"Hallo" ist das Pfandleihhaus des "Aufwiedersehn"...



Miniaturen des Absurden

Betrete mit der Miene der Abfälligkeit und erhalte Einlaß

Vom Jardin du Luxembourg zum Panthéon brauchte es schon mehr als platonisches Innehalten, um sich Gehör für Gesehenes zu verschaffen. Da...

Freitag, 17. November 2017

Durchschnittig


Durchschnittlich gibt es nur zwei Autorinnen, die man lesen kann, eine Hausfrau, eine Comedienne, eine, die man lesen könnte, und Marzipankartoffel kann man auch lesen, wenn man mit dem Fingernagel Augen und Mund hineindrückt, dann kann man die auch lesen, bevor man die ißt. Aber nur, wenn man die vorher bei Lidl gekauft hat.

Mit der einen bin ich nie einverstanden, die schreibt ja auch immer, was sie will.
Mit der anderen bin ich immer einverstanden, auch wenn ich nie weiß, was die will.
Die Hausfrau schreibt auch, was sie will, weiß aber nie - also ich -, worauf die hinaus will.
Aus dem Haus vielleicht, denn sie ist ja eine Hausfrau. Deshalb heißt es ja Hausfrau und nicht Gehwegfrau. Ich will auch nicht aus dem Haus. Bin ja kein Gehwegmann.
Die Comedienne schreibt auch immer was. Was auch immer, aber die schreibt komisch.
So, als ob die schreiben will, wie sie schreiben will. Benutzt aber nur Bilder. Und lesen hilft da auch nicht weiter.
Und die eine, die man lesen könnte, könnte man sich auch mal durchlesen.
Ich habe also fünf.

Fünf ist kein guter Durchschnitt.

Fünfzehn Bücher habe ich mal gelesen. Den Faust in der Schule eingeschlossen, den ich in der Klausur gelesen habe: "Interpretieren Sie Seite 26 bis Seite 53."
Dann habe ich den Faust gelesen von Seite 26 bis Seite 56. Ich hatte vier Stunden dafür Zeit. Ich bekam eine drei dafür.
Bücher lese ich nicht, da sind mir zu viele Bilder drin. Ich könnte anfangen damit, ein Buch zu lesen,
aber dann müßte ich es schreiben. Und so viel will ich auch nicht lesen.
Ich habe Marion Zimmer Bradley gelesen, Die Feuer von Troja und Die Nebel von Avalon, weil die dick waren.
Zu der Zeit war ich dünn und lief acht Kilometer und hängte zwanzig Bahnen Schwimmen dran.
Dicke Bücher kann man nur lesen, wenn man dünn ist. Stephen King war auch dick. 'Es' war dick genug für einen dünnen Jungen. Sergeant Maitrel würde dankbar sein. Als es noch die Bundeswehr gab, gab es auch noch den Arrest. Ich war abwesend von der Truppe und las Herr der Fliegen unter Arrest. Auf Englisch. Ein dünnes Buch.
War aber nicht dick. Weißt Du, was wirklich dick macht? Genau. Kleine, französische Baguettes. Also, die Kurzen.
Die so aussehen wie Marzipanbrot - nur ohne Schokolade. Die gibt es in Deutschland nicht, vielleicht, weil die deutschen Bäcker nicht wollen, daß man dick beim Lesen wird.

Zurück. Natürlich darf man niemanden lesen, das ist zu intim. Und die, die ich lese, dürfen das auch nie erfahren.
Nachher schreiben die noch irgendwie anders, und dann hätten es Leser wie ich vermasselt, ihnen
zuzulesen wie Anthropologen, die auf versteckt lebende Urvölker stoßen im Amazonasgebiet, und man will sie nicht mit Zivilisation infizieren, damit sie nicht an einem Heuschnupfen dahinraffen.

Andere zu lesen, habe ich versucht, aber der Versuch war schlecht von mir. Ich bin ein schlechter Leser.
Und der Versuch scheiterte an mir. Ich bin Durchschnitt, was den Versuch angeht.

Ich bin mal zweihunderteinundsechszig auf der Autobahn gefahren. Das ist mein persönlicher Rekord.
Ich bin auch mal Schrittgeschwindigkeit durch eine Fußgängerzone gegangen. Ich ließ andere überholen.
Ich habe zwei Füße, und ich halte auch da einen guten Durchschnitt. Nicht jeder kann dankbar für seine Füße sein.
Ich konnte mal zwei Minuten und 38 Sekunden die Luft anhalten und 50 Meter unter Wasser schwimmen. Ich schwimme jetzt nicht, denn jetzt ist es mir zu kalt.

Ich habe mal Enten gesehen, die im Herbst im Wasser schwimmen. die sind dumm. Warum gehen die nicht in ein Hallenbad und schwimmen dort? Ich habe die Spinne gelesen, die heißt jetzt Spider-Man, und ich habe die Rächer gelesen, die heißen jetzt die Avengers. Ich habe auch den grauen Hulk gelesen.
Ich habe das lustige Taschenbuch gelesen, da war eine Seite immer schwarz-weiß und eine Seite farbig. Ich halte Farbe für fortschrittlich.
Eine Dekade war ich mal in einer Beziehung. Ich halte Beziehungen für fortschrittlich. Ich bin mal
vom 5 Meter-Turm gesprungen, da war kaltes Wasser drin. Ich bin mal von einem 5 Meter-Turm gesprungen, da war kein kaltes Wasser drunter. Für sechs Sekunden war ich zwei Zentimeter kürzer.
Was nicht dumm war, denn wer kleiner ist, hat mehr Platz unter dem Himmel.

Ich habe drei Fernsehsender. Ich könnte mehr haben, wenn ich umschalten würde. Zur Zeit sind Südamerika-Dokumentationen bei mir trendig. Südamerika hat einen Kontinent und einen Berg. Der zieht sich aber in die Länge. Ich habe eine Biographie, aber die zieht sich auch in die Länge. Ich habe mal einen Australier getroffen, der zog sich auch mal in die Länge.

Durchschnittlich trifft man einen Rassisten, einen Nazi und einen Idioten im Leben.

Der Rassist war Bure und nannte Schwarze Kaffa. Der Nazi nannte den Rassisten einen Idioten, sind doch alles Idioten, und beide trafen auf mich den Idioten. Ich habe sehr viele komische Menschen getroffen, deshalb kann ich auch gut mit Enten. Ich habe mal einem Obdachlosen einen Schlafsack geschenkt.
Das habe ich auf der Habenseite.

Ich habe auch mal Enten gefüttert, bevor es verboten wurde. In Deutschland habe ich auch mal eine Schlange gesehen.
Ich habe mal einen blauen Eisvogel gesehen und einen bunten Buntspecht. Einen Iltis habe ich mal gesehen, und Glühwürmchen habe ich mal als Kind gesehen, bevor die verboten wurden.

Ich habe mal weiße Beeren zwischen Daumen und Zeigefinger zerquetscht.
Das hat Spaß gemacht. Rote Vogelbeeren zerquetsche ich nicht zwischen den Finger, weil das eine Sauerei gibt. Ich habe viele Schmetterlinge im Sommer gesehen. Zweimal habe ich verliebten Pärchen, die mir beim Spazierengehen begegneten, gesagt: "Was ist schneller als Licht? Die Liebe! Sie erreicht einen schon, bevor man sie erblickt." Der junge Mann, der mir begegnete, war nicht angetan, die junge Frau strahlte.
Beim zweiten Pärchen habe ich gesagt: "Die Liebe ist wie ein Schmetterling. Fange einen, dann ist euch die ewige Liebe sicher. Doch Obacht! Verletzte nicht dabei den Flügel. Sonst werdet ihr ewig Unglück haben. Traust Du Dich? Fange einen Schmetterling. Doch verletz' den Flügel nicht." Der zweite junge Mann zeigte mir daraufhin seinen Bizeps.
Die zweite junge Frau strahlte. Ich glaube nicht, daß junge Männer Romantik können.

Ich spreche auch üblicherweise nicht mit Menschen. Einmal habe ich einem älteren, grüßenden Pärchen am See gesagt: "Der See ist rund. Wenn man einmal rum ist, ist man wieder da, wo man mit der Aussicht anfing. Warum also rumgehen?"
Ich muß mich trauen, fremden Menschen etwas zu sagen. Aber wenn sie mich schon anlächeln, kann ich nicht anders, ihnen meine Meinung zu geigen. Aber sowas von.

Denn üblicherweise spreche ich nicht mit Menschen. Es sei, sie laden mich zur Torte ein. Ich habe durchschnittlich eine Ausrede.
Oder sie fragen mich, ob ich ihnen Geld leihen könnte. Durchschnittlich hat man fünf Euro Schulden bei mir.

Fünf ist ein guter Durchschnitt.

Vielleicht lese ich deshalb nicht mehr als fünf, weil ihre Geschichten - also die der anderen - keine Biographie haben.

Mit meinen fünf Autorinnen bin ich zufrieden.

Sie sollten es nur nicht mit den Wörtern übertreiben.

"Wenn Du anfängst zu schreiben, achte darauf eine Biographie zu haben.", würde ich jedem Baby sagen.

"Hat mal studiert..." ist keine Biographie. Das lesen nur Menschen, die mal studiert haben.

"Hat mal, während sie studierte, Enten gefüttert..." ist schon mal eine gute Biographie.

Ich kann mich gleich in die Ente hineinversetzen. Das ist meine durchschnittliche Begabung.


Ansonsten halte ich Distanz zu denen, die schreiben.


Leser sollten das Gesamtwerk beim Erschaffen nicht stören.







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