Zweitziel:
Auf Wiedergeburt von Leihmutterkind von Celebrity hoffen
Erstziel:
Zweitziel anstreben
Es erschienen Werte wie Wunder zu sein, und in der
Erkenntnis, nur man selbst beachtete.
Und ich beachtete Gesagtes und Geschriebenes – o Wunder mein –, und in meiner
Erkenntnis fand ein klitzekleines Plätzchen Platz. Plätzchen, das ist nicht die
Verkleinerungsform von Keks, das ist ein Zwischenraum, der kleinen Platz für
Selbstbestätigung oder Mohnkrümel ließ, und befriedigend befreit, wenn er
geschaffen. Das war ein Satz.
Mit Komma, Strich und Punkt. Kleiner Absatz.
Smileys wurden erfunden, um selbst nicht mehr lächeln
zu müssen. Das Komma, um wie ein Liebhaber zu verschwinden. Mohnkrümel, um nie,
nie, nie wieder lächeln zu können.
Platz, das ist ein Zwischenraum, der
Platz für Selbstbestätigung oder Mohnkrümel ließ, biß man zuvor in ein
Mohnbrötchen hinein. Aus nichts anderem als niederen Motiven wie Hunger oder
Lebenswahl und bestätigte sich, daß da Platz war für Unbehagendes. Und man pult
und pult mit der Zunge, und pult und speichelt nach. Und bleibt er da? Und ja. Er bleibt da. Der Mohnkrümel will doch nur
den Zahnstick als zwingend züngelnden Liebhaber haben und nicht von Sanftem wie
meiner Zunge gerieben werden, die nur Worte der Sanftmut kennt. Und er nur
spitzes Stoßen mag. Und dann entfernt man ihn. Schaut noch mal kritisch nach,
kritischer als man gegen sich selbst ist zu allen Morgen und ist
selbstbestätigt selbstbefriedigt, wenn er sich entfernte. Und die Klotür knallt
gegen den Rahmen. Endlich wieder Platz.
Und so mag es auch mit
dem Komma sein. Ein Liebhaber, den man entfernen muß. Der jetzt nicht mehr
da sein soll, jetzt nicht mehr, aber eben doch, als man noch liebevoll ins
Mohnbrötchen biß. Und da noch gern. Oder ein Mohnkrümelchen ist. Und ein
Mohnkrümelchen ist nur gut, wenn es nicht mehr da oder da oder da ist.
Komma.
Ein zartes, verletzliches, schmales Mohnkrümelchen ist es zwischen den
selbstverständlich strahlend weißen Zähnchen, ohne die man heutzutage keine
Rolle mehr spielt oder keine Rolle mehr in einem Hollywood-Movie spielt, wenn man die Rolle unbedingt haben will,
aber unbedingt diese Beverly-Hills-Villa haben muß, die ein
klitzekleines Mützchen größer ist als die von der mit den nicht so weißeren,
weißen Zähnen. Und sich zwanzig Jahre später darüber beklagt, wie sehr man Tipi Hedren sei, und Hitchcock hätte ihr die Karriere
versaut. Und klagt in die Villa-Wände hinein oder in den gekauften Zoo, wie
schwer das Leben sei. Und Tränen heulen die Dolce-Gabbana-Tapeten
naß. Und daß selbstverständlich Männer für die Karriere einer emanzipierten
Frau zuständig seien. Und eine emanzipierte Frau nicht für die Karriere selbst.
Wie selbstverständlich nicht. Und klagt und weint und pult. In den weißen
Zahnzwischenräumen, die so viel Plätzchen –
kein Keks – fürs Träumen ließen. Und dort nur Wunden. Und die Karriere
verschwand wie ein Liebhaber, der die Plätzchen gleich mitgehen ließ. Und doch
kein Platz. Und man könnte ohne diesen, einen, verschwundenen Liebhaber nie,
nie, nie wieder lieben. Nie, nie, nie
wieder! Und hier nur Mohnkrümel. Und man könnte nie wieder lächeln. Nie, nie, nie wieder! Spielt aber eine
Rolle zwischen den Zahnspänen. Ist das
Komma das Krümelchen, das sichtbar die Zähnchen voneinander trennt. Zählt
es sie der Reihe nach auf. Trennt die Zahnleiber von den Toten. Erinnert an die
liebenden Lebenden.
Ja, sehr wohl. Von
den Toten! Ich möchte vom Aufzählungskomma
berichten.
Von echter Pein. Und immer, wenn man berichtet, ist es
wie ein Auszug aus einem Kriegstagebuch. Ein Kriegstagebuch, in dem man
niederschrieb, wie sehr man doch diesen Krieg überlebt, während man ihn stirbt.
Das Aufzählungskomma stirbt. Und ich
halte – am Schlachtes Felde Rande – tröstend
sein kleines, schwarzes, siechendes, gekrümmtes, verschmerztes Schwänzchen. Des
verschmähten Liebhabers des Wortes. Bevor es für immer als Mahnmal neben dem
Schlachtfeld begraben sein wird. In den Boden gerammt, aufragend. Schwärzlich
Leben mahnend. Tot. Nach oben zeigend. Und der Himmel wimmert. Und blaues Wummern
aus den Wolken. Und verschimmernd zwischen den Baumstäben. Und zwischen den
Baumstämmen steht es da, seitlich der Feldnaht, reglos. Wie ein Chamäleon steht
es nun dazwischen.
Was hieße, daß es doch noch lebte? Ach, Hoffnung, ja? Wiedergeboren als Tier? Im moleskinen Kleide?
Was hieße, daß es doch noch lebte? Ach, Hoffnung, ja? Wiedergeboren als Tier? Im moleskinen Kleide?
Und doch steht es nun dazwischen, um nicht mehr
gesehen zu werden – von Dir, Du Schurke
–, zwischen all den dünnen Baumstammstämmen, weiß und abgestorben Sein
vorgebend, weil es nicht mehr gestorben werden will. Und nur noch lebt, weil es
für sich Lebmal lebt. Und sich weiß unsichtbar macht.
Ist
es zu schwarz das Plätzchen zwischen den Buchstabenworten? Ist es wie ein
Mohnkrümelchen zwischen den Zähnen? Ist es wie gelbe Zähne in Hollywood?
„Du schreibst das Aufzählungskomma nicht mehr!“,
platzt es aus mir heraus.
„Du Schuft!“, schreie ich.
Wütend wische ich mir mit dem Handrücken die vor
Unbill nässend nüsternde Nase.
„Du Mörder.“
Dafür brauche ich kein Ausrufezeichen. Das sage ich
zischend. Leise. Fast schon hauchend. Das verstärkt noch die Wirkung. Dann gehe
ich die Steigerung durch:
„Du Bösewicht! Du Nachbar! Du-Vor-Mir-An-Der-Kasse-Steher!
Du Mit-Mir-Im-Bus-Sitzer!“
Das, ja, das ist das Schlimmste, was man einem
Menschen ins chamäleonisierte Gesicht noch schleudern kann, in dieser heutzutage
gesichtslosen, nur im Internet – nach
vielen Posen und Kameraklickgeräuschen vom Handy wie Applaus –
gesichtsvollen, lächelnden Zeit.
„Du sitzt neben mir im Bus, lächelst nicht und weißt
noch nicht einmal, daß das Aufzählungskomma neben Dir stirbt! Später, ja,
später lächelst Du in Dein Handy! Später, ja, später stirbt es auf Deinem
Handy. Dann lächelst Du selbst nicht mehr fürs Handy. Dann stirbt das Handy
Deinen Tod und lebt Dein Leben. Es hat sich für Dich aufgeopfert!“, blaffe ich
meinem Busnachbar an. „Wie oft hat es seinen Leib, diesen kleinen, schwarzen,
krummen Leib für Dich hingegeben! Du Smileyist! Rassist wider dem
hilfsbedürftigsten aller Satzzeichen!“
Es scheint ihn nicht im Geringsten zu interessieren.
So ist diese Zeit. Ungläubig wende ich mich ab.
„Es geschieht schon bei Überschriften.“, sage ich
meinem Busscheibenspiegelbild. Es nickt mich an. Ich achte nicht darauf, zu
flüstern. Es soll jeder erfahren.
„Ja. Schon da!“
Ein kleines, dickes, dünnes, großes, übermütiges Aufzählungskomma. Das ist doch nicht zu
viel verlangt.
„Mehr verlange ich nicht von Deinem Leben.“
Für mein kleines, dickes, dünnes, großes, übermütiges
Leben verlange ich nicht mehr. Was man von anderen verlangt, ist, was man
selbst bereit ist, zu geben.
Für jeden Satz stirbt ein Komma.
Für jeden Satz starb ein Komma. Das klingt besser. Das
klingt nach WWF-Roter-Liste. Nach in Brand gesteckte UNESCO-Weltkulturerbe-Stätte.
Kommas sterben von sich alleine. Nur die Wörter
bleiben lebend.
„Vielleicht sind die Toten nur Chamäleons.“, habe ich freche
Hoffnung. Sie beobachten uns.
Und wir tun nichts, ich meine, wirklich nichts, um sie
zu amüsieren.
*
(Ode/r
an Zweitthema: „Auf Wiedergeburt von Leihmutterkind von Celebrity hoffen. Als
Celebrity-Kind muß man nicht lächeln können. Laut sagen: „Man muß auch nicht
lesen und schreiben können als Celebrity-Leihmutterkind.“ Arsch bleachen
lassen. Dort schaut ein People-Magazine als erstes rein. Zumindest ist dann ein
Arsch mächtig weiß berühmt. Handy zücken. Zähne runterschlucken. Hungern.
Sterben. Zähne wieder ausscheißen. Photo in den Himmel-Drive uploaden. Im
Himmel lächeln sie alle. Wiederauferstehung per Like-per-Minute. 15-minütiges Clickbait-Video
auf Youtube hochladen mit Titel: ‚My brand new [insert Logo] killed an opossum!!!‘
14 Minuten labern, Straße entlang laufen, im Auto fahren, aussteigen, Straße labernd
entlang laufen. 1 Minute Opossum filmen, wie es über die Straße läuft, nicht
gekillt wird. Thank you for your support supporten. And don‘t forget to
subscribe. And thanks to all my followers. Without you, I wouldn‘t be the
person you wish I wish I should be wishing. Innerlich die Liste der Kardashians
durchgehen, die noch kein Leih-Kind aus dem Bauch einer verarmten, aber gerne
reichen Mutter herausgekauft haben. Horror-Frauen schneiden sie gleich mit
einem Messer aus dem Leib. Sich auf Liste setzen. Dann Celebrity-Kind-Celebrity
sein. Nie dumm lächeln. Lächeln ist was für Normalos. ‚Hallo Ihr Lieben‘ sagen.
Diesen verliebten Einführungssatz zweimal auswendig lernen. Für die Länge eines
Smoothies zweifeln. Was, wenn Leihmütter-Kinder gar nicht berühmt sein wollen?“
Zweitthema schließen. Erstziel widmen. Die Mohnbrötchenkrise weiter beobachten.)
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