"Hallo" ist das Pfandleihhaus des "Aufwiedersehn"...



Miniaturen des Absurden

Betrete mit der Miene der Abfälligkeit und erhalte Einlaß

Vom Jardin du Luxembourg zum Panthéon brauchte es schon mehr als platonisches Innehalten, um sich Gehör für Gesehenes zu verschaffen. Da...

Dienstag, 20. Februar 2018

„Die Liebe erscheint nur denjenigen unbequem, die sie anstreben.“


Dies ist von mir. Von mir ist auch: „Was ist schneller als Licht? Die Liebe! Sie erreicht einen schon, bevor man sie erblickt.“

Aber auch von mir ist: „Ich lebe ja nicht für die Bedürfnisse anderer.“

Und von mir ist auch sonst nichts.

Ich erblickte die Liebe vor einem Museum, etwas davor, und, zwei Augenblicke dahinter, dahinter vor einer Überführung. Museum und Überführung, dort erblickte ich die Liebe. „Etwas zu früh.“, dachte ich. Es war ja noch Winter, Museum. Etwas zu spät – es war ja noch nicht Frühling –, für die Überführung. Die Frau knipste erst ihren Boyfriend, auflächelnd. Dann knipste der Mann seine Girlfriend, auflächelnd. Natürlich bin ich mir der gesellschaftlichen Ausgrenzung bewußt, die damit einhergeht: Ich lächelte für die beiden mit.

Zwanzig Schritte später ging ich in meiner gesellschaftlichen Ausgrenzung noch weiter: Nämlich zwanzig Schritte. Ein Pärchen, händchenhaltend, kam mir entgegen. Und auch da konnte ich nicht anders, als mich für die beiden zu freuen. Dann kam die Überführung und ich bog zur Praxis meines Psychiaters ein.

Hatte ich schon erwähnt, daß ich mittlerweile die Gedanken anderer ignoriere, in deren Augen ich etwas sein müßte? „Du bist alles, was Du in mir findest.“, denke ich immer dabei. „Nur könnte es Dich erschrecken, was Du dabei in Dir selbst entdeckst.“ Dann lache ich auf. Lache doch auch auf. Ich habe meinen Frieden mit mir gemacht. Andere müssen ihre Kriege noch führen.

Den Krieg mit sich zu führen ist erst mal nichts Verwerfliches. Es schwingt nur immer der Vorwurf mit, man müßte mit jemanden kämpfen. An seiner Seite. Und dann besiegt man gemeinsam die gegnerischen Truppen. Und dann schließt man sich im errungenen Frieden in die Arme und wiegt sich am Marktplatz vor einem Brunnen. Und über einem Feuerwerk. Und es ist Toscana und irgendjemand bereitet Tische, von irgendwo her kommen Tischtücher, Teller, Lachen, Wein in Flachen ohne Etikett, volle Schüsseln mit Spaghetti und Töpfe mit roten Saucen. Und dann sitzt man in trauter Runde, die Ellbogen auf den Tischkanten, die abgeklappten Hände vor dem Kinn, darüber das stille Lächeln, schaut sich um, und der Glanz in den Augen, das sind die Lampions, und niemals, niemals darf die laue Nacht in Wärme enden.

Natürlich bin ich mir der gesellschaftlichen Ausgrenzung bewußt: Ich lächelte für die zwei Pärchen mit.

„Aber für mich ist das nicht mehr nichts.“, dachte ich dann. Und es lag keine Bitternis in meinen Worten.

Die Liebe erscheint nur denjenigen unbequem, die sie anstreben.

Ich bin mir meiner gesellschaftlichen Verantwortung natürlich bewußt, Erwartungen bei sich zufällig Vorbeilaufenden zu erfüllen. Und denke manchmal an die, an denen ich zufällig vorbeigelaufen bin. Natürlich war ich dann nicht ausgeschlafen oder schlagfertig sympathisch vorbereitet oder sonst wie komisch. Ich verdränge diese zufälligen Begegnungen und hoffe, daß diejenigen diese Begegnung auch verdrängen. Ich hoffe nicht, daß sie mir heimlich auf diesem Spaziergang – und nichts anderes ist dieser Ort hier, ein See, an den ich manchmal spazieren gehe, wenn ich zu faul bin, an den See vor meiner Tür zu gehen – folgen.

„Ich erfülle keine Erwartungen.“, sage ich dann immer. Und will es auch nicht.

Man schwimmt, indem man verdrängt. Verdränge das Wasser, dann gehst Du nicht unter. Und ich meine das wirklich so, wie ich das schreibe: Verlasse diesen Ort hier. Er wird Dir keinen Nutzen bringen. Er wird Dir nicht gut tun. Suche Dir einen anderen See. Dort schwimme, indem Du Wasser verdrängst.

Natürlich ist es dafür noch zu kalt. Das Wasser, denke ich

Ich freue mich immer, wenn ich verliebte Pärchen sehe.

„Aber für mich ist das nichts.“, sage ich dann und lasse mir das Freuen auch nicht ausreden.
Ich freue mich, wenn ich mich freue.

Ich habe meinen Frieden mit mir geschlossen, sterben muß ich deshalb noch nicht. Was andere darunter verstehen, wie sie „zu leben“ definieren, muß für mich noch kein Auftrag sein, genauso zu leben. Ich bin froh, einen Platz zu haben, still spazieren zu gehen. Mich zu freuen, mich aufzuregen, was ich nur lachend tue, wenn Menschen ernste Dinge sagen, die mich zum Lachen bringen und sie nicht. Ich spaziere alleine. Oder ich liege alleine. Einsam bin ich dabei nie.

Vielleicht bekümmert es mich, daß wenig gesagt wird, von sich selbst, und nur gerne von anderen. Das Selbst derer scheint nur wertvoll zu sein, klatscht man es anderen ins Gesicht. Ohne über sich selbst zu erzählen. Was soll’s. Manchmal inspiriert mich das, dies ins Absurde zu ziehen.

Ich lache viel dabei und das meiste Lachen speist sich aus der Erkenntnis, daß andere nicht dabei lachen und sich freuen, wenn sie von Wichtigem berichten. Dann stelle ich mir vor, mich von hinten dazuzugesellen und sie unerwartet einfach mal durchzukitzeln. Ja, auch die Füße! Mit ernster Miene versuchen sie sich gegen das Lachen zu sträuben, weil es ja so wichtig und ernst ist, was sie gerade machen, und ich störe dabei mit meinem Kitzeln, aber dann geben sie sich dem hin, ach, egal, erst mal lachen. Zugrunde gehen kann ich ja noch später.

„Zugrunde gehen kannst Du noch später.“, sagst Du dann. „Ich verdränge Wasser, dann kann ich schwimmen. Später, später. Zugrunde gehen kann ich auch noch später. Jetzt habe ich erst noch was Unwichtigeres zu erledigen.“

Im Sommer nehme ich mir vor, schwimmen zu gehen. Alleine. Ich wünsche jedem einen See.


Die Sorgen treiben oben, kann ich versprechen.





*




(Ode/r „Natürlich bin ich mir der gesellschaftlichen Ausgrenzung bewußt, nicht unterzugehen. Die Freude des einen ist immer der Ärger der anderen. Aber auch das kann einem Freude bereiten: „Erzähle mir eine Geschichte, dann habe ich was zum Erzählen.“)





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