Vielleicht sollte man sich die Frage stellen, ob
das, was man sieht, nicht besser unbeachtet
bleiben sollte, wenn man unscheinbar
durch die Welt der Sehenden wandert. Sollte man sich der Frage stellen, in
beobachteten Momenten sich die Zurückhaltung aufzuerlegen, die nötig ist, um scheinbar angesehen zu werden, damit das
Betrachtet-Sein nicht in unbemerkt sein umschlägt. Sollte man sich
vergewissern, daß alles, was so vor den eigenen Augen erscheint, nicht mit den Erwartungen seiner Vorstellung spielt.
Und so kam es, daß wir uns wieder in diesem Bus
fanden. Nicht mit Absicht. Unvorhersehbar. Nur ein bißchen dem Umstand
geschuldet, daß der Zufall ein Handel mit dem Losverfahren einging, das
Menschen miteinander zusammenfügt oder eben nicht. Schicksal könnte man das
nennen. Oder Vorsehung. Ich nenne es Fügung. Daß zwei Menschen ein Ticket
lösten, zur selben Zeit, um eben diesen Bus zu nehmen, der sie woanders
hinbringen sollte, als von dort, wo man sich verabschiedete. Und nun war es
wieder weniger der Absicht geschuldet, etwas zu erwarten. Irgendetwas, als das,
was man von einem Bus so erwartete, der Menschen am frühen Morgen zu den Orten
brachte, die man sich mitunter nicht aussuchte, um am frühen Morgen von den
Orten wegzukommen, von denen man nicht wegkommen wollte. Ums Ankommen ging es
nicht. Nur ums Verbringen. War der Weg keinem Ziel untergeordnet. Nur Stadium
zwischen zwei Tagen. Von Zuhause zu den Orten, die man nicht Zuhause nannte.
Was schon eine Unterscheidung war.
Und in dieser Unterscheidung war es wichtig, daß man
sich beachtete. Daß man sich vorher – und
das war wohl entscheidender – bemerkte. Gab es in diesem Bus noch andere
Menschen, die man so gelassen an sich heranließ, so nah, als wären es die
eigenen Möbel. Aber nicht in der Vorstellung in sein Zuhause ließ, sie auch
dort hineinzustellen. Und da gab es diese zwei Menschen nun, die durch ihr
gegenseitiges Bemerken, genau dieses in Erwägung brachten. Waren Sitzreihen
dazwischen. Doch saß man sich schon gegenüber, in der Vorstellung eines Zuhauses,
weil man sich Nähe erwarb durch das bloße Erblicken. Und je mehr man etwas
erblickt, so erscheint das Gegenüber weniger entrückt. War, als man sich
bemerkte, schon die Nähe greifbar, die man seinem Sitznachbar nicht
entgegenbrachte, auch wenn der näher an dem Menschen saß, sich aber
wegvorstellte, weil man nicht in der Nähe dieses Sitznachbars sein wollte, wenn
man am frühen Morgen keine Berührungen zulassen konnte. Beachtete man diese
nicht und waren vor dem Auge gleich den leeren Sitzreihen, die nur mit anderer
Farbe bestuhlt waren. Also nicht vorhanden. Saßen diese zwei Menschen also
alleine im Bus, der sie für die Dauer einer Fahrtstrecke zusammenfügte. Nicht
mal der Busfahrer war anwesend, fuhr der Bus wie von Geisterhand. Und wenn man
es sich genau überlegte, war auch der Bus nicht mehr vorhanden. Ging es nur um
diese Augenblicke, die man miteinander während einer Busfahrt teilte.
Wäre es anders, wenn das Beachten nicht auf
Gegenseitigkeit beruhte. Wäre dieser Mensch zwar aufgefallen, doch dann in der
inneren Vorstellung schon wieder unbemerkt. Wie man sich an schönen Dingen
erfreute, wenn man sie erblickt, sie einen aber nicht. Erfreute man sich so
auch an schönen Blumen. Befanden sie sich aber in anderen als den eigenen
Händen, so erfreute man sich zwar, daß es sie gab, aber nicht für den Zweck,
der ein Ich zu einem Sein machte. Gab das Erblicken dieser zwei Menschen mehr
her, so daß man sich diesen Blumenstrauß nun teilte. Vielleicht erwägten die
Hände, ihn entgegen zu nehmen oder ihn zu schenken. War man sich dabei noch
unschlüssig, wo der nun auf einmal herkam, und was er bezweckte. Und war es ein
schlechtes Bild, nun von einem Blumenstrauß zu sprechen. Weil es um diesen gar
nicht ging. Und in den Sitzreihen des Busses auch keiner vorzufinden war. Und
wollte man auch gar nicht etwas entgegen nehmen oder geben. Ging es nur um das
Sehen, was man in einem anderen Menschen sah, als man sich bemerkte.
Aber weil man sich sah und weil man sich nur für die
Dauer einer Fahrtstrecke sah, stellte man sich die Fahrtstrecke schon am
nächsten Morgen vor. Wie man sich dann in die Augen blickte. Wie man betrachtet
wurde. Wie man selber sah. Und was daraus werden sollte, wenn es Möglichkeiten
gäbe, in einem Bus am frühen Morgen, der einen von Zuhause zu den Orten
verbrachte, die nicht das Zuhause waren, sich mehr als anzuschauen. Gab es
bessere Orte für Worte, als ein Bus am frühen Morgen. Noch dazu, wenn die Zeit
zwischen den Bushaltestellen drängte. Sprach man sich also nicht an. Führte
diese Gespräche nur im Verborgenen mit sich selbst weiter. Und spürte, daß der
andere Mensch das auch tat. Gab es also einen Umstand, der einen zusammenfügte,
und einen Umstand, der trennte. Aus ein und demselben Grunde. Beide Umstände
dem geschuldet, daß der Zufall ein Handel mit dem Losverfahren einging, das
Menschen miteinander zusammenfügte oder eben nicht. Daß zwei Menschen ein
Ticket lösten, zur selben Zeit, um eben diesen Bus zu nehmen, der sie woanders
hinbringen sollte.
Man begehrt, was man sieht.
Sah man sich an jedem Tag. Und schaute sich in die
Augen.
*
Sieht man sich nicht, so begehrt man auch nicht.
Das gilt auch für Autos, Mode oder Menschen.
Also für alle entbehrlichen Dinge.
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