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Vom Jardin du Luxembourg zum Panthéon brauchte es schon mehr als platonisches Innehalten, um sich Gehör für Gesehenes zu verschaffen. Da...

Samstag, 20. Januar 2018

„All die schönen Menschen“ – Man kriegt den Kiez, nicht aus dem Dorf, aber, das Dorf, nicht, aus dem Kiez


Menschen mögen sehr wandelbar sein. So, das wäre es schon. Mehr gibt es da nicht zu erzählen.

Menschen mögen sehr wandelbar sein, gibt es nicht mehr zu erzählen, wenn sie von einem Dorf zum nächsten Kiez wandeln. Dort eingezogen, gibt es nicht mehr zu erzählen, richten sie dann ihr Dorf im Kiez ein. Und sind dann schon sehr stolz, gibt es nicht mehr zu erzählen, auf ihren Kiez.

Sie loben dann die Vorteile: Daß man sehr viele unterschiedliche Lieferdienste für sehr viele Geschmacksrichtungen zu sich nach Hause bestellen kann. Wenn es unbedingt ein pankrautischer Teigfladen aus Transnistrien sein soll, dann könnten sie ihn zu sich nach Hause bestellen. Aber. Ist ein pankrautischer Teigfladen auch sehr umweltverträglich? Also lieber nicht den transnistrischen Teigfladen bestellen. Lieber die Pasta Pantaleckerteller aus dem Lieblingsdongle, bei dem man den Doggy-Bag noch aus echtem Hundefell macht. Dort bürstet man ihn noch in die Richtung der Fellzeichnung, lobt man die Vielfalt der Auswahl, die man hätte, hätte man den Teigfladen doch aus Transnistrien bestellt, und nicht den Pantaleckerteller aus der Lieblingskimme.

Wenn man Menschen fragt, wie sie Menschen aus einem Kiez finden, dann sind sie nicht sehr angetan. Das tut Menschen aus einem Kiez weh. Daher ist das auch gut, das zu sagen. 

Alles, was Menschen aus einem Kiez wehtut, ist gut, daß man das sagt. Denn Menschen aus einem Kiez sind sehr verletzlich. Und dann sollte man diese verletzlichen Menschen verletzen. Denn Menschen aus einem Kiez ziehen ja aus einem Dorf, weil sie sehr verletzlich sind. Letztlich sind sie aus einem Dorf in einen Kiez in einem größeren Dorf gezogen.

Das macht sie größer verletzlich, als wären sie noch im Dorf, wo sie kleiner verletzlich wären. Und alles, was größer ist, ist besser, sagen auch schon Bäume. Man stelle nur ein kleines Bäumchen neben einen großen Baum, und dann sieht man, daß der große Baum besser ist als das kleine Bäumchen.

Niemand sollte den Versuch wagen, Größe mit Kleine zu vergleichen. Größe ist besser, Kleine ist schlechter. Die Größe braucht die Kleine nur zum Vergleich. Für mehr braucht man die Kleine nicht.

So, da daß jetzt geklärt ist, sollte man sich auch nicht weiter mit der Kleine beschäftigen, sondern nur mit der Größe. Die Größe ist eindeutig besser, weil sie Größe ist. Und alles, was größer im Vergleich zu einem selbst ist, ist eindeutig besser. Da aber der Mensch nicht wesentlich größer ist als ein anderer Mensch, begegnen Menschen aus einem Kiez diesem Problem auf kluge Art. Sie sind einfach größer. Menschen aus einem Kiez, die aus einem Dorf kommen, und in einen Kiez in einem größeren Dorf ziehen, ziehen dort als große Menschen ein. Der Kiez ist dort dann auf große Menschen eingerichtet.

Aus Platzmangel können die Kiezwohnungen nicht größer gemacht werden, aber sonst ist alles größer: Die Schokoriegel sind größer, die Sitze im öffentlichen Personennahverkehr sind größer, die Türen sind nicht größer, weil sie sonst die Menschen aus dem Kiez kleiner machen, wenn sie durch die Türen gehen, aber sonst ist alles größer. Auch die Verabredungen mit anderen Menschen sind größer, weil die Menschen aus einem Kiez größer sind. Die Gespräche sind größer, und ja, auch die Cappuccini sind größer, die man bei größeren Verabredungen beim größeren Barista bestellt, und haben größere Namen. Sie heißen dann Filterkaffee in einem großen Becher an großem Keks. Auch das Trinkgeld ist größer. Die Ergebnisse der Gespräche am großen Bistro-Tisch sind auch größer. Die Verabschiedungen bei den größeren Freunden sind auch größer. Und die Versicherungen, doch mal vorbei zu kommen und nicht wieder so lange bis zum nächsten Treffen zu warten, sind auch größer.

Alles ist größer. Und alles, was größer ist, ist eindeutig besser, wie schon das Beispiel mit dem großen Baum und dem kleinen Bäumchen eindrucksvoll zeigte. Auch die Liebe ist größer. Und die Vorlieben sind größer. Die Sehnsucht ist größer. Die Träume sind größer. Auch das Amüsement ist größer. Und die Dinge, die einem innewohnen sind natürlich auch größer.

Da aber auch da Platzmangel herrscht, wie schon bei den Kiezwohnungen, müssen die größeren Dinge, die einem innewohnen, ausziehen. In einen größeren Ort, der größer ist als der Kiez, der kleiner ist, weil er ja nicht ausreichend Platz bietet, für die Dinge, die einem größer innewohnen. 

Auch wenn natürlich das größere Ich schon groß ist, weil alles groß ist im Kiez. 

Die größeren Dinge, die einem innewohnen – und hoffentlich doch größere Miete zahlen – ecken an die inneren Wände des Ichs an, besser an den Körper von innen, und verletzen ihn.

Deshalb sind Menschen aus einem Kiez auch so verletzlich. Die Innendinge schaben an der Innenhaut. Und das tut weh. Und deshalb tut das größer weh. Und alles, was größer ist, ist besser. Weil alles größer im Kiez ist. Und deshalb tut das größer-besser weh.

Daher ist es gut, noch mehr in die Innenwohnung eines Menschen aus einem Kiez zu stellen, damit die Möbel innen noch mehr gegeneinander schaben und quietschen und scharren und knacken.


Menschen mögen sehr wandelbar sein. So, das wäre es schon. Mehr gibt es da nicht zu erzählen.





*




(Ode/r an die Kleinstadt, die man im Inneren des eigenen Körpers sorgfältig aufgebaut hat. – Herr Märklin und seine Eisenbahnen *

* Was für ein schöner Roman-Titel das wäre, über einen Menschen, der auszieht, umzieht, einzieht. Dieser Roman müßte aber noch ein bißchen Action haben, damit man ihn mit Liam Neeson als Serien-Umzieher verfilmen könnte. Auch sollte ein Hund eine Rolle spielen. Und eine mysteriöse Nachbarin, bei der Männer immer in die Kiezwohnung gehen. Aber keiner kommt je wieder heraus. Das ist der Catch des Films und die Auflösung ist verblüffend.

Man könnte den Film auch „All die schönen Menschen“ nennen. Und dann wäre die Auflösung noch verblüffender. Und Liam Neesons Erstaunen auch größer.)






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