"Hallo" ist das Pfandleihhaus des "Aufwiedersehn"...



Miniaturen des Absurden

Betrete mit der Miene der Abfälligkeit und erhalte Einlaß

Vom Jardin du Luxembourg zum Panthéon brauchte es schon mehr als platonisches Innehalten, um sich Gehör für Gesehenes zu verschaffen. Da...

Freitag, 8. Dezember 2017

Vampirmenschen wandeln wunter der Wsonne Twageswlicht - Krass blutige, nette Vampirgeschichte, splatter


René Magritte, Das Vergnügen


Merle sagte es noch: "Es gibt so Vampirmenschen. Die schleichen sich von hinten an und saugen Dich aus."
Merle lief barfuß durch den Park. Das tat sie wirklich.
Und vielleicht meinte sie, so schneller vor Vampirmenschen davon zu laufen.
Aber von Menschen war keine Spur. Nur Schmetterlinge und Eichhörnchen.

Ich dachte nur, ob das an den Füßen nicht piekelt.

"Das sind so Menschen, die sich nie zu erkennen geben. Die wollen nur Dein Blut und ihren Durst löschen.", sagte Merle noch. Und jemand anderes sagte, daß Merle ein schöner Name sei.

Sicher, dachte ich, Merle ist ein schöner Name. Aber so richtig gerne laufe ich nicht so gerne mit jemandem durch den Park, die barfuß lief. "Und Menschen, die nur ihren Durst löschen, haben nichts zu essen. Ist doch egal.", sagte ich. Und tat das nicht an den Füßen weh?, dachte ich und wich in weiteren Gedanken vorsorglich Steinchen aus, die schon auf dem Weg näher kamen, für Merle mit. Und später begann es noch, zu schneien.

"Die verhungern innerlich."
"Aber vorher saugen sie Dich aus.", sagte Merle.
"Und dann verhungern die innerlich."
"Ja, aber vorher saugen die Dich aus.", bestand Merle.
"Ja, aber die verhungern innerlich."
"Ja, aber vorher saugen die Dich aus."

Und zieht sie dann ihre Schuhe einfach wieder an, so ganz mit schwarzen Füßen, und ist das dann nicht ekelig?
Solche Dinge dachte ich noch dabei. Und Merle erzählte mir von ihrem Stress mit ihrer Nachbarin.
Die haue immer heimlich ihre Blumentöpfe kaputt.

"Ich hatte noch nie Probleme damit, Vampire anzuquatschen.", sagte ich. "Ich laber' die einfach an, und schaue, wie die sich ertappt fühlen. Aber meistens habe ich keinen Spiegel dabei, um ihnen ihr Spiegelbild zu zeigen."

"Vampire haben kein Spiegelbild."
"Ja, sage ich doch."
"Ja, warum sagst Du das dann nicht?", sagte Merle.
"Ja, sage ich doch. Vampire haben kein Spiegelbild."
"Ja, dann sag' das doch."

Und jetzt kam eine Pfütze. Jetzt kommt das Problem. Aber Merle wich einfach über den Rasen aus.
Ich staunte, wie leicht, Barfüßige Dingen, die Problemen bereiten konnten, so einfach ausweichen konnten.

"Ja, sage ich doch. Aber meistens habe ich keinen Spiegel dabei, um ihnen ihr Spiegelbild zu zeigen,
das sie nicht haben."
"Warum quatscht Du die dann an? Du hast doch gar keinen Spiegel. Die sehen das doch gar nicht."
"Ja, aber wenn sie einen hätten, dann könnten die das sehen."

"Ja, aber die sehen sich doch gar nicht im Spiegel.", sagte Merle.
"Ja, sagte ich doch."
"Dann sag' das doch.", sagte Merle.
"Ja, sagte ich doch."
"Warum quatschst Du die dann denn an?"
"Damit die das dann sehen."

Jetzt kam eine Bank. Und sie kam näher.
Und wenn eine Bank näher kam, und näher und dann schon auf gleicher Höhe war, und dann schon wieder sich entfernte, dann seufze ich. Merle wollte sich noch nicht setzen. Eine Bank steht da nicht zum Spaß rum, dachte ich. Sie will, daß man sich setzt. Und jetzt ist sie traurig. Weil sich wieder keiner gesetzt hat.

"Vampire quatschen vorher. Dann quatsche ich die halt selber an. Die halten sich für geil, weil sie
diese Superkräfte haben. Die können diese ganzen tollen Dinge. Die haben so Superhirne. Wie Superman. Die können fliegen. Und Hu-huh machen. Ganz unheimlich. Und zaubern können die. Vampire sind den Menschen überlegen. Und dann quatscht sie ein dummer Bauer an, der nichts kann. Dann sind die ganz perplex. Damit haben die nicht gerechnet. Aber Bauern haben eine Mistgabel. Das sind so edle Wesen gar nicht gewohnt. Ich bin immer für die Kleinen."

"Und dann sehen die das dann?"
"Ja, wenn sie einen Spiegel hätten, sähen sie dann, daß sie kein Spiegelbild haben. Die sehen nur die Mistgabel. Und die finden sie nicht nett."
"Deshalb sind das ja auch Vampirmenschen. Die schleichen sich von hinten an, geben sich nicht zu erkennen und saugen Dich dann aus. Aber mit dem Spiegelbild habe ich nicht verstanden.", sagte Merle noch.
"Wenn Du einen Spiegel hättest und den nach hinten hältst, könntest Du auch nicht sehen, wie sie sich von hinten anschleichen. Ist doch egal. Die quatschen halt und halten sich für was Besseres. Vor dem Beißen meinen die, noch vorher quatschen zu können. Und dann kommt was Schlechteres, und das quatscht die dann mit einer Mistgabel an."

"Also, ich meinte das irgendwie anders.", sagte Merle.
"Ja, ich auch."
"Ja, dann sag' das doch."
"Ja, sagte ich doch. Ist doch egal." Außerdem waren mir Merles Füße jetzt wichtiger.

"Außerdem quatsche ich keine Leute mehr an. Da schreibe ich lieber Geschichten. Da kann sich jeder drin sehen. Nur Vampirmenschen, die sich nicht zu erkennen geben, weil die sich nicht im Spiegel sehen können und sich nicht sehen können, denken, ich erzähle von ihnen, wenn ich eine Geschichte erzähle, und die könnten sich dann in den Geschichten sehen, als lese ich einem Blinden eine Geschichte vor. Ich könnte eine Farbe beschreiben, und die Vampirmenschen denken, ich beschreibe ihre Farbe, weil es ihre Lieblingsfarbe ist. Oder eine Farbe, die sie mögen. Aber, hey, es ist eine Farbe. Können Vampire überhaupt Farben sehen?"

"Vampirmenschen gehört jede Farbe.", sagte Merle.

"Ja, sag' ich doch. Die verhungern innerlich: Farben kann man nicht essen. Bilder kann man nicht essen. Tränen machen nicht satt. Das schönste Bild, das ich kenne, ist, wenn ein Kind ein großes Brötchen in der Hand hält und ißt."
"Vampire trinken nur Blut. Die trinken Tränenvenen. Die denken, die wissen, wie es schmeckt. Wissen aber nicht, woraus es gemacht ist." Merle hob jetzt ihren Fuß und klaubte einen Stein aus ihrer Sohle und warf ihn vor sich auf den Weg. Ich fand das intelligent. So konnte man sehen, wo er lag, wenn der Barfuß sich wieder näherte und dem dann ausweichen.
"Deshalb brauchen die immer wieder welche. An ihrer Seite verblutet man. Man dörrt aus. Aber die verhungern innerlich."

"Ja, sag' ich doch. Die verhungern innerlich."
"Dann sag' das doch. Die brauchen echte, ehrliche Menschen, um das Menschsein zu adaptieren.
Sie machen dann deren Gefühle nach. Ihre Bewegungen. Ihre Eigenheiten. Die Art, wie man richtige Beziehungen führt."
"Wie Schauspieler, die nichts eigenes haben."
"Ja, sag' ich doch. Vampirmenschen werden auch gerne als Schauspieler gebucht. Die spielen dann Schau. Wie im Spiegel. Deshalb gibt es auch so viele Vampirfilme. Die setzen echte Vampire ein."
"Ja, dann sag' das doch. Wie im Spiegelbild, in dem sie sich nicht selber sehen können. Deshalb spähen sie echte Menschen aus. Benutzen diese als ihr Spiegelbild. Ihre Bewegungen, ihre Eigenheiten, ihre Ambivalenz. Dann hauen sie Deine Blumentöpfe kaputt. Und lachen heimlich über die Scherben. Und sprechen Dich von vorne über andere an. Wer macht denn sowas? Sagt meine Nachbarin dann."

"Ja, sag' ich doch."
"Ja, dann sag' das doch.", sagte Merle.
"Ja, sag' ich doch."
"Ja, dann sag' das doch.", bestand Merle.

Der Park war jetzt rum. Ob wir noch auf die Wiese gehen wollen, fragte Merle. Und Merle ging schon vor.
Ich dachte nur, ob das nicht zu naß sei. Meine Schuhe waren schon von Grashalmenschattennässeflecken bedeckt. Kenne ich vom Farbmalkasten. Wenn man mit Schwarz Gräserbüschel auf ein Blatt Papier malt. Und schnell mit Grün naß drüber. So waren meine Schuhe von den Gräserbüscheln angemalt. Warum nicht ein Blatt Papier über eine nasse Wiese streichen, wenn man Gras malen will? Und ob Gras malen dann nicht einfacher ging? Und wenn es schneit, wie jetzt, dann kann man noch Schnee hinzufügen. Und ob Merles schwarze Füße dann wieder sauber werden oder grün, dachte ich.
Und wie ekelig das erst dann sei, danach die Schuhe wieder anzuziehen.

"Darüber könnte ich eine Geschichte schreiben.", sagte ich. "In meinen Geschichten bin ich verwegen. Hui-hui. Wie ich es mit Vampiren aufnehme und so.", gab ich an.
"Eigentlich bist Du ein netter Mensch", lobte Merle. Und sie sagte es so unvermittelt lächelnd lobend, daß es mir nicht nett gefiel.
"Danke. Weißt Du. In Geschichten kann man sich so unnett geben,", sagte ich und vermied es, Merle zu sagen, daß sie auch nett sei, damit sie nicht denke, ich fände sie nett, "wie Menschen sich sehen, wenn sie eh nur das nette Schlechte in sich sehen. Die können dann ihre Projektile auf einen werfen. Funktioniert wie ein Blitzableiter. Meine Geschichten helfen beim Schreien. Also, wenn Schreie Blitze wären. Die schreien dann die Geschichte an. Das können die dann machen. Die kennen gar keine echten Menschen mehr, die sie anschreien können. Also können sie meine Geschichten anschreien. Ist doch egal. Außerdem existieren Vampire nicht, wenn man nicht hinblickt. Ist wie ein Haus, das hinter Dir ist, und gar nicht existiert, wenn Du nicht hinschaust oder drin wohnst. Vampire gibt es nur, wenn man die anschaut. Und dann mußt Du warmes Blut haben. Dann beißen die Dich nicht. Die beißen nur kaltes Blut."

"Also ich finde Dich nett. Dein Buch würde ich gerne lesen. Echt cool.", sagte Merle, und ich fand das nicht so nett, wie sie das so nett dachte und ärgerte mich, es ungern aus Nettigkeit erzählt zu haben, als sie das Cover auf dem Couchtisch sah und es nicht zu übersehen war. Bauern behalten Dinge lieber für sich. So halten Vampirmenschen sie für dumm und leicht zu jagen. Dummes Blut schmeckt Vampirmenschen nicht. Dann kann man die leicht mit der Mistgabel verjagen.
"Danke. Die meisten finden mich nett.", dachte ich und dachte, wie Menschen wieder was von netten Menschen wollen, weil die das so anziehen, egal ob nett oder nicht, ob geschenkter Blumentopf oder zerschlagener Blumentopf. Nette Menschen ziehen alles an, wollen sich aber nur von allem abstoßen,
weil die nicht als leere Hüllen von ausschlürfenden Vampirmenschen enden wollen, die sie für ihren Durst ausgeschlürft haben, nur weil die nicht in den Supermarkt gehen wollen, um sich was zu trinken zu kaufen. Freeway-Fanta ist die Bauern-Bionade.

"Zumindest die, die gute Erfahrungen mit mir gemacht haben. Die anderen eher nicht. Die gibt es auch. Die, die schlechte Erfahrungen mit mir gemacht haben. Das Buch zeige ich nicht gerne vor. Ist mir unangenehm. Ich rede nicht gerne drüber. Nett, aber ehrlich.", sagte ich und verschwieg Merle, daß ich sie auch unangenehm nett fand, worauf sie hoffte, daß ich es sagte, daß sie nett sei.

"Aber ich finde nun mal Menschen komisch, die barfuß durch den Park laufen.", sagte ich ihr ins Gesicht.

"Und ich möchte nicht, daß die denken ich fände sie nett. Das war bei Sabrina auch so. Sabrina denkt dann, es könnte mehr werden. Und ich möchte nicht, daß Merle und Sabrina denken, es könnte mehr werden. Ich hatte das schon alles und es war schön. Aber jetzt will ich das nicht mehr. Ich will einfach nur allein sein. Und wäre ich nett, dann würde ich Dir das jetzt ins Gesicht sagen."

Aber das sagte ich Merle nicht.

Und vielleicht meinte ich, so schneller vor Vampirmenschen davonlaufen zu können, während Merle sich auf das nasse Gras setzte, und ich weiter stand.

Aber von Menschen war keine Spur. Nur Schmetterlinge und Eichhörnchen.

"Nur Schmetterlinge im Herbst und Eichhörnchen brauche ich, um glücklich zu sein.", sagte ich nach Schmetterlingen und Eichhörnchen Ausschau haltend stattdessen. Jetzt im Schneien.

"Ich auch.", sagte Merle.
"Ja, sag' ich doch.", sagte ich.

"Ja, ich auch.", sagte Merle.

Ja, aber ich sagte es nicht nett.

Und außerdem ging gleich die Sonne unter, dachte ich. Und bevor die Sonne unterging, wollte ich im Bett sein. Dann kommen die Vampirmenschen. Und jeden, der nicht bis dann im Bett ist, quatschen die dann an.
Dann ist das Blut noch kalt. So mögen Vampirmenschen das Blut am liebsten.
Wenn man aber im Bett liegt und sich mit der Decke eine Bude baut, dann ist das Blut schon warm.
Warmes Blut mögen Vampirmenschen nicht. Ist wie warmer Wein. Ich sagte doch, das ist eine krass blutige Geschichte. Und man muß dann auf dem Rücken liegen. Vampirmenschen können kein Blut sehen. Deshalb beißen die ja einen auch von hinten in den Hals. Weil die kein Blut sehen können, wenn es dann den Hals herunter läuft. Die brauchen den Nacken als Landebahn. Und so können die einen nicht von hinten beißen. Das müßten die dann schon von vorne machen. Deshalb habe ich im Bett unter der Decke auch immer eine Mistgabel.
Das ist nicht nett. Aber lieber nicht nett sein, sonst beißen die noch von vorne. Und vorne hat der Mensch mehr Blut als hinten.
Und dann kommen die noch auf den Geschmack. Also halte ich mein Blut lieber warm und bedeckt.
Dann beißen die in die Decke. Und Decke schmeckt Vampirmenschen nicht. Dann haben die zuviel Fusseln im Gebiß. "Das ist nicht nett.", sagen Vampirmenschen dann und gehen wieder weg. Und dann kann ich in Ruhe Bubu machen.

Das sagte ich Merle aber nicht. Sondern setzte mich zu Merle ins Gras. Barfuß verwundete Menschen muß man schützen, dachte ich.

Die können nicht so schnell vor Menschen davonlaufen, dachte ich noch. Die müssen sich vorher noch die Schuhe anziehen und zubinden.

Nettsein wird mein Grab sein. Aber es wird ein Grab sein, von echten Menschen ausgehoben.


Aber noch mußte ich Merle vor ihren Füßen schützen.






*








Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen