"Hallo" ist das Pfandleihhaus des "Aufwiedersehn"...



Miniaturen des Absurden

Betrete mit der Miene der Abfälligkeit und erhalte Einlaß

Vom Jardin du Luxembourg zum Panthéon brauchte es schon mehr als platonisches Innehalten, um sich Gehör für Gesehenes zu verschaffen. Da...

Freitag, 22. Mai 2015

Zwölf Männer fingen einen Floh


Sie fingen ihn gleich so:

Der Erste schnappte ernst nach Luft – und fing ihn mit den Fingern ein.
Der Zweite tat es ihm mit einem Schnippen gleich.

Der Floh sagte erst „Hallo“, sah sich um – schon war er wieder auf dem Sprung.

Der Dritte wollte anders sein. Und schaute dem Vierten in die Wäsche rein.
Es juckte und er kratzte.

Der Floh sagte erst „Hallo“, sah sich um – schon war er wieder auf dem Sprung.

Der Fünfte nahm ein Glas zur Hilfe, stülpte es dann über.
Vergaß, es auszuleeren. Schon war seine Chance wieder rum.
Der Sechste setzte eine Lupe drüber: Der Floh badete im See der Gefühle.
In fetter Milch, auf einer Rahmblase und winkte.

Erst sagte er „Hallo“, sah sich um – schon war er wieder auf dem Sprung.

Der Siebte wollte schneller sein. Und setzte sich ans Schießgewehr – pa-pa-peng!
Der Achte dachte, er sei schon wer …und stellte sich davor – pa-pa-plumms!

Erst sagte der Floh „Hallo“, sah sich um – schon war er wieder auf dem Sprung.

Der Neunte brauchte mehr: Beim zweiten Schnall – ein Fall.
Der Zehnte nutzte sein Gespür für Stille, der Elfte für die Hälfte einer Pille.
Der Zwölfte elf der Arten wie zuvor.

Der Floh war immer höflich und sagte: „Hallo“.

Sah sich um – schon war er wieder auf dem Sprung.

Nur einer fing den Floh nun wirklich.

Nur der eine Hund – ein Streuner, treuer Wegbeschleuniger – war wirklich schlau.
Sein Köpfchen hell.

Er ließ den Floh einfach…

…in sein Fell.


Erst sagte der Floh: „Hallo“,
Dann: „Hier gefällt es mir!“
Winkend biß er in den Wedelschwanz hinein.

Auch der Hund war höflich,
Sagte schon „Hallo“ und sah sich um.
Er wartete, bis alle Zwölfe in seine Richtung staunten.

„Als Bissen gefällst Du mir!“, raunte er.

„Hüpf! Hüpf!“


Und drückte seine Schnauze rein.







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Montag, 4. Mai 2015

Andorra


Es gibt Orte, die bezirzen mit nichts als ihrem picture perfect Style. Paris ist so ein Ort. Zumindest jenseits der Vororte. Die Pont des Arts war es mal. Bevor all die Liebesschlösser ihre Last auf die Schultern dieser Brücke entluden. Oder Las Terrenas. Mit diesen Korallenriffen, die so surreal unter Wasser schwebten. Oder Aspendos. Zurückversetzt in eine Zeit der Antike. Oder Langkawi. Mit seiner gelassenen Schwüle.

Und es gibt Andorra.

Andorra ist der bizarrste Ort, den ich je aufgesucht habe. Von San Sebastian kommend Richtung Carcassonne, am Fuße der Pyrenäen entlang, die ihre Zehen tief in die Südsonne krallten, bogen wir kurzentschlossen ab, wohl weil wir wahrscheinlich nie wieder die Gelegenheit nutzen würden, diesen Ort zu besuchen, und fuhren die steile Straße in die Berge hinauf, ohne zu wissen, daß die besten Fritten unseres Lebens auf uns warteten. Karges Grün um uns herum, Geier über unseren Köpfen, die so aussahen wie Adler, und dann inmitten dieser Stille, die nur die Pyrenäen ausstrahlen – ein Stau. Lauter Franzosen, die in Andorra billig einkaufen wollten. Benzin vor allen Dingen, war Andorras erster Eindruck, der einer Tankstelle. Aber vielleicht tat ich den anderen ja Unrecht, vielleicht wollten auch sie nur diese unwiderstehlichen Fritten essen, die in Andorra La Vella bei McDonald’s auf uns warteten. Da reist man um die halbe Welt und wo geht man essen? Bei McDonald’s. In Thailand gab es mal einen skurrilen Reisburger. Oben Reis, in der Mitte das Fleisch und unten wieder Reis. Das alles in Form eines Burgers. Und geschmeckt hat er auch nicht wirklich.

Andorra begrüßte uns mit bunt gekleideten Menschen, dort im Tal, die so bunt waren, wie man sich lebendig gewordene Menschen aus Tim und Struppi-Comics vorstellte. Daher das Bizarre. Und diese begrüßten uns, als wären wir aus dem s/w von Tote tragen keine Karos entsprungen. So verschiebt man seine Perspektive. Und begrüßte mit dem Nichts der Lässigkeit bekleidet, die man trägt, wenn man ungesehen aus der Morgendusche steigt. Aber wo war ich? Ach ja. Bei den Fritten. Die Fritten bei McDonald’s in Andorra La Vella waren dicke Scheiben, die man mit Schale frittierte. Und die eine Würze hatten, die benommen machte. Die man mit hungrigen Fingern aß und die man schon, da man sie gegessen hatte, nochmal essen wollte. So unwiderstehlich waren sie. Ähnliches geschieht nur bei Rouladen mit Rotkohl und Klößen und dicker, fetter, dunkler Soße. Menschen dagegen – und verheißt ihre Fast-Food-Gefühle-Verpackung noch so Appetitliches – sind für mich nicht unwiderstehlich. Sie erinnern mich immer an den faden, geschmacklosen Reisburger in Thailand. Sie verlangen den vollen Preis, doch bleiben den Geschmack der Exotik schuldig. Sie geben vor, andorranische Fritten zu sein oder Saté aus gegrilltem Hühnchenfleisch mit Minzsoße, aber sind doch nur mürrische Ackerrüben aus deutschen Landen.

Tim und Struppi-Menschen, Fritten. Mehr braucht es nicht, um sich wegzuwünschen.


Andorra war der bizarrste Ort, den ich je besucht habe.







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