaben.
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