Bei etwas ganz
Schlechtem denkt man gleich, es sei Kunst.
Und man kann drauf wetten, daß gleich irgendjemand sagt, das sei Kunst und wie toll das ist.
Bei etwas ganz
Schlechtem kann man immer drauf wetten.
Und wer – wie ich
– gerne wettet – also nie –,
bekommt gleich noch jemanden dazu geschenkt, der etwas ganz Schlechtes – ist doch Kunst – verteidigt. Gleich
sofort. Sprich: Es wird gelobhudelt bis die Eichel platzt. Und nichts von dem
gerade Gesagten hat mit dem Nachfolgenden zu tun. Ich wollte es einfach nur mal
gesagt haben. Es sagen so viele etwas, da wollte ich auch mal was gesagt haben.
Und wer was sagt, macht sich klein. Fein.
Ich bin ein schlechter Begleiter für
Lob, ja. Neige ich doch dazu, mich aus dem Gefüge der Menschen herauszunehmen. Ich
lebe für mich in meiner eigenen kleinen Welt. Und solange meine Welt ruhig ist,
ist meine Welt gut für mich. Und was gut für mich ist, ist meine Welt.
Nicht gut für mich ist die Welt der anderen. Denn deren
kleine Welten sind selten klein. In der Regel sind deren kleine Welten recht
groß. Größer noch, da diese Menschen zu allumfassender Größe neigen. Für kleine
Welten zu groß, leben diese zu kleinem Fuß auf großer Welt und ihre Welt wird
noch größer, betrachten sie ihre Welt mit der Klitzekleinlichkeit ihrer sehr,
sehr großen Augen beschlagen. Neugierigen, manipulativen, frechen, urteilenden, Vorteil suchenden Augen meinen die einen, die eigenen meinen irgendwas, was die
meinigen meinen.
Menschen, die auf großer Welt leben – und sie leben da alleine – haben es auf
ihrer natürlich sehr, sehr großen Welt sehr schwer. Sehr, sehr schwer haben sie
es, weil sie – sie sind ja sehr groß –
sehr schwer sind. Sie sind also sehr schwer und sehr groß und weil sie sehr
groß sind, sind sie sehr schwer für ihre Welt, die ja sehr groß ist. Und sind
zu schwer für ihre Welt. Für ihre
Welt muß ich anfügen, denn es ist natürlich ihre
Welt. Und ihre Welt ist nur für sie
da. Was verständlich ist. Sonst wäre es ja nicht ihre Welt, sondern meine. Oder
Deine. Oder unsere Welt. Was recht lächerlich erschien, wollte man jemanden
denn seine Welt streitig machen, so gäbe es ja nur Streit, und Streit ist Zeit,
und Zeit ist Kleid, und Kleid ist Maid, und Maid bin ich nicht. Also ist Streit
doof. Denn alles was ich nicht bin, ist doof. Und außerdem gibt es keinen
Streit auf dieser Welt.
Auf dieser Welt gibt es keinen Streit.
Jemand, der klein ist und den ich nicht mochte, weil
er ja recht klein erschien, sagte mir mal – und er sagte es über jemand
anderen, die recht groß für seine kleine Welt erschien, weil sie
Firmeninhaberin in einer Kleinstadt war; und das beeindruckte ihn, den ich
einmal sprach, schwer, mich weniger, und er sagte es, bevor er auf einer
Eisplatte ausrutschte und dann hinfiel und dann Aua hatte und das Aua ist wohl
das Eigentliche am Sein, wenn es sich bemerkbar macht:
„Lieber ein großer Fisch im Aquarium, als ein kleiner
Fisch im Ozean.“
Und dort lag er auf der Eisplatte auf dem Boden und
wand sich und windete sich wie ein Fisch auf dem Trockenen, als hätte ihn
jemand aus dem Aquarium gefischt und nun dort aufs Eis geschmissen. Eis bot
sich derweil als Erinnerung an Wasser an. Wenn es doch nur schmelzen würde,
sofort, so könnte man darin, ach, nur schwimmen.
Ich widersprach. Dumm. Ich. Wie dumm ich doch war. Dachte
ich doch, daß ein kleiner Fisch fürwahr den großen Ozean für sich hat! Und der
große Fisch im kleinen Aquarium immer gegen die Glasscheiben des Aquariums
schwimmt, nachdem er alle kleinen Fische gefressen hat. Und gegen die Scheiben
schwimmt. Und er sich als Fressen in der Scheibe spiegelt. Und sein Fressen ist
sein Spiegelbild. Und kann man sein
Spiegelbild fressen?
‚Nein‘, dachte ich. Das kann nicht sein.
Jetzt
aber, denke ich, ich bin ein kleiner Fisch im Aquarium, und das ist gut für
mich.
In meiner kleinen Welt bin ich ein
kleiner Fisch. Mein eigener kleiner Fisch. Und auch wenn mein Aquarium recht
klein ist, ein kleiner Fisch in einem Ozean wäre auch nur in einem großen Aquarium unterwegs, und das wäre
doch recht anstrengend auf Dauer. Immer muß man irgendwo hinschwimmen – die ganze weite Strecke –, bis man die
Grenze des Ozeans erreicht hat, sich dort an dessen Aquariumsscheiben dumm
umschaut, sein eigenes dummes Bild in der Glasscheibe sieht, es nicht fressen
kann, und dann den ganzen, weiten Weg zurückschwimmen, bis man endlich die
andere Ozeanseite erreicht hat und deren Aquariumsscheiben sieht. Nein, nein. Lieber
ein kleiner Fisch in einem kleinen Aquarium sein. Das ist sehr viel bequemer. Und
bequem ist gut. Und was gut ist, ist gut für mich.
Erschüttert wird meine kleine Welt nur durch die große
Welt der anderen:
Ich verließ meine kleine Welt und traf eine Nachbarin,
die ich noch nie gesehen habe, im Aufzug. Ich grüßte. Wie ich es bei jedem tue.
Sie grüßte nicht zurück. Ja, sie war darüber hinaus sehr unfreundlich
abweisend. Mit ihrer Mimik, mit ihren Lebensäußerungen. ‚Paff‘ und ‚puh‘, als
es ihr nicht schnell genug ging, wie ich den Aufzug verließ, als er das
Erdgeschoß erreichte. Sie murmelte noch etwas, weil ja jemand ihre Welt teilte,
für den Augenblick. Ihre große Welt teilte. Ich schwieg. Nahm für den Rest des
Tages aber ihre große, unwirsche Welt in meine kleine mit. Und der Tag war
nicht gut. Große Welten sind nicht gut in kleinen Welten.
Die nächste große Welt, die mir begegnete, war auf
drei Fahrrädern unterwegs, dem Vernehmen nach männlich, adoleszent für fast
noch Kinder in ihren Jogginghosen, Caps und Sozialbefremdlichem. Ich ging, und
einer der Jungs täuschte auf gleicher Höhe an, mir ins Gemächt zu greifen.
Während sie weiterradelten, in entgegengesetzter Richtung, schaute er, der
Adoleszent, sich lange provozierend um. Ich nahm meine kleine Hand in meine
Hand, hob meine kleine Welt und nahm den kleinsten meiner mittleren Finger und
streckte ihn seiner großen Welt entgegen.
Ich habe eingekauft. Jetzt kommt Weihnachten. Ich muß
für die nächsten zehn Tage nicht mehr raus. Wenn ich doch meine kleine Welt
kurz verlassen muß, um zum Briefkasten zu gehen, hoffe ich, nicht anderen
Welten zu begegnen. Die sind mir zu dämlich groß.
*
(Vorkommnisse
haben sich so zugetragen, Zitate sind überliefert. …das hier ist ja nicht der ‚Spiegel‘,
hihi, bei dem sie ja selbst die Geschichtchen ihrer eigenen Kollegen glauben. Denn:
Wenn
Journalisten anfangen, sich selbst zu glauben, glaubt ihnen kein Mensch mehr. Journalisten brauchen eine große Welt, über
Kleines zu berichten. Große Welten machen klein. Kleine Welten haben
Schweinebraten. Und Rotkohl. Und Knödel. Frohes Fest!)