"Hallo" ist das Pfandleihhaus des "Aufwiedersehn"...



Miniaturen des Absurden

Betrete mit der Miene der Abfälligkeit und erhalte Einlaß

Vom Jardin du Luxembourg zum Panthéon brauchte es schon mehr als platonisches Innehalten, um sich Gehör für Gesehenes zu verschaffen. Da...

Samstag, 20. Dezember 2014

In einem Gasthaus, in Deiner Nähe.


Rückten sie die Stühle näher. Die Mienen waren gelöst. Sie unterhielten sich im Stehen weiter. Kellner schoben Tische zusammen. Das ergab einen langen. Sie stellten die Stühle nur entlang der einen Seite auf. Die große Stube ließ nur so Platz zu. Gegenüber blickte ihnen eine Fensterreihe zu. Keiner wollte mit dem Rücken zu der Straße sitzen. Abend. Der Verkehr beruhigte seine Bahnen. Straßenlaternen dimmten sich zur Träge. Ein Kollege lud den anderen ein und der den nächsten. Die Stube war im Voraus bestellt für diesen einen Anlaß. Die, die gekommen waren, behielten ihre Unterschiede für sich. Ob es Männer waren, oder Frauen. Ob es Einheimische waren, oder Gastarbeiter. Ob es Abteilungsleiter waren, oder Arbeiter. Rückten sie die Stühle näher. Sie unterhielten sich. Der mit dem, die mit jenem. Wechselten ihre Themen, ihre Rückenlehnen, losgelöst von denen unterhielten sie sich munter fort. Der Zufall bestellte die Platzkarten, und die Zeit. Mehr das Erwarten. Für den sie sich versammelt hatten. Rückten sie die Stühle näher.

Lachen als Besteller gesellte sich hinzu. Zwinkerten sich Geschichten zu. Klapsten sich auf die Schultern. Nicht als Schlagen zu verstehen; um die Erinnerung herauszukitzeln, die sie nun gemeinsam in diese Wirtshausstube lud. Ließen beiläufig ihre Hände auf den Rückenlehnen ruhen. Nicht aus Absicht. Einfach so. Weil es sich im Stehen und Reden so ergab. Merkten sich so ihre Plätze vor. Einfach so. Ohne Gedanken. Ohne darüber nachzudenken, wer näher zur Mitte sitzen sollte, näher zum Rande, ob Frauen, oder Männer, ob Gastarbeiter, oder Einheimischer, ob Arbeiter, oder Abteilungsleiter. Sie waren gerne gekommen. Das einte sie. Rückten sie sich näher an die Rückenlehnen, stützen sich mit den Hüften ab. Rutschten schon mal halb auf die Sitzfläche, seitlich. Um das bequeme Reden nicht zu unterbrechen. Die Zeit, mehr das Erwarten gesellte sich als bequemes Kissen hinzu.

Befassten nun die Tischkante. Quatschten sich die einen fest, so setzten sich schon andere. Spielten mit dem Tischbesteck. Spielten mit den Gläsern. Klopften mit den Gabeln dagegen, um das Klingen herauszuwitzeln. Zeigten ehrliche Zähne, offene Münder. Lachen. Langsames Verklingen, innehalten. Setzten sich die Quassler dazu. Rückten sich nun gerade. Stützten sich mit den Ellbogen ab. Überbrückten das Erwarten.  Das einte sie. Sprang noch mal jemand eben auf, weil man etwas vergessen hatte. Den Grund ihres Zusammenfindens. Legte ein kleines Geschenk mit Schleife vor den Teller in der Mitte und ein Kärtchen noch dazu. Weil man nicht vergessen hatte, den Grund ihres Zusammenkommens. Die Zeit, mehr das Erwarten gesellte sich als bequemes Geschenkpapier hinzu. Gefaltet von gelächelten Erinnerungen.

Sahen mehr und mehr durch das lange Fenster, auf den beruhigten Straßenverkehr, den gedimmten Bürgersteig davor und bestellten, als wäre das Fenster, das Dahinter der Kellner ihre Erinnerungen auf die Teller. Naschten heimlich schon in Gedanken, ertappten sie andere dabei und lachten ihre Mahnung mit neckischem Zwinkern, nippten aber heimlich selber schon am Weinglas des Entsinnens. Sahen mehr und mehr durch das lange Fenster. Sahen mehr. Sich selber zu. Das Licht der Stube spielte ihre Gesichter, ihre Oberkörper hinzu. Die Tafel, Gläser, Bestecke und Teller. Weil das Licht der Straße dahinter dunkler war. Rahmte der Fensterrahmen ein, was sie einte. Denn schaute man aus einem hellen Raum hinaus ins Dunkle spiegelte sich das Scheinen drinnen in der Fensterscheibe.

Zählten sich entlang dieses Rahmens durch – ein Platz blieb frei in der Mitte – und probten im Schwelgen der Erinnerung froh schon mal heimlich ihre Abschiedsworte. Der erwartete Gast in der Mitte hörte ihnen gerne zu. Pfiff sich zu dieser Gaststube. Im gedimmten Licht der Abendlaterne. Kaum vernehmbar seine Schritte. Ein reiches Arbeitsleben als Schuhe. Und freute sich – wie alle anderen – auf seine Verabschiedung in seine Ruhe.

In einem Gasthaus, ganz in Deiner Nähe.






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