Menschen mögen sehr wandelbar sein. So, das wäre es
schon. Mehr gibt es da nicht zu erzählen.
Menschen mögen sehr wandelbar sein, gibt es nicht mehr
zu erzählen, wenn sie von einem Dorf zum nächsten Kiez wandeln. Dort
eingezogen, gibt es nicht mehr zu erzählen, richten sie dann ihr Dorf im Kiez
ein. Und sind dann schon sehr stolz, gibt es nicht mehr zu erzählen, auf ihren
Kiez.
Sie loben dann die Vorteile: Daß man sehr viele
unterschiedliche Lieferdienste für sehr viele Geschmacksrichtungen zu sich nach
Hause bestellen kann. Wenn es unbedingt ein pankrautischer Teigfladen aus
Transnistrien sein soll, dann könnten sie ihn zu sich nach Hause bestellen.
Aber. Ist ein pankrautischer Teigfladen auch sehr umweltverträglich? Also
lieber nicht den transnistrischen Teigfladen bestellen. Lieber die Pasta Pantaleckerteller
aus dem Lieblingsdongle, bei dem man den Doggy-Bag noch aus echtem Hundefell
macht. Dort bürstet man ihn noch in die Richtung der Fellzeichnung, lobt man
die Vielfalt der Auswahl, die man hätte, hätte man den Teigfladen doch aus
Transnistrien bestellt, und nicht den Pantaleckerteller aus der Lieblingskimme.
Wenn man Menschen fragt, wie sie
Menschen aus einem Kiez finden, dann sind sie nicht sehr angetan. Das tut
Menschen aus einem Kiez weh. Daher ist das auch gut, das zu sagen.
Alles, was
Menschen aus einem Kiez wehtut, ist gut, daß man das sagt. Denn Menschen aus
einem Kiez sind sehr verletzlich. Und dann sollte man diese verletzlichen
Menschen verletzen. Denn Menschen aus einem Kiez ziehen ja aus einem Dorf, weil
sie sehr verletzlich sind. Letztlich sind sie aus einem Dorf in einen Kiez in
einem größeren Dorf gezogen.
Das macht sie größer verletzlich, als wären sie noch
im Dorf, wo sie kleiner verletzlich wären. Und alles, was größer ist, ist
besser, sagen auch schon Bäume. Man stelle nur ein kleines Bäumchen neben einen
großen Baum, und dann sieht man, daß der große Baum besser ist als das kleine Bäumchen.
Niemand sollte den Versuch wagen, Größe mit Kleine zu
vergleichen. Größe ist besser, Kleine ist schlechter. Die Größe braucht die
Kleine nur zum Vergleich. Für mehr braucht man die Kleine nicht.
So, da daß jetzt geklärt ist, sollte
man sich auch nicht weiter mit der Kleine beschäftigen, sondern nur mit der
Größe. Die Größe ist eindeutig besser, weil sie Größe ist. Und alles, was
größer im Vergleich zu einem selbst ist, ist eindeutig besser. Da aber der
Mensch nicht wesentlich größer ist als ein anderer Mensch, begegnen Menschen
aus einem Kiez diesem Problem auf kluge Art. Sie sind einfach größer. Menschen
aus einem Kiez, die aus einem Dorf kommen, und in einen Kiez in einem größeren
Dorf ziehen, ziehen dort als große Menschen ein. Der Kiez ist dort dann auf
große Menschen eingerichtet.
Aus Platzmangel können die Kiezwohnungen nicht größer
gemacht werden, aber sonst ist alles größer: Die Schokoriegel sind größer, die
Sitze im öffentlichen Personennahverkehr sind größer, die Türen sind nicht
größer, weil sie sonst die Menschen aus dem Kiez kleiner machen, wenn sie durch
die Türen gehen, aber sonst ist alles größer. Auch die Verabredungen mit
anderen Menschen sind größer, weil die Menschen aus einem Kiez größer sind. Die
Gespräche sind größer, und ja, auch die Cappuccini
sind größer, die man bei größeren Verabredungen beim größeren Barista bestellt, und haben größere
Namen. Sie heißen dann Filterkaffee in
einem großen Becher an großem Keks. Auch das Trinkgeld ist größer. Die Ergebnisse
der Gespräche am großen Bistro-Tisch sind auch größer. Die Verabschiedungen bei
den größeren Freunden sind auch größer. Und die Versicherungen, doch mal vorbei
zu kommen und nicht wieder so lange bis zum nächsten Treffen zu warten, sind
auch größer.
Alles ist größer. Und alles, was größer ist, ist
eindeutig besser, wie schon das Beispiel mit dem großen Baum und dem kleinen
Bäumchen eindrucksvoll zeigte. Auch die Liebe ist größer. Und die Vorlieben
sind größer. Die Sehnsucht ist größer. Die Träume sind größer. Auch das Amüsement ist größer. Und die
Dinge, die einem innewohnen sind natürlich auch größer.
Da aber auch da Platzmangel herrscht,
wie schon bei den Kiezwohnungen, müssen die größeren Dinge, die einem
innewohnen, ausziehen. In einen größeren Ort, der größer ist als der Kiez, der
kleiner ist, weil er ja nicht ausreichend Platz bietet, für die Dinge, die
einem größer innewohnen.
Auch wenn natürlich das größere Ich schon groß ist,
weil alles groß ist im Kiez.
Die größeren Dinge, die einem innewohnen – und hoffentlich doch größere Miete zahlen –
ecken an die inneren Wände des Ichs an, besser an den Körper von innen, und
verletzen ihn.
Deshalb sind Menschen aus einem Kiez auch so
verletzlich. Die Innendinge schaben an der Innenhaut. Und das tut weh. Und deshalb
tut das größer weh. Und alles, was größer ist, ist besser. Weil alles größer im
Kiez ist. Und deshalb tut das größer-besser weh.
Daher ist es gut, noch mehr in die Innenwohnung eines
Menschen aus einem Kiez zu stellen, damit die Möbel innen noch mehr
gegeneinander schaben und quietschen und scharren und knacken.
Menschen mögen sehr wandelbar sein. So, das wäre es
schon. Mehr gibt es da nicht zu erzählen.
*
(Ode/r
an die Kleinstadt, die man im Inneren des eigenen Körpers sorgfältig aufgebaut
hat. – Herr Märklin und seine Eisenbahnen *
*
Was für ein schöner Roman-Titel das wäre, über einen Menschen, der auszieht,
umzieht, einzieht. Dieser Roman müßte aber noch ein bißchen Action haben, damit man ihn mit Liam Neeson als Serien-Umzieher verfilmen könnte. Auch sollte ein Hund eine Rolle
spielen. Und eine mysteriöse Nachbarin, bei der Männer immer in die Kiezwohnung
gehen. Aber keiner kommt je wieder heraus. Das ist der Catch des Films und die Auflösung ist
verblüffend.
Man
könnte den Film auch „All die schönen Menschen“ nennen. Und dann wäre die Auflösung noch
verblüffender. Und Liam Neesons Erstaunen auch größer.)
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