"Hallo" ist das Pfandleihhaus des "Aufwiedersehn"...



Miniaturen des Absurden

Betrete mit der Miene der Abfälligkeit und erhalte Einlaß

Vom Jardin du Luxembourg zum Panthéon brauchte es schon mehr als platonisches Innehalten, um sich Gehör für Gesehenes zu verschaffen. Da...

Mittwoch, 20. Dezember 2017

"Ich tapeziere gerade meine Augen.", so stelle ich mir das vor. Ja, genau so.


Gestern, ich fuhr gerade im Bus, da saß eine Frau vor mir.

Und so beginnen eigentlich Geschichten.

Nun, jemand hinter mir pfiff.
Und wenn Menschen im Bus pfeifen, dann drehe ich mich selbstverständlich nicht um. Menschen sollte man selbstverständlich nicht wahrnehmen, wenn man im Bus sitzt, wenn man selbst selbstverständlich nicht wahrgenommen werden will.
Nun aber, die Frau vor mir drehte sich um. Sie wollte wohl selbstverständlich wissen, wer denn da beständig pfeift. Und vielleicht drehen sich auch selbstverständlich nur Frauen um, wenn gepfiffen wird.

Was weiß ich.

Ich weiß selbstverständlich nicht, auf was Frauen trainiert sind. Vielleicht sind Frauen darauf konditioniert, sich bei Geräuschen umzudrehen. Vielleicht haben ihre Mütter immer gepfiffen, wenn es Essen gab. Und drehen sich deshalb um, wenn gepfiffen wird, weil sie genau einmal am Tag Hunger haben.
Und das Pfeifen erinnert sie daran, jetzt genau in diesem Moment, wenn gepfiffen wird, Hunger zu haben.

Ich kenne mich nicht mit Menschen aus.

Weshalb ich wohl auch selbstverständlich nicht pfeifen kann. Erwäge aber selbstverständlich ernsthaft eine Trillerpfeife als Weihnachtsgeschenk für mich, die mich daran erinnert, wenn ich hineinpfeife, daß ich Hunger habe. Was auch den Magen entlasten würde, diese selbstverständlich ungedankte Aufgabe zu übernehmen.

Und es interessiert mich auch selbstverständlich weiter nicht, Essen schon, selbst wenn ich selbstverständlich aus der Zeitung erfahren muß, daß es nun Menschen geben muß, da man sie gerade erst entdeckt hat.
Und man ist noch ganz erstaunt, selbstverständlich, und beschreibt die eigene Erstaunung in langen, ausgiebig recherchierten Artikeln, gerade eben Menschen entdeckt zu haben. Als wäre es das Selbstverständliche der Welt. Deshalb stehen Menschen wohl ausgiebig in der Zeitung.

Vielleicht sind Menschen ja Essen. Was man neu entdeckt hat. Oder es wird davor gewarnt, Menschen zu essen - wegen den selbstverständlichen Nebenwirkungen, gerade jetzt in der Weihnachtszeit, noch mehr Nahrung als nötig zu sich zu nehmen -, selbst wenn gepfiffen wird, oder man weiß jetzt noch nicht so recht, was man mit Menschen anfangen soll, die gerade entdeckt wurden. Werden die jetzt für immer auf diesem Planeten bleiben?

Nun schaute mich aber diese Frau an, und sie hatte schwarze Augen.

Frauen - wie selbstverständlich - kannte ich schon aus wissenschaftlichen Entdeckungen.

Und wir sahen für eine Weile hinein, bis ich wegsah. Selbstverständlich. Und sie länger hinsah. Und so beenden sich wohl Geschichten.

Was mir recht erschien, denn ich will selbstverständlich keine Geschichten mehr beginnen.

Und ich selbstverständlich in die spiegelnde Busscheibe schaute, in die man schaut, um andere Menschen zu bestaunen, die man schon aus wissenschaftlichen Publikationen her kannte, und sie daran erkannte, sie schon in Beschreibungen gelesen zu haben, daß es sie geben soll - Menschen -, wenn es selbstverständlich draußen dunkel ist und innen hell, und wenn es draußen auf der Straße dunkel ist und innen hell im Bus.

Und es war so komisch. So schwarze Augen zu sehen. So direkt.
In so schwarze Augen zu blicken.
Und nichts zu empfinden.

Ich hielt braune Augen eigentlich immer für schön. Wie selbstverständlich.
In den üblichen Depiktionen, die man von wissenschaftlichen Publikationen kennt, in denen Menschen gezeigt werden, die man gerade erst entdeckt hat, und daher ausgiebig wissenschaftlich beschreibt, weil man Menschen gerade wie selbstverständlich erst entdeckt haben muß, und es müssen deshalb wohl wie selbstverständlich wissenschaftliche Publikationen sein, die selbstverständlich ein wissenschaftliches Publikum hervorrufen, sonst stünden Menschen ja nicht wie selbstverständlich in der Zeitung und man würde sonst von Entdeckungen anderer Art berichten, kommen die gut rüber.

"Die kommen gut rüber.", denke ich.

Jetzt aber, da ich live und in echt mal in welche hineinblickte, und es war selbstverständlich nur für kurze Zeit, überraschte mich der Anblick dieser schwarzen Kugeln.

Da kam nichts gut rüber.

"Die kommen nicht gut rüber.", denke ich.

Das liegt wohl am Auflösungsvermögen von modernen Kameras im Nahbereich, fiel mir auf. In Publikationen von wissenschaftlichem Interesse.

In echt: Sie hatten gar keine Pupillen, fiel mir auf.

Pupillen sind schwarz, erinnerte ich mich und erinnerte mich mal geschrieben zu haben, daß Pupillen wie Einschußlöcher seien, und das, was sie schon sahen, hat in sie hinein geschossen, wie nicht selbstverständlich mal welche gesehen zu haben, in einem anderen Leben, als ich mal in schwarze Pupillen blickte. Selbstverständlich aus Neugier wohl, und das andere Leben bestand wohl aus Neugier, und es war wohl dieser Antrieb, der sich dann befriedigte. Und das neue Leben besteht wohl aus Neugier nicht. Und wie selbstverständlich friedet das.
Und wenn man in Augen blickt, erinnerte ich mich, die eine kontrastierende, farbige Umrahmung haben - egal welche -, und in die schwarzen Pupillen tiefer, die sich ruckartig von links nach rechts bewegen, weil sie sich nicht entscheiden können, welches Auge, das Linke oder das Rechte des Gegenüber, sie fokussieren sollen, dann fühlt man einen Schlag.

Was das für ein Schlag ist, kann ich selbstverständlich nicht beschreiben. Man schaue mal selbst in schwarze Pupillen tiefer, die eine farbige Umrandung haben. Oder lese in einschlägigen Publikationen nach, die Augen als selbstverständlich eindeutiges Indiz für die Entdeckung des Menschen angeben.

Die waren so schwarz, ich wußte gar nicht, worin ich sehen sollte.

Und dann kam mir der Gedanke, ob diese Menschen, diese Frauen selbstverständlich - man hat sie neben den Menschen in Publikationen selbstverständlich ebenfalls mitentdeckt, und berichtet nun mit Erstaunen des Entdeckens darüber - auch erstaunliche Erlebnisse mit ihren schwarzen Augen haben.

Es sind ja ihre eigenen und sie müßten es ja schließlich am besten wissen.

Ist es ihnen schon oft passiert, daß Menschen irritiert sind, wenn man sich in selbige blickt?

Ist es ihnen auch schon aufgefallen, daß es anderen schwerfällt zu wissen, worin man eigentlich jetzt blicken muß?

Und ist es ihnen auch schon aufgefallen, daß da jetzt beim Gegenüber dieser selbstverständliche Schlag fehlt?

Und kennen sie das schon?

Und wie gehen die damit um?


Da ist nur dieser schwarze Klops.


In Roxanne hat Steve Martin eine lange Nase. Zur Befriedigung hält er sich beim Arzt Karten mit Abbildungen anderer Nasen davor und beschaut sich schtönend im Spiegel. Eine Operation kann allerdings aus unerfindlichen Gründen nicht durchgeführt werden, weil er selbstverständlich allergisch auf das Narkosemittel reagiert. Oder es ist Hollywood. Was ihn allerdings nicht davon abhält - Hollywood auch nicht -, Daryl Hannah zu erobern. Selbstverständlich mit langer Nase, die er ihr zeigt. Und damals, als ich den Film sah, stellte ich mir selbstverständlich die gleichen Fragen, die einem selbstverständlich soeben jetzt gleich in den Sinn kommen: Welche Komplikationen schon bei einer Nasen-OP auftreten können.

Halten sich Frauen mit schwarzen Augen auch manchmal bunte Augenkarten vor die Augen, um zu sehen, wie ihre Augen dann anders aussehen? 

Und können die dann ihre Pupillen kontrastreich vom Rest des Auges sehen sehen?

Mit den Karten vor den Augen?

Tapezieren sie ihre Augen? Schon aus Neugier? Mit Mustern? Allein wegen der Kontraste?

Und gehen die dann alle Farben durch?

"Die, ja, die. Nee. Die nicht. Die später."

Vielleicht bereitet das ihnen ja Probleme, und ich bin empathisch, denke ich.

Ich finde, Frauen mit braunen Augen und schwarzen Pupillen sollten Hinweisschilder in Signalfarbe
anfertigen und sie im Augenbereich befestigen, die pfeilisch auf die Pupillen zeigen, damit geneigte Beschauer dann genau wissen können, wo sie denn jetzt hineinblicken sollen. Diesen Service halte ich für angemessen, in dieser selbstverständlichen Zeit, die Wissen vermitteln soll.

Und darauf sollten auch wissenschaftliche Publikationen selbstverständlich Wert legen.
Auf die wirklich wichtigen Fragen.

Nur sollten wissenschaftliche Publikationen nicht unbedingt von Männern, die man ebenfalls entdeckt zu haben schien, als man Menschen entdeckte, verfaßt werden. Die interessieren mich selbstverständlich nicht. Damit sollen sich Wissenschaftler beschäftigen. Deren Publikationen bestehen selbstverständlich immer aus "Die Banane von Lidl ist gelber als die Banane von Aldi".
Wenn sie wie selbstverständlich publizieren würden "Die Bana von Lidl ist gelber als die Bana von Aldi", dann würde mich das selbstverständlich interessieren. Dann würde ich selbstverständlich gerne wissen wollen, was Bana ist und was Lidl ist und was Aldi ist.
Dieses Wissen, denke ich, könnte noch mal selbstverständlicherweise nützlich sein.

Warum desinteressieren eigentlich Männer?
Warum wurden die noch mal mitentdeckt?
Darüber schreibt mal selbstverständlich wieder keiner.

Oder gucken Frauen mit schwarzen Augen gar nicht mit den Pupillen, sondern mit ihrem ganzen, dunklem Augapfel?

Und sehen die dann alles schwarz?

Und was fokussieren die dann?

Oder können die über den Rand hinaus fokussieren?

Oder haben die heimlich weiße Pupillen? Und malen sie die mit schwarzem Filzstift an? 

Und warum nicht blau oder rosa?

Solche Fragen interessieren mich.

Da ich mich schon nicht mit Menschen auskenne, wie selbstverständlich, finde ich, sollten solche Wissenslücken geschlossen werden. Allein schon wegen der allgemeinen Wissenshygiene.
Nachher fragt mich jemand - Kofi zum Beispiel, der selber schwarze Augen hat -, und ich habe keine Antwort darauf. Und dann ist das selbstverständlich auch wieder doof. Und Kofi schaut mich traurig an.

Die Frau war übrigens schön.
Und ich habe grüne Augen.
Und beides ergab zum Glück keine Geschichte.

Zumindest keine Selbstverständliche.
Dafür fehlt es mir mittlerweile an Neugier.
Und an dem einen Schlag, den man empfindet, wenn man in fremde Augen blickt.
Außer dem Interesse an Farben und wie sie mit ihrer Umgebung interagieren.
Und fiktive Charaktere aus Filmen.

Von Gordon Gekko weiß ich: "Newgreed is no good."
Und vom Albatros Orville weiß ich: "Flying needs a Landebahn. Aus dem Weg!"

Ich wünschte, diese neuentdeckten Menschen, die man im Bus trifft, wären fiktive Charaktere aus Bernhard und Bianca - Die Mäusepolizei. Dann könnte man sie beschauen, müßte sich aber nicht mit ihnen interagierend beschäftigen.

Der Bus ist mein Filmpalast. Das wäre schön.
Die Leinwand sind die anderen Menschen.
Und man beschaut nur deren Rücken.

Und in Bussen spielen keine Liebesgeschichten.
Sonst würde es ja nur Filme über Liebesgeschichten geben, die in Bussen spielen.
In Busse steigt man ein und man steigt aus.
Und in wissenschaftlichen Publikationen wurde darüber auch noch nie etwas beschrieben.

Augen und Liebe sind schlechte Schauspieler.
Oscars bekommt man fürs Abwenden, nicht fürs Hinschauen.
Jeder Schauspieler weiß, daß man für den Rücken nominiert wird.
Man erinnere sich an Libuse, wie man sie von hinten zeigt, wie sie vor dem Prinzen davonläuft.

Das Schöne an einem neuen Leben ist, daß man nie wieder neugierig ist und nie wieder liebt.
Ich vermisse den Augenschlag nicht.
Er war einfach nicht da. Dieser Schlag.

Ich beschrieb das nur, weil ich Mitgefühl für die Frau mit schwarzen Augen empfand, weil sich grüne abwendeten. Und mich ihr Schauen erstaunte. Und grüne sich abwandten. Und mich mein Unempfinden rührlos lies. Auch wenn es ein Kompliment war. Und Frauen Mitgefühl immer als Mitleid sehen. Und Mitleid will keine Frau sehen, lerne ich aus wissenschaftlichen Publikationen. Meinen Pupillen weiten sich nicht mehr. Und es war ein friedvolles Gefühl dabei. Liebe ist immer Aggression.

Wenn jetzt diese Menschen, die man entdeckt hat, auch noch aggressiv sind, weil sie liebesschlagen. Nein, nicht.

Liebe Menschen, bleibt bei Euren fiktiven Charakteren. Bitte kein Live-Feature. Besonders im Bus. Ihr sollt nur Kulisse für mein Leben sein. Und ich bin schon ein Stummfilm-Hologramm genug.


Diese Augen werden nie wieder anderes erblicken, als Abkehr.







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