Meine Brieffreundin sagt.
Meine Brieffreundin sagt – die, nebenbei erwähnt, klug und schön ist –, ich solle mich jetzt mal um die Poesie kümmern.
„Kümmer‘ Dich mal um die Poesie.“, sagt sie kurz und
knapp.
„Warum soll ich mich denn jetzt um die Poesie
kümmern?“, sage ich meiner Brieffreundin, die nebenbei behauptet, klug und
schön zu sein.
„Ich könnte mich jetzt
um viel wichtigere Dinge kümmern. Ich könnte das Aussehen von Pflastersteinen
benoten oder die Unwirklichkeit von Rauhhaardackeln pro Rentnerbein an
Wintertagen bewerten. Ich kann mich jetzt nicht um die Poesie kümmern. Es
gibt noch so viel über Dackel zu erzählen.“, sage ich meiner Brieffreundin, die
klug und schön ist. Sagt sie.
„Wirklich nicht.“
„Wirklich nicht.“
„Doch. Kümmere Dich jetzt mal darum.“, sagt sie kurz und knapp.
Kurz und knapp sagt sie das. „Die Poesie, die ist noch
nicht erfunden.“
„Doch. Die ist schon erfunden.“, sage ich.
„Nasen wurden auch schon erfunden. Trotzdem gibt es immer
wieder neue.“, sagt meine benaste Brieffreundin und schickt mir ein Photo von
einer Nase. „Das ist eine Nase.“, sagt sie dazu.
„Das ist eine Nase.“, sage ich naseweis dazu.
„Nein. Das ist keine Nase, das ist Poesie. Mach‘ da
mal was.“, sagt meine Brieffreundin, die je weniger klüger sie erscheint
schöner wirkt, was den Effekt erklärt, von ihr gleichermaßen angezogen wie
abgestoßen zu sein, je schöner sie wirkt, wenn sie klug ist.
„Mach‘ da mal was.“, sagt meine Brieffreundin, die
wohl nicht mehr alle Nasen im Gesicht hat.
Hätte sie noch alle Nasen im Gesicht
und hätte ihre Nase nur ein Loch, dann würde ich es ihr stopfen, denke ich. Und
dann wäre es gestopft, bis zu einer kritischen Masse. Ihre Nase hat aber zwei
Löcher.
Ein schwarzes und ein weißes.
Je
größer ein Schwarzes Loch, desto kleiner das weiße Zwillingsloch daneben.
Ein
Schwarzes Loch geht immer mit einem weißen Zwerg an seiner Seite einher.
Das behaupte ich jetzt einfach. „Und das ist dann Poesie.“, sage ich.
„Behaupte etwas,
dann ist es Poesie, denn Poesie behauptet etwas.“, behaupte ich.
Das ist die Einführung in die Poesie, und mit ihrer Hilfe, mit Hilfe der Liebe werden wir lernen, zaubern zu lernen. Das nennt man Magie.
Die
Wahrscheinlichkeit ein und derselben Person an einem anderen Ort zu erscheinen
erhöht sich an anderem Ort von 0 % zu > 0 %, richtet sie ihre Wellen als Subjekt auf den
anderen Ort.
Oder poetisch:
Musik wärmt, Ruhe kühlt.
Spiegelt sich Musik in
einer Oberfläche, wärmen Wellen –
Schritte wie Musik. Sei leise, und Du kühlst; höre aber auf Dein Herz: Es
pocht. Und piekst. Stehst Du vor einem
Spiegel, bedenke, schaut Dich Dein Spiegelbild wärmer an, doch vergesse nicht, zu lächeln, und stelle Dir nicht
Dich, stattdessen Deine Spiegelliebste vor, so wird es noch wärmer von innen davor.
„I knew a Mark. He came
in sight… and left in dark. Mark w’out light and saw… what might an‘be: ‚O
trout!‘, he said. And marked. ‚And not a’lowed. For mee.‘“
„Das Spiegelbild eines
Menschen ist wärmer als träfe nur weißes Licht auf die spiegelnde Oberfläche.“,
sage ich meiner Brieffreundin, die klug ist, nicht an meiner Seite vor dem
Spiegel zu stehen, nebenbei erwähnt, was sie, nebenbei erwähnt, schöner aus
der Ferne erscheinen läßt.
„Du hast ja einen Knall.
Das klingt ja noch nicht mal poetisch.“, sagt meine dumme und häßliche
Brieffreundin. „Du denkst wohl, nur weil Du Dich vor einen Spiegel stellst, ist
das Poesie? Wenn Du Dich siehst, wird Dein Spiegel wärmer?“
„Der Spiegel wird wärmer.
Wärst Du ein Objekt. Sähe ich Dich im Spiegel. Und richtest Du Deine Wellen auf mich.“
„Du siehst mich also als Objekt?“, sagt meine Brieffreundin
objektiv.
„Ja. Sähe ich Dich als Subjekt, spürte ich Deine Wärme aus der
Nähe. Aus der Ferne spüre ich sie mithilfe eines Spiegels, betrachte Dich aber
als Objekt.“, sage ich meiner klugen, zuweilen schon mal geschönten
Brieffreundin. „Du bist da und dort. Zur gleichen Zeit. In meinem Spiegel und
bei Dir zuhause. Anhand der Wärme. Die Poesie ist entdeckt.“
Daraufhin höre ich zwei
Wochen nichts mehr von meiner kalten Brieffreundin.
Sie muß sich noch erwärmen,
denke ich.
Widme ich mich lieber
Dackeln. Über die ist noch nicht alles erzählt, was-solls-ze ich.
„Es gibt noch so viel
über Dackel zu erzählen.“
*
(Ode/r
an Gravitationswellen. Ein Schwarzes Loch ist wie eine Nase. Es hat einen
Gravitationsberg und zwei Löcher. Ein großes Schwarzes und ein kleines weißes
daneben. Ist wie Poesie: Die Poesie, die ist noch nicht erfunden, entdeckt man erst, was in ihr steckt. Man muß jetzt
nur noch den Popel in der Nase finden. Und dann muß man entdecken, was im Popel steckt, bevor man etwas entdeckt. Man muß sich also den Popel erst mal vorstellen, bevor man ihn entdeckt. Das ist Poesie. Dann ist die Poesie erfunden. Und dann kann man schauen, was im Popel steckt. Und dann hat man den Finger schon in der Nase, aus der Nase. Und dann war man schon mal kurz im Schwarzen Loch und wieder draußen.)
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