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Miniaturen des Absurden

Betrete mit der Miene der Abfälligkeit und erhalte Einlaß

Vom Jardin du Luxembourg zum Panthéon brauchte es schon mehr als platonisches Innehalten, um sich Gehör für Gesehenes zu verschaffen. Da...

Donnerstag, 18. Januar 2018

Die Mohnbrötchenkrise weiter beobachten


Zweitziel: Auf Wiedergeburt von Leihmutterkind von Celebrity hoffen
Erstziel: Zweitziel anstreben

Es erschienen Werte wie Wunder zu sein, und in der Erkenntnis, nur man selbst beachtete.

Und ich beachtete Gesagtes und Geschriebenes – o Wunder mein –, und in meiner Erkenntnis fand ein klitzekleines Plätzchen Platz. Plätzchen, das ist nicht die Verkleinerungsform von Keks, das ist ein Zwischenraum, der kleinen Platz für Selbstbestätigung oder Mohnkrümel ließ, und befriedigend befreit, wenn er geschaffen. Das war ein Satz.

Mit Komma, Strich und Punkt. Kleiner Absatz.

Smileys wurden erfunden, um selbst nicht mehr lächeln zu müssen. Das Komma, um wie ein Liebhaber zu verschwinden. Mohnkrümel, um nie, nie, nie wieder lächeln zu können.

Platz, das ist ein Zwischenraum, der Platz für Selbstbestätigung oder Mohnkrümel ließ, biß man zuvor in ein Mohnbrötchen hinein. Aus nichts anderem als niederen Motiven wie Hunger oder Lebenswahl und bestätigte sich, daß da Platz war für Unbehagendes. Und man pult und pult mit der Zunge, und pult und speichelt nach. Und bleibt er da? Und ja. Er bleibt da. Der Mohnkrümel will doch nur den Zahnstick als zwingend züngelnden Liebhaber haben und nicht von Sanftem wie meiner Zunge gerieben werden, die nur Worte der Sanftmut kennt. Und er nur spitzes Stoßen mag. Und dann entfernt man ihn. Schaut noch mal kritisch nach, kritischer als man gegen sich selbst ist zu allen Morgen und ist selbstbestätigt selbstbefriedigt, wenn er sich entfernte. Und die Klotür knallt gegen den Rahmen. Endlich wieder Platz.

Und so mag es auch mit dem Komma sein. Ein Liebhaber, den man entfernen muß. Der jetzt nicht mehr da sein soll, jetzt nicht mehr, aber eben doch, als man noch liebevoll ins Mohnbrötchen biß. Und da noch gern. Oder ein Mohnkrümelchen ist. Und ein Mohnkrümelchen ist nur gut, wenn es nicht mehr da oder da oder da ist.

Komma. Ein zartes, verletzliches, schmales Mohnkrümelchen ist es zwischen den selbstverständlich strahlend weißen Zähnchen, ohne die man heutzutage keine Rolle mehr spielt oder keine Rolle mehr in einem Hollywood-Movie spielt, wenn man die Rolle unbedingt haben will, aber unbedingt diese Beverly-Hills-Villa haben muß, die ein klitzekleines Mützchen größer ist als die von der mit den nicht so weißeren, weißen Zähnen. Und sich zwanzig Jahre später darüber beklagt, wie sehr man Tipi Hedren sei, und Hitchcock hätte ihr die Karriere versaut. Und klagt in die Villa-Wände hinein oder in den gekauften Zoo, wie schwer das Leben sei. Und Tränen heulen die Dolce-Gabbana-Tapeten naß. Und daß selbstverständlich Männer für die Karriere einer emanzipierten Frau zuständig seien. Und eine emanzipierte Frau nicht für die Karriere selbst. Wie selbstverständlich nicht. Und klagt und weint und pult. In den weißen Zahnzwischenräumen, die so viel Plätzchen – kein Keks – fürs Träumen ließen. Und dort nur Wunden. Und die Karriere verschwand wie ein Liebhaber, der die Plätzchen gleich mitgehen ließ. Und doch kein Platz. Und man könnte ohne diesen, einen, verschwundenen Liebhaber nie, nie, nie wieder lieben. Nie, nie, nie wieder! Und hier nur Mohnkrümel. Und man könnte nie wieder lächeln. Nie, nie, nie wieder! Spielt aber eine Rolle zwischen den Zahnspänen. Ist das Komma das Krümelchen, das sichtbar die Zähnchen voneinander trennt. Zählt es sie der Reihe nach auf. Trennt die Zahnleiber von den Toten. Erinnert an die liebenden Lebenden.

Ja, sehr wohl. Von den Toten! Ich möchte vom Aufzählungskomma berichten.

Von echter Pein. Und immer, wenn man berichtet, ist es wie ein Auszug aus einem Kriegstagebuch. Ein Kriegstagebuch, in dem man niederschrieb, wie sehr man doch diesen Krieg überlebt, während man ihn stirbt.

Das Aufzählungskomma stirbt. Und ich halte – am Schlachtes Felde Rande – tröstend sein kleines, schwarzes, siechendes, gekrümmtes, verschmerztes Schwänzchen. Des verschmähten Liebhabers des Wortes. Bevor es für immer als Mahnmal neben dem Schlachtfeld begraben sein wird. In den Boden gerammt, aufragend. Schwärzlich Leben mahnend. Tot. Nach oben zeigend. Und der Himmel wimmert. Und blaues Wummern aus den Wolken. Und verschimmernd zwischen den Baumstäben. Und zwischen den Baumstämmen steht es da, seitlich der Feldnaht, reglos. Wie ein Chamäleon steht es nun dazwischen. 

Was hieße, daß es doch noch lebte? Ach, Hoffnung, ja? Wiedergeboren als Tier? Im moleskinen Kleide?

Und doch steht es nun dazwischen, um nicht mehr gesehen zu werden – von Dir, Du Schurke –, zwischen all den dünnen Baumstammstämmen, weiß und abgestorben Sein vorgebend, weil es nicht mehr gestorben werden will. Und nur noch lebt, weil es für sich Lebmal lebt. Und sich weiß unsichtbar macht.

Ist es zu schwarz das Plätzchen zwischen den Buchstabenworten? Ist es wie ein Mohnkrümelchen zwischen den Zähnen? Ist es wie gelbe Zähne in Hollywood?

„Du schreibst das Aufzählungskomma nicht mehr!“, platzt es aus mir heraus.

„Du Schuft!“, schreie ich.

Wütend wische ich mir mit dem Handrücken die vor Unbill nässend nüsternde Nase.

„Du Mörder.“

Dafür brauche ich kein Ausrufezeichen. Das sage ich zischend. Leise. Fast schon hauchend. Das verstärkt noch die Wirkung. Dann gehe ich die Steigerung durch:

„Du Bösewicht! Du Nachbar! Du-Vor-Mir-An-Der-Kasse-Steher! Du Mit-Mir-Im-Bus-Sitzer!“

Das, ja, das ist das Schlimmste, was man einem Menschen ins chamäleonisierte Gesicht noch schleudern kann, in dieser heutzutage gesichtslosen, nur im Internet – nach vielen Posen und Kameraklickgeräuschen vom Handy wie Applaus – gesichtsvollen, lächelnden Zeit.

„Du sitzt neben mir im Bus, lächelst nicht und weißt noch nicht einmal, daß das Aufzählungskomma neben Dir stirbt! Später, ja, später lächelst Du in Dein Handy! Später, ja, später stirbt es auf Deinem Handy. Dann lächelst Du selbst nicht mehr fürs Handy. Dann stirbt das Handy Deinen Tod und lebt Dein Leben. Es hat sich für Dich aufgeopfert!“, blaffe ich meinem Busnachbar an. „Wie oft hat es seinen Leib, diesen kleinen, schwarzen, krummen Leib für Dich hingegeben! Du Smileyist! Rassist wider dem hilfsbedürftigsten aller Satzzeichen!“

Es scheint ihn nicht im Geringsten zu interessieren. So ist diese Zeit. Ungläubig wende ich mich ab.

„Es geschieht schon bei Überschriften.“, sage ich meinem Busscheibenspiegelbild. Es nickt mich an. Ich achte nicht darauf, zu flüstern. Es soll jeder erfahren.

„Ja. Schon da!“

Ein kleines, dickes, dünnes, großes, übermütiges Aufzählungskomma. Das ist doch nicht zu viel verlangt.

„Mehr verlange ich nicht von Deinem Leben.“

Für mein kleines, dickes, dünnes, großes, übermütiges Leben verlange ich nicht mehr. Was man von anderen verlangt, ist, was man selbst bereit ist, zu geben.

Für jeden Satz stirbt ein Komma.

Für jeden Satz starb ein Komma. Das klingt besser. Das klingt nach WWF-Roter-Liste. Nach in Brand gesteckte UNESCO-Weltkulturerbe-Stätte.

Kommas sterben von sich alleine. Nur die Wörter bleiben lebend.


„Vielleicht sind die Toten nur Chamäleons.“, habe ich freche Hoffnung. Sie beobachten uns.

Und wir tun nichts, ich meine, wirklich nichts, um sie zu amüsieren.





*





(Ode/r an Zweitthema: „Auf Wiedergeburt von Leihmutterkind von Celebrity hoffen. Als Celebrity-Kind muß man nicht lächeln können. Laut sagen: „Man muß auch nicht lesen und schreiben können als Celebrity-Leihmutterkind.“ Arsch bleachen lassen. Dort schaut ein People-Magazine als erstes rein. Zumindest ist dann ein Arsch mächtig weiß berühmt. Handy zücken. Zähne runterschlucken. Hungern. Sterben. Zähne wieder ausscheißen. Photo in den Himmel-Drive uploaden. Im Himmel lächeln sie alle. Wiederauferstehung per Like-per-Minute. 15-minütiges Clickbait-Video auf Youtube hochladen mit Titel: ‚My brand new [insert Logo] killed an opossum!!!‘ 14 Minuten labern, Straße entlang laufen, im Auto fahren, aussteigen, Straße labernd entlang laufen. 1 Minute Opossum filmen, wie es über die Straße läuft, nicht gekillt wird. Thank you for your support supporten. And don‘t forget to subscribe. And thanks to all my followers. Without you, I wouldn‘t be the person you wish I wish I should be wishing. Innerlich die Liste der Kardashians durchgehen, die noch kein Leih-Kind aus dem Bauch einer verarmten, aber gerne reichen Mutter herausgekauft haben. Horror-Frauen schneiden sie gleich mit einem Messer aus dem Leib. Sich auf Liste setzen. Dann Celebrity-Kind-Celebrity sein. Nie dumm lächeln. Lächeln ist was für Normalos. ‚Hallo Ihr Lieben‘ sagen. Diesen verliebten Einführungssatz zweimal auswendig lernen. Für die Länge eines Smoothies zweifeln. Was, wenn Leihmütter-Kinder gar nicht berühmt sein wollen?“ Zweitthema schließen. Erstziel widmen. Die Mohnbrötchenkrise weiter beobachten.)





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