"Hallo" ist das Pfandleihhaus des "Aufwiedersehn"...



Miniaturen des Absurden

Betrete mit der Miene der Abfälligkeit und erhalte Einlaß

Vom Jardin du Luxembourg zum Panthéon brauchte es schon mehr als platonisches Innehalten, um sich Gehör für Gesehenes zu verschaffen. Da...

Mittwoch, 20. Dezember 2017

"Ich tapeziere gerade meine Augen.", so stelle ich mir das vor. Ja, genau so.


Gestern, ich fuhr gerade im Bus, da saß eine Frau vor mir.

Und so beginnen eigentlich Geschichten.

Nun, jemand hinter mir pfiff.
Und wenn Menschen im Bus pfeifen, dann drehe ich mich selbstverständlich nicht um. Menschen sollte man selbstverständlich nicht wahrnehmen, wenn man im Bus sitzt, wenn man selbst selbstverständlich nicht wahrgenommen werden will.
Nun aber, die Frau vor mir drehte sich um. Sie wollte wohl selbstverständlich wissen, wer denn da beständig pfeift. Und vielleicht drehen sich auch selbstverständlich nur Frauen um, wenn gepfiffen wird.

Was weiß ich.

Ich weiß selbstverständlich nicht, auf was Frauen trainiert sind. Vielleicht sind Frauen darauf konditioniert, sich bei Geräuschen umzudrehen. Vielleicht haben ihre Mütter immer gepfiffen, wenn es Essen gab. Und drehen sich deshalb um, wenn gepfiffen wird, weil sie genau einmal am Tag Hunger haben.
Und das Pfeifen erinnert sie daran, jetzt genau in diesem Moment, wenn gepfiffen wird, Hunger zu haben.

Ich kenne mich nicht mit Menschen aus.

Weshalb ich wohl auch selbstverständlich nicht pfeifen kann. Erwäge aber selbstverständlich ernsthaft eine Trillerpfeife als Weihnachtsgeschenk für mich, die mich daran erinnert, wenn ich hineinpfeife, daß ich Hunger habe. Was auch den Magen entlasten würde, diese selbstverständlich ungedankte Aufgabe zu übernehmen.

Und es interessiert mich auch selbstverständlich weiter nicht, Essen schon, selbst wenn ich selbstverständlich aus der Zeitung erfahren muß, daß es nun Menschen geben muß, da man sie gerade erst entdeckt hat.
Und man ist noch ganz erstaunt, selbstverständlich, und beschreibt die eigene Erstaunung in langen, ausgiebig recherchierten Artikeln, gerade eben Menschen entdeckt zu haben. Als wäre es das Selbstverständliche der Welt. Deshalb stehen Menschen wohl ausgiebig in der Zeitung.

Vielleicht sind Menschen ja Essen. Was man neu entdeckt hat. Oder es wird davor gewarnt, Menschen zu essen - wegen den selbstverständlichen Nebenwirkungen, gerade jetzt in der Weihnachtszeit, noch mehr Nahrung als nötig zu sich zu nehmen -, selbst wenn gepfiffen wird, oder man weiß jetzt noch nicht so recht, was man mit Menschen anfangen soll, die gerade entdeckt wurden. Werden die jetzt für immer auf diesem Planeten bleiben?

Nun schaute mich aber diese Frau an, und sie hatte schwarze Augen.

Frauen - wie selbstverständlich - kannte ich schon aus wissenschaftlichen Entdeckungen.

Und wir sahen für eine Weile hinein, bis ich wegsah. Selbstverständlich. Und sie länger hinsah. Und so beenden sich wohl Geschichten.

Was mir recht erschien, denn ich will selbstverständlich keine Geschichten mehr beginnen.

Und ich selbstverständlich in die spiegelnde Busscheibe schaute, in die man schaut, um andere Menschen zu bestaunen, die man schon aus wissenschaftlichen Publikationen her kannte, und sie daran erkannte, sie schon in Beschreibungen gelesen zu haben, daß es sie geben soll - Menschen -, wenn es selbstverständlich draußen dunkel ist und innen hell, und wenn es draußen auf der Straße dunkel ist und innen hell im Bus.

Und es war so komisch. So schwarze Augen zu sehen. So direkt.
In so schwarze Augen zu blicken.
Und nichts zu empfinden.

Ich hielt braune Augen eigentlich immer für schön. Wie selbstverständlich.
In den üblichen Depiktionen, die man von wissenschaftlichen Publikationen kennt, in denen Menschen gezeigt werden, die man gerade erst entdeckt hat, und daher ausgiebig wissenschaftlich beschreibt, weil man Menschen gerade wie selbstverständlich erst entdeckt haben muß, und es müssen deshalb wohl wie selbstverständlich wissenschaftliche Publikationen sein, die selbstverständlich ein wissenschaftliches Publikum hervorrufen, sonst stünden Menschen ja nicht wie selbstverständlich in der Zeitung und man würde sonst von Entdeckungen anderer Art berichten, kommen die gut rüber.

"Die kommen gut rüber.", denke ich.

Jetzt aber, da ich live und in echt mal in welche hineinblickte, und es war selbstverständlich nur für kurze Zeit, überraschte mich der Anblick dieser schwarzen Kugeln.

Da kam nichts gut rüber.

"Die kommen nicht gut rüber.", denke ich.

Das liegt wohl am Auflösungsvermögen von modernen Kameras im Nahbereich, fiel mir auf. In Publikationen von wissenschaftlichem Interesse.

In echt: Sie hatten gar keine Pupillen, fiel mir auf.

Pupillen sind schwarz, erinnerte ich mich und erinnerte mich mal geschrieben zu haben, daß Pupillen wie Einschußlöcher seien, und das, was sie schon sahen, hat in sie hinein geschossen, wie nicht selbstverständlich mal welche gesehen zu haben, in einem anderen Leben, als ich mal in schwarze Pupillen blickte. Selbstverständlich aus Neugier wohl, und das andere Leben bestand wohl aus Neugier, und es war wohl dieser Antrieb, der sich dann befriedigte. Und das neue Leben besteht wohl aus Neugier nicht. Und wie selbstverständlich friedet das.
Und wenn man in Augen blickt, erinnerte ich mich, die eine kontrastierende, farbige Umrahmung haben - egal welche -, und in die schwarzen Pupillen tiefer, die sich ruckartig von links nach rechts bewegen, weil sie sich nicht entscheiden können, welches Auge, das Linke oder das Rechte des Gegenüber, sie fokussieren sollen, dann fühlt man einen Schlag.

Was das für ein Schlag ist, kann ich selbstverständlich nicht beschreiben. Man schaue mal selbst in schwarze Pupillen tiefer, die eine farbige Umrandung haben. Oder lese in einschlägigen Publikationen nach, die Augen als selbstverständlich eindeutiges Indiz für die Entdeckung des Menschen angeben.

Die waren so schwarz, ich wußte gar nicht, worin ich sehen sollte.

Und dann kam mir der Gedanke, ob diese Menschen, diese Frauen selbstverständlich - man hat sie neben den Menschen in Publikationen selbstverständlich ebenfalls mitentdeckt, und berichtet nun mit Erstaunen des Entdeckens darüber - auch erstaunliche Erlebnisse mit ihren schwarzen Augen haben.

Es sind ja ihre eigenen und sie müßten es ja schließlich am besten wissen.

Ist es ihnen schon oft passiert, daß Menschen irritiert sind, wenn man sich in selbige blickt?

Ist es ihnen auch schon aufgefallen, daß es anderen schwerfällt zu wissen, worin man eigentlich jetzt blicken muß?

Und ist es ihnen auch schon aufgefallen, daß da jetzt beim Gegenüber dieser selbstverständliche Schlag fehlt?

Und kennen sie das schon?

Und wie gehen die damit um?


Da ist nur dieser schwarze Klops.


In Roxanne hat Steve Martin eine lange Nase. Zur Befriedigung hält er sich beim Arzt Karten mit Abbildungen anderer Nasen davor und beschaut sich schtönend im Spiegel. Eine Operation kann allerdings aus unerfindlichen Gründen nicht durchgeführt werden, weil er selbstverständlich allergisch auf das Narkosemittel reagiert. Oder es ist Hollywood. Was ihn allerdings nicht davon abhält - Hollywood auch nicht -, Daryl Hannah zu erobern. Selbstverständlich mit langer Nase, die er ihr zeigt. Und damals, als ich den Film sah, stellte ich mir selbstverständlich die gleichen Fragen, die einem selbstverständlich soeben jetzt gleich in den Sinn kommen: Welche Komplikationen schon bei einer Nasen-OP auftreten können.

Halten sich Frauen mit schwarzen Augen auch manchmal bunte Augenkarten vor die Augen, um zu sehen, wie ihre Augen dann anders aussehen? 

Und können die dann ihre Pupillen kontrastreich vom Rest des Auges sehen sehen?

Mit den Karten vor den Augen?

Tapezieren sie ihre Augen? Schon aus Neugier? Mit Mustern? Allein wegen der Kontraste?

Und gehen die dann alle Farben durch?

"Die, ja, die. Nee. Die nicht. Die später."

Vielleicht bereitet das ihnen ja Probleme, und ich bin empathisch, denke ich.

Ich finde, Frauen mit braunen Augen und schwarzen Pupillen sollten Hinweisschilder in Signalfarbe
anfertigen und sie im Augenbereich befestigen, die pfeilisch auf die Pupillen zeigen, damit geneigte Beschauer dann genau wissen können, wo sie denn jetzt hineinblicken sollen. Diesen Service halte ich für angemessen, in dieser selbstverständlichen Zeit, die Wissen vermitteln soll.

Und darauf sollten auch wissenschaftliche Publikationen selbstverständlich Wert legen.
Auf die wirklich wichtigen Fragen.

Nur sollten wissenschaftliche Publikationen nicht unbedingt von Männern, die man ebenfalls entdeckt zu haben schien, als man Menschen entdeckte, verfaßt werden. Die interessieren mich selbstverständlich nicht. Damit sollen sich Wissenschaftler beschäftigen. Deren Publikationen bestehen selbstverständlich immer aus "Die Banane von Lidl ist gelber als die Banane von Aldi".
Wenn sie wie selbstverständlich publizieren würden "Die Bana von Lidl ist gelber als die Bana von Aldi", dann würde mich das selbstverständlich interessieren. Dann würde ich selbstverständlich gerne wissen wollen, was Bana ist und was Lidl ist und was Aldi ist.
Dieses Wissen, denke ich, könnte noch mal selbstverständlicherweise nützlich sein.

Warum desinteressieren eigentlich Männer?
Warum wurden die noch mal mitentdeckt?
Darüber schreibt mal selbstverständlich wieder keiner.

Oder gucken Frauen mit schwarzen Augen gar nicht mit den Pupillen, sondern mit ihrem ganzen, dunklem Augapfel?

Und sehen die dann alles schwarz?

Und was fokussieren die dann?

Oder können die über den Rand hinaus fokussieren?

Oder haben die heimlich weiße Pupillen? Und malen sie die mit schwarzem Filzstift an? 

Und warum nicht blau oder rosa?

Solche Fragen interessieren mich.

Da ich mich schon nicht mit Menschen auskenne, wie selbstverständlich, finde ich, sollten solche Wissenslücken geschlossen werden. Allein schon wegen der allgemeinen Wissenshygiene.
Nachher fragt mich jemand - Kofi zum Beispiel, der selber schwarze Augen hat -, und ich habe keine Antwort darauf. Und dann ist das selbstverständlich auch wieder doof. Und Kofi schaut mich traurig an.

Die Frau war übrigens schön.
Und ich habe grüne Augen.
Und beides ergab zum Glück keine Geschichte.

Zumindest keine Selbstverständliche.
Dafür fehlt es mir mittlerweile an Neugier.
Und an dem einen Schlag, den man empfindet, wenn man in fremde Augen blickt.
Außer dem Interesse an Farben und wie sie mit ihrer Umgebung interagieren.
Und fiktive Charaktere aus Filmen.

Von Gordon Gekko weiß ich: "Newgreed is no good."
Und vom Albatros Orville weiß ich: "Flying needs a Landebahn. Aus dem Weg!"

Ich wünschte, diese neuentdeckten Menschen, die man im Bus trifft, wären fiktive Charaktere aus Bernhard und Bianca - Die Mäusepolizei. Dann könnte man sie beschauen, müßte sich aber nicht mit ihnen interagierend beschäftigen.

Der Bus ist mein Filmpalast. Das wäre schön.
Die Leinwand sind die anderen Menschen.
Und man beschaut nur deren Rücken.

Und in Bussen spielen keine Liebesgeschichten.
Sonst würde es ja nur Filme über Liebesgeschichten geben, die in Bussen spielen.
In Busse steigt man ein und man steigt aus.
Und in wissenschaftlichen Publikationen wurde darüber auch noch nie etwas beschrieben.

Augen und Liebe sind schlechte Schauspieler.
Oscars bekommt man fürs Abwenden, nicht fürs Hinschauen.
Jeder Schauspieler weiß, daß man für den Rücken nominiert wird.
Man erinnere sich an Libuse, wie man sie von hinten zeigt, wie sie vor dem Prinzen davonläuft.

Das Schöne an einem neuen Leben ist, daß man nie wieder neugierig ist und nie wieder liebt.
Ich vermisse den Augenschlag nicht.
Er war einfach nicht da. Dieser Schlag.

Ich beschrieb das nur, weil ich Mitgefühl für die Frau mit schwarzen Augen empfand, weil sich grüne abwendeten. Und mich ihr Schauen erstaunte. Und grüne sich abwandten. Und mich mein Unempfinden rührlos lies. Auch wenn es ein Kompliment war. Und Frauen Mitgefühl immer als Mitleid sehen. Und Mitleid will keine Frau sehen, lerne ich aus wissenschaftlichen Publikationen. Meinen Pupillen weiten sich nicht mehr. Und es war ein friedvolles Gefühl dabei. Liebe ist immer Aggression.

Wenn jetzt diese Menschen, die man entdeckt hat, auch noch aggressiv sind, weil sie liebesschlagen. Nein, nicht.

Liebe Menschen, bleibt bei Euren fiktiven Charakteren. Bitte kein Live-Feature. Besonders im Bus. Ihr sollt nur Kulisse für mein Leben sein. Und ich bin schon ein Stummfilm-Hologramm genug.


Diese Augen werden nie wieder anderes erblicken, als Abkehr.







*





Freitag, 8. Dezember 2017

Vampirmenschen wandeln wunter der Wsonne Twageswlicht - Krass blutige, nette Vampirgeschichte, splatter


René Magritte, Das Vergnügen


Merle sagte es noch: "Es gibt so Vampirmenschen. Die schleichen sich von hinten an und saugen Dich aus."
Merle lief barfuß durch den Park. Das tat sie wirklich.
Und vielleicht meinte sie, so schneller vor Vampirmenschen davon zu laufen.
Aber von Menschen war keine Spur. Nur Schmetterlinge und Eichhörnchen.

Ich dachte nur, ob das an den Füßen nicht piekelt.

"Das sind so Menschen, die sich nie zu erkennen geben. Die wollen nur Dein Blut und ihren Durst löschen.", sagte Merle noch. Und jemand anderes sagte, daß Merle ein schöner Name sei.

Sicher, dachte ich, Merle ist ein schöner Name. Aber so richtig gerne laufe ich nicht so gerne mit jemandem durch den Park, die barfuß lief. "Und Menschen, die nur ihren Durst löschen, haben nichts zu essen. Ist doch egal.", sagte ich. Und tat das nicht an den Füßen weh?, dachte ich und wich in weiteren Gedanken vorsorglich Steinchen aus, die schon auf dem Weg näher kamen, für Merle mit. Und später begann es noch, zu schneien.

"Die verhungern innerlich."
"Aber vorher saugen sie Dich aus.", sagte Merle.
"Und dann verhungern die innerlich."
"Ja, aber vorher saugen die Dich aus.", bestand Merle.
"Ja, aber die verhungern innerlich."
"Ja, aber vorher saugen die Dich aus."

Und zieht sie dann ihre Schuhe einfach wieder an, so ganz mit schwarzen Füßen, und ist das dann nicht ekelig?
Solche Dinge dachte ich noch dabei. Und Merle erzählte mir von ihrem Stress mit ihrer Nachbarin.
Die haue immer heimlich ihre Blumentöpfe kaputt.

"Ich hatte noch nie Probleme damit, Vampire anzuquatschen.", sagte ich. "Ich laber' die einfach an, und schaue, wie die sich ertappt fühlen. Aber meistens habe ich keinen Spiegel dabei, um ihnen ihr Spiegelbild zu zeigen."

"Vampire haben kein Spiegelbild."
"Ja, sage ich doch."
"Ja, warum sagst Du das dann nicht?", sagte Merle.
"Ja, sage ich doch. Vampire haben kein Spiegelbild."
"Ja, dann sag' das doch."

Und jetzt kam eine Pfütze. Jetzt kommt das Problem. Aber Merle wich einfach über den Rasen aus.
Ich staunte, wie leicht, Barfüßige Dingen, die Problemen bereiten konnten, so einfach ausweichen konnten.

"Ja, sage ich doch. Aber meistens habe ich keinen Spiegel dabei, um ihnen ihr Spiegelbild zu zeigen,
das sie nicht haben."
"Warum quatscht Du die dann an? Du hast doch gar keinen Spiegel. Die sehen das doch gar nicht."
"Ja, aber wenn sie einen hätten, dann könnten die das sehen."

"Ja, aber die sehen sich doch gar nicht im Spiegel.", sagte Merle.
"Ja, sagte ich doch."
"Dann sag' das doch.", sagte Merle.
"Ja, sagte ich doch."
"Warum quatschst Du die dann denn an?"
"Damit die das dann sehen."

Jetzt kam eine Bank. Und sie kam näher.
Und wenn eine Bank näher kam, und näher und dann schon auf gleicher Höhe war, und dann schon wieder sich entfernte, dann seufze ich. Merle wollte sich noch nicht setzen. Eine Bank steht da nicht zum Spaß rum, dachte ich. Sie will, daß man sich setzt. Und jetzt ist sie traurig. Weil sich wieder keiner gesetzt hat.

"Vampire quatschen vorher. Dann quatsche ich die halt selber an. Die halten sich für geil, weil sie
diese Superkräfte haben. Die können diese ganzen tollen Dinge. Die haben so Superhirne. Wie Superman. Die können fliegen. Und Hu-huh machen. Ganz unheimlich. Und zaubern können die. Vampire sind den Menschen überlegen. Und dann quatscht sie ein dummer Bauer an, der nichts kann. Dann sind die ganz perplex. Damit haben die nicht gerechnet. Aber Bauern haben eine Mistgabel. Das sind so edle Wesen gar nicht gewohnt. Ich bin immer für die Kleinen."

"Und dann sehen die das dann?"
"Ja, wenn sie einen Spiegel hätten, sähen sie dann, daß sie kein Spiegelbild haben. Die sehen nur die Mistgabel. Und die finden sie nicht nett."
"Deshalb sind das ja auch Vampirmenschen. Die schleichen sich von hinten an, geben sich nicht zu erkennen und saugen Dich dann aus. Aber mit dem Spiegelbild habe ich nicht verstanden.", sagte Merle noch.
"Wenn Du einen Spiegel hättest und den nach hinten hältst, könntest Du auch nicht sehen, wie sie sich von hinten anschleichen. Ist doch egal. Die quatschen halt und halten sich für was Besseres. Vor dem Beißen meinen die, noch vorher quatschen zu können. Und dann kommt was Schlechteres, und das quatscht die dann mit einer Mistgabel an."

"Also, ich meinte das irgendwie anders.", sagte Merle.
"Ja, ich auch."
"Ja, dann sag' das doch."
"Ja, sagte ich doch. Ist doch egal." Außerdem waren mir Merles Füße jetzt wichtiger.

"Außerdem quatsche ich keine Leute mehr an. Da schreibe ich lieber Geschichten. Da kann sich jeder drin sehen. Nur Vampirmenschen, die sich nicht zu erkennen geben, weil die sich nicht im Spiegel sehen können und sich nicht sehen können, denken, ich erzähle von ihnen, wenn ich eine Geschichte erzähle, und die könnten sich dann in den Geschichten sehen, als lese ich einem Blinden eine Geschichte vor. Ich könnte eine Farbe beschreiben, und die Vampirmenschen denken, ich beschreibe ihre Farbe, weil es ihre Lieblingsfarbe ist. Oder eine Farbe, die sie mögen. Aber, hey, es ist eine Farbe. Können Vampire überhaupt Farben sehen?"

"Vampirmenschen gehört jede Farbe.", sagte Merle.

"Ja, sag' ich doch. Die verhungern innerlich: Farben kann man nicht essen. Bilder kann man nicht essen. Tränen machen nicht satt. Das schönste Bild, das ich kenne, ist, wenn ein Kind ein großes Brötchen in der Hand hält und ißt."
"Vampire trinken nur Blut. Die trinken Tränenvenen. Die denken, die wissen, wie es schmeckt. Wissen aber nicht, woraus es gemacht ist." Merle hob jetzt ihren Fuß und klaubte einen Stein aus ihrer Sohle und warf ihn vor sich auf den Weg. Ich fand das intelligent. So konnte man sehen, wo er lag, wenn der Barfuß sich wieder näherte und dem dann ausweichen.
"Deshalb brauchen die immer wieder welche. An ihrer Seite verblutet man. Man dörrt aus. Aber die verhungern innerlich."

"Ja, sag' ich doch. Die verhungern innerlich."
"Dann sag' das doch. Die brauchen echte, ehrliche Menschen, um das Menschsein zu adaptieren.
Sie machen dann deren Gefühle nach. Ihre Bewegungen. Ihre Eigenheiten. Die Art, wie man richtige Beziehungen führt."
"Wie Schauspieler, die nichts eigenes haben."
"Ja, sag' ich doch. Vampirmenschen werden auch gerne als Schauspieler gebucht. Die spielen dann Schau. Wie im Spiegel. Deshalb gibt es auch so viele Vampirfilme. Die setzen echte Vampire ein."
"Ja, dann sag' das doch. Wie im Spiegelbild, in dem sie sich nicht selber sehen können. Deshalb spähen sie echte Menschen aus. Benutzen diese als ihr Spiegelbild. Ihre Bewegungen, ihre Eigenheiten, ihre Ambivalenz. Dann hauen sie Deine Blumentöpfe kaputt. Und lachen heimlich über die Scherben. Und sprechen Dich von vorne über andere an. Wer macht denn sowas? Sagt meine Nachbarin dann."

"Ja, sag' ich doch."
"Ja, dann sag' das doch.", sagte Merle.
"Ja, sag' ich doch."
"Ja, dann sag' das doch.", bestand Merle.

Der Park war jetzt rum. Ob wir noch auf die Wiese gehen wollen, fragte Merle. Und Merle ging schon vor.
Ich dachte nur, ob das nicht zu naß sei. Meine Schuhe waren schon von Grashalmenschattennässeflecken bedeckt. Kenne ich vom Farbmalkasten. Wenn man mit Schwarz Gräserbüschel auf ein Blatt Papier malt. Und schnell mit Grün naß drüber. So waren meine Schuhe von den Gräserbüscheln angemalt. Warum nicht ein Blatt Papier über eine nasse Wiese streichen, wenn man Gras malen will? Und ob Gras malen dann nicht einfacher ging? Und wenn es schneit, wie jetzt, dann kann man noch Schnee hinzufügen. Und ob Merles schwarze Füße dann wieder sauber werden oder grün, dachte ich.
Und wie ekelig das erst dann sei, danach die Schuhe wieder anzuziehen.

"Darüber könnte ich eine Geschichte schreiben.", sagte ich. "In meinen Geschichten bin ich verwegen. Hui-hui. Wie ich es mit Vampiren aufnehme und so.", gab ich an.
"Eigentlich bist Du ein netter Mensch", lobte Merle. Und sie sagte es so unvermittelt lächelnd lobend, daß es mir nicht nett gefiel.
"Danke. Weißt Du. In Geschichten kann man sich so unnett geben,", sagte ich und vermied es, Merle zu sagen, daß sie auch nett sei, damit sie nicht denke, ich fände sie nett, "wie Menschen sich sehen, wenn sie eh nur das nette Schlechte in sich sehen. Die können dann ihre Projektile auf einen werfen. Funktioniert wie ein Blitzableiter. Meine Geschichten helfen beim Schreien. Also, wenn Schreie Blitze wären. Die schreien dann die Geschichte an. Das können die dann machen. Die kennen gar keine echten Menschen mehr, die sie anschreien können. Also können sie meine Geschichten anschreien. Ist doch egal. Außerdem existieren Vampire nicht, wenn man nicht hinblickt. Ist wie ein Haus, das hinter Dir ist, und gar nicht existiert, wenn Du nicht hinschaust oder drin wohnst. Vampire gibt es nur, wenn man die anschaut. Und dann mußt Du warmes Blut haben. Dann beißen die Dich nicht. Die beißen nur kaltes Blut."

"Also ich finde Dich nett. Dein Buch würde ich gerne lesen. Echt cool.", sagte Merle, und ich fand das nicht so nett, wie sie das so nett dachte und ärgerte mich, es ungern aus Nettigkeit erzählt zu haben, als sie das Cover auf dem Couchtisch sah und es nicht zu übersehen war. Bauern behalten Dinge lieber für sich. So halten Vampirmenschen sie für dumm und leicht zu jagen. Dummes Blut schmeckt Vampirmenschen nicht. Dann kann man die leicht mit der Mistgabel verjagen.
"Danke. Die meisten finden mich nett.", dachte ich und dachte, wie Menschen wieder was von netten Menschen wollen, weil die das so anziehen, egal ob nett oder nicht, ob geschenkter Blumentopf oder zerschlagener Blumentopf. Nette Menschen ziehen alles an, wollen sich aber nur von allem abstoßen,
weil die nicht als leere Hüllen von ausschlürfenden Vampirmenschen enden wollen, die sie für ihren Durst ausgeschlürft haben, nur weil die nicht in den Supermarkt gehen wollen, um sich was zu trinken zu kaufen. Freeway-Fanta ist die Bauern-Bionade.

"Zumindest die, die gute Erfahrungen mit mir gemacht haben. Die anderen eher nicht. Die gibt es auch. Die, die schlechte Erfahrungen mit mir gemacht haben. Das Buch zeige ich nicht gerne vor. Ist mir unangenehm. Ich rede nicht gerne drüber. Nett, aber ehrlich.", sagte ich und verschwieg Merle, daß ich sie auch unangenehm nett fand, worauf sie hoffte, daß ich es sagte, daß sie nett sei.

"Aber ich finde nun mal Menschen komisch, die barfuß durch den Park laufen.", sagte ich ihr ins Gesicht.

"Und ich möchte nicht, daß die denken ich fände sie nett. Das war bei Sabrina auch so. Sabrina denkt dann, es könnte mehr werden. Und ich möchte nicht, daß Merle und Sabrina denken, es könnte mehr werden. Ich hatte das schon alles und es war schön. Aber jetzt will ich das nicht mehr. Ich will einfach nur allein sein. Und wäre ich nett, dann würde ich Dir das jetzt ins Gesicht sagen."

Aber das sagte ich Merle nicht.

Und vielleicht meinte ich, so schneller vor Vampirmenschen davonlaufen zu können, während Merle sich auf das nasse Gras setzte, und ich weiter stand.

Aber von Menschen war keine Spur. Nur Schmetterlinge und Eichhörnchen.

"Nur Schmetterlinge im Herbst und Eichhörnchen brauche ich, um glücklich zu sein.", sagte ich nach Schmetterlingen und Eichhörnchen Ausschau haltend stattdessen. Jetzt im Schneien.

"Ich auch.", sagte Merle.
"Ja, sag' ich doch.", sagte ich.

"Ja, ich auch.", sagte Merle.

Ja, aber ich sagte es nicht nett.

Und außerdem ging gleich die Sonne unter, dachte ich. Und bevor die Sonne unterging, wollte ich im Bett sein. Dann kommen die Vampirmenschen. Und jeden, der nicht bis dann im Bett ist, quatschen die dann an.
Dann ist das Blut noch kalt. So mögen Vampirmenschen das Blut am liebsten.
Wenn man aber im Bett liegt und sich mit der Decke eine Bude baut, dann ist das Blut schon warm.
Warmes Blut mögen Vampirmenschen nicht. Ist wie warmer Wein. Ich sagte doch, das ist eine krass blutige Geschichte. Und man muß dann auf dem Rücken liegen. Vampirmenschen können kein Blut sehen. Deshalb beißen die ja einen auch von hinten in den Hals. Weil die kein Blut sehen können, wenn es dann den Hals herunter läuft. Die brauchen den Nacken als Landebahn. Und so können die einen nicht von hinten beißen. Das müßten die dann schon von vorne machen. Deshalb habe ich im Bett unter der Decke auch immer eine Mistgabel.
Das ist nicht nett. Aber lieber nicht nett sein, sonst beißen die noch von vorne. Und vorne hat der Mensch mehr Blut als hinten.
Und dann kommen die noch auf den Geschmack. Also halte ich mein Blut lieber warm und bedeckt.
Dann beißen die in die Decke. Und Decke schmeckt Vampirmenschen nicht. Dann haben die zuviel Fusseln im Gebiß. "Das ist nicht nett.", sagen Vampirmenschen dann und gehen wieder weg. Und dann kann ich in Ruhe Bubu machen.

Das sagte ich Merle aber nicht. Sondern setzte mich zu Merle ins Gras. Barfuß verwundete Menschen muß man schützen, dachte ich.

Die können nicht so schnell vor Menschen davonlaufen, dachte ich noch. Die müssen sich vorher noch die Schuhe anziehen und zubinden.

Nettsein wird mein Grab sein. Aber es wird ein Grab sein, von echten Menschen ausgehoben.


Aber noch mußte ich Merle vor ihren Füßen schützen.






*