"Hallo" ist das Pfandleihhaus des "Aufwiedersehn"...



Miniaturen des Absurden

Betrete mit der Miene der Abfälligkeit und erhalte Einlaß

Vom Jardin du Luxembourg zum Panthéon brauchte es schon mehr als platonisches Innehalten, um sich Gehör für Gesehenes zu verschaffen. Da...

Sonntag, 14. September 2014

Aussie Grid Girl


Weil es nun mal bekannt ist, daß ich sämtliche Interessen bündele, die mich nun mal interessieren, und ich nicht fähig bin, gleichzeitig mehr als zwei Interessen als Geschenk zu schnüren, welches ich dann gerne selbst entpacke, weil ich ja weiß, was sich drin befindet und es mich dann auch nicht mehr überrascht, wenn ich es entpacke, und weil ich sonst auch nicht zu vielem fähig bin, außer mich, und ich doch noch Klimpergeld zwischen den wehmütigen Scherben eines zerschlagenen Sparschweines fand, das sich nach den Zeiten als Ferkel sehnte, als ich es noch an den Zitzen eines fetten Gehaltsscheck nährte, bestellte ich mir beim örtlichen Versandhandel – das Verpacken, das Verschnüren, das Versenden überließ ich doch dem Handel, bin doch faul – eine Doll.

Zwei Postboten mußten sie in den 8. Stock schleppen, nachdem sich unglücklicherweise der Aufzug zwischen Keller und Erdgeschoß verklemmte, nachdem ich unglücklicherweise mich von einem Funkeln in der Ritze zwischen Aufzugzelle und Kellergang ablenken ließ, als ich den getrennten Müll zu den Tonnen im Keller bringen wollte, und ich es fast übersah, ich mich aber bückte, weil mein Schnürsenkel nicht ordentlich geschleift war und ich mich nun mit dem Rückenbücken zum Gang wiederfand und dieses Funkeln unten sah und ich in dem Ritzefunkeln wohl etwas Wertvolles erkennen wollte und sodann aus meiner Hosentasche einen langen Draht hervorholte, den wie jeder weiß jeder Mann wie selbstverständlich heutzutage bei sich trug, und ich danach fischte, schon auf Knien, derweil sich die Aufzugtüren immer wieder dazwischen klemmten und ich, während ich noch nach dem Glitzern angelte, mit meiner Nase die Türsensorik foppte und dann einen blöden Ring aus Blech einer blöden Bierdose hochholte – steckte ihn hm-end ein, konnte vielleicht noch nützlich sein – und während ich meinen Erfolg noch in die Hose steckte, den Draht warf ich achtlos weg – wofür braucht Mann schon einen Draht, tz – mich die Aufzugtüren zurückfoppten, denen ich die Nase zeigte, wohl weil jemand oben faul den Aufzug rief, anstatt die Treppe zu benutzen, und klemmten ein – daher das unglücklicherweise –, was man sich nicht einklemmen lassen sollte, meine Nase, fuhr er nun hoch, ich mit ihm, aber weil mein Kopf nicht durch die Geschosse paßte, blieb er nun stecken, der Lift, dazwischen, und ploppte meine Nase wieder heraus.

Ich gab den Postboten kein Trinkgeld, sie hätten sich ja beeilen können und den Aufzug benutzen, tz – doch nicht meine Schuld, daß Aufzüge heutzutage keine echten Männernasen mehr vertragen können –, hätte ihre Last schon an der Tür abnehmen können, wies sie aber gleich zum Wohnzimmer weiter, wo sie meine Bestellung abstellten, schwitzend meinen Teppich volltropften und nun Hände aufhielten, wohl dem Trinkgeld wegen. Das Türzukrachen gab ihnen den Rat, das nächste Mal den Aufzug zu benutzen. Dann widmete ich mich dem Paket.

Die diskrete Verpackung ließ sich mit zwei Ritschratsch entledigen, dann schon prahlte mein Johannes, der sich seit dem Vorfall mit den Aufzugtüren unter einem Mullverband verbarg, mit der Aufschrift, dann drehte ich den UP!-Pfeil in die richtige Lage, mit der Aufschrift um die Wette:

Aussie Grid Girl.

Ich öffnete das Geschenk, das ich mir ja selbst packte, weil ich ja nun mal wie es bekannt ist nicht mehr als zwei Interessen gleichzeitig dort bündeln kann, wo man es kann, und holte mit jedem Glied, das ich nun aus der Packung holte, mit jenem geneigten Interessen je ein Lächeln aus der Starre. Und als wäre die eine nur für mich gemacht, öffnete Aussie Grid Girl gerade ihre Kreiselkompaßaugen, als ich sie in meine Arme zog zur Begrüßung. Und sagte bewegungssensorgesteuert – neuester Schrei – „Hi! I luv u!“ mittels MP3-integriertem Player. Ich legte sie gleich auf den Boden, wo alle Frauen am besten aufgehoben sind – so gewöhnen sie sich schon mal an die Teppichflusen, die sie sauber saugen sollen – und fand im Karton mein zweites bestelltes Interesse bestätigt vor: eine schwarz-weiß karierte Zielflagge – ich schwenkte sie schon mal –, ein Startnummer-Schild, klein, der Gedanke zählte, ein rotes Rennwagenmodell mit gleicher Nummer, Werbefirlefanz. Der Rennwagen hatte noch eine andere Funktion, mit der ich mich schon auf der Webseite der Dolls mit allem Bruuum und Bröörr und Bruiuiui-Ui-Ui, Gummi und Grid-Mittel mittels anschaulichen Filmchen und Bedienungsanleitung vertraut gemacht hatte. Ein Parkhaus kam mir in den Sinn. Aber das war wohl eine andere Webseite.

Aussie Grid Girl – ich gab ihr bewußt keinen Namen, man sollte stets den von den Schöpfern zugewiesenen achten, in diesem Falle den von Dolls, AUS, Inc. – hatte alle Öffnungen, die man benötigte. Ich fand allerdings, daß der Start unserer Beziehung einen angemessenen Rahmen benötigte und so setzte ich sie vor den Fernseher, gleich auf ihre Knie, damit sie sich auch daran gewöhnte – das Aluminium-Skelett mit den kugellagergelagerten, öldruckwiderstandgedämpften Gelenken hielt sie in jede Position, die erdenklich war, wenn man sie denn wünschte –, fand in meiner Küche noch die passende Kleidung, kritschend war der weiße Tüll der halben Küchenfenstergardine abgerissen, fand noch auf dem Weg zum Altarraum eines jeden modernen Menschen – das Wohnzimmer samt Plasma, das war der Altar – in einer Vase mit modrigem Wasser verdorrte Blumen – der vergebliche Versuch meiner Anpassung an das Triviale, nicht die Blumen, nicht die Vase, das Moderwasser –, drückte die Blumen in ihre Hände – wie lebensecht die Synthetik schon fortgeschritten war, Dolls, AUS, Inc. hatte sogar an Schweißdrüsen gedacht, ich schwöre, sie haben geschwitzt! –, machte die Doll nun zur Braut – auch daran haben die wunderbaren Schöpfer gedacht, Wildmähnehaarklammern lagen in der Packung, wer wollte schon, daß Haare in die Quere einer langen Beziehung kamen – indem ich den Schleier damit darin befestigte – auch daran hat Dolls, AUS, Inc. gedacht, ich schwöre, Aussie Grid Girl hat schüchtern zum Boden geblickt, oh, ein Fussel, schnell weggemacht –, zappte den Plasma nun zu den richtigen Programmen, die auch Männer verstehen, Sportkanal, und wie es der Zufall befahl, wenn man zur richtigen Zeit einschaltete und vorher in der Programmzeitschrift nachschaute, fing gerade die Live-Berichterstattung eines Auto-Rennens an, sogar in Australien!, so konnte sich Aussie Grid Girl gleich heimisch fühlen.

Andächtig lauschten wir der Startaufstellung, selbst auf Knien jetzt, nackt selbst schon nachdem ich den Postboten einen guten Rat mit auf den Weg gab – Türkrachen, nochmal in Gedenken –, dann, ich wollte schon den Knopf des integrierten MP3-Players drücken, schoß es mir in den Sinn! Hetzte zu meinen Klamotten – lagen überall im Flur verteilt von der Wohnungstür bis zum Wohnzimmer, wollte mich anständig Aussie Grid Girl vorstellen, wozu hat man Manieren –, fand meine Hose, fand den Dosenring aus Blech, hetzte wieder zurück zum Altar, gerade noch rechtzeitig – die Startampel brüllte ihre rote Farbe ins Motorengeheule, erlosch, dann, Start! –, steckte meiner Race-Braut für die Laps des Lebens, die uns noch blieben, den Ring an, riß ihr den Schleier von den Augen, preßte ihr den Hochzeitskuß auf die Lippen – was nicht einfach war, so weit geöffnet war der, da kam wohl die besondere Funktion des Rennwagen-Modells zum Einsatz, aber warm –, drückte auf den MP3-Playerknopf, der – die Schöpfer von Dolls, AUS, Inc. hatten wirklich an alles gedacht, an alles! – in ihren Ohrläppchen versteckt war – links die Worte, rechts das Motorenstöhnen – und Aussie Grid Girl sagte Ja mit den Worten: 

„I luv u! Cum‘, cum‘. Yeah. Full throttle. Cuuuum‘!“

Und ich glaube, sie meinte es ehrlich, als sie es sagte.

Wirklich.

Und ich liebte mich zum ersten Mal selbst im Leben, als ich sie zum ersten Mal auf ihrer Webseite von Dolls, AUS, Inc. sah und mit nur einem Klick auf Buy now! Cum‘ forever! einfach so bestellte. Und ich liebe sonst nichts. Nur – aber das soll niemanden abschrecken, nur gekochte Eier etwa sollte man stets abschrecken, die sind wie Gefühle –  alle meine beiden Interessen.





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