Gibt es eigentlich noch die, die nur das Beste für
einen wollen? Ja? Gut. Denn diese
Geister sollte man jetzt zu sich rufen. Sie antworten im Guten:
„Eigentlich will ich doch nur, daß wir gemeinsam in
den Sonnenuntergang tanzen. Barfuß.“
Oder
sind die noch im letzten Jahrhundert stecken geblieben?
So, wie bei einer Aufzugstür. Und die Tür ditscht
immer dagegen. Und sie kommen nicht rein in das Stockwerk des 3. Jahrtausends?
„Aber eigentlich will ich nur, daß Du mich bemerkst,
merkst, merkst! Wie sehr Du mich brauchst, brauchst, brauchst?“
Und heimlich jeden Pups von einem in einem Einmachglas
aufbewahren?
„Nur ich und Duhu!“
Und dann die Voodoo-Puppe
herausholen. Und mit einer Gabel in den Puppenkörper sticht, sticht, sticht?
„Ich will doch nurhu das Beste, Beste, Beste für Dichdichdich
– nicht, nicht, nicht!“ Und Stichstichstich?
Gibt
es die noch?
Gut. Die braucht man jetzt.
Ja, die scheint es noch zu geben,
denke ich.
Ich sehe schon ein rotes Grablicht und einen Teddy mit
Zettel an einer verlassenen Haustreppe stehen. Im Dunkeln. Ausgeleuchtet nur
von einer einsamen RTL-Aktuell-Kamera,
und traurige „Man hat sie kaum gesehen.“-O-Töne von fassungslosen Nachbarn. Wie konnte das nur passieren?
„Nur ich und Duhu!“
Steht dann auf dem Teddy-Zettel in rosa Schreibschrift.
Und Herzchen. Und Herzchen-Halskette um den Hals des armen Teddys. Leuchtend.
Wenn man drauf drückt. Das Herzchen bubbert. Und daneben das Einmachglas mit
rotem, dicken Einmachglasgummi. Und darin der Pups. Für die Ewig-, Ewig-,
Ewigkeit bewahrt:
„Nur Duhu!!!“
Und das Blinkeherzelicht des Teddys erlischt langsam – die Batterie – wie beim Terminator in
der Endfight-Szene.
Man eröffnet schon innerlich das Spendenkonto:
„Es war mir ein innerliches Spendenkonto, Dich erlebt
zu haben.“, erinnert man sich an das Omi-Parfüm, der von uns gegangenen 20.-Jahrhundert-Omi-Zeit.
Und dann – so
ist man – wendet man sich achtlos der Jetztzeit zu, wirft sich die Oberflächlichkeit,
die eigene, kaum vor und schaut selbstredend eine aktuelle Dokumentation über
die Tribute von Panem – was könnte es
Schöneres geben? –, um auf dem Laufenden des Geschehens zu bleiben, mit
Titel:
„Hunger Games – The Untold Story“.
Was
könnte es Schöneres geben, als verfressen anderen beim Hungern zuzusehen?
Die Menschen vom Kapitol werden gezeigt. Und sie haben komische Namen wie Puff Daddy, Pink oder Purpose B.A.D.
– Bi-Ey-Di ausgesprochen. Alle kauen Kaugummis.
„Hunger Games.“, sagt der Kommentator und verteilt
weitere, aber jetzt wirklich gute Kaugummis. Und man glaubt schon seinen
eigenen Augen, was man nie tun sollte, wenn man noch seinen Verstand für die
Werbeeinblendungen des 3. Jahrtausends bewahren wollte, als zwei Future-Zuhälter
in der auf Sauna klimatisierten Halle auftreten in zehn Nummern zu großen, gefärbten – und das Farbspektrum läßt viel Platz für
Spekulation – Pelzmänteln.
Alle sind gelangweilt. Und man wartet jetzt gespannt darauf,
daß zumindest einer der Pelzmäntel Feuer fängt: Der Man in Motion aus der Sidekick-Werbung würde dann wenigstens mit
seinen Armen fuchteln, um die Flammen im Keim zu ersticken oder anzufachen, um nicht bei
lebendigem Leibe unter Jubel der Kapitolisten zu verbrennen oder nicht zu verbrennen. In allen
spekulativen Farben des zuvor erwähnten Farbspektrums. Und die Farbe Pink schaut auf ihren Kommunikator. Gelangweilt.
Und man erspart sich, sich in die bunten Nöte der
Bewohner des Kapitols hineinzudenken,
während man schon den Aufstand plant und von wo man seine bewaffneten Truppen
die Halle stürmen läßt.
Aber dann schickt das Kapitol schon seine eigenen Truppen aufs Feld. Man denkt nur: Mit
ihrer gelangweilten Dekadenz werden sie Probleme bei der danach folgenden
Nahrungsverteilung bekommen, die dann im Tumult ausbricht, wenn sich alle um
rationierte Kaugummis schlagen.
Man hofft, daß diese Kaugummis Superfood-Kapseln seien, die den Magen auf wundersame Weise einen
Monat lang nähren.
Und man erwägt schon selbst in den nun einsetzenden
Kriegsszenen die Omi aus dem letzten Jahrtausend – „Nur ich und Duhu!!!“ – mittels von ihr entwendeter Voodoo-Puppe wiederzubeleben.
Als unter
Tod am Strick geächtetes Kriegsmittel. Auch wenn solche vernichtenden Waffen
seit dem letzten Atomkrieg fahrlässiger Weise verboten wurden.
Niemals näher kam man dem Gedanken, den nächsten
Wellness-Urlaub in Nord-Korea zu verbringen:
In einem dieser Hundekäfige, in denen der geliebte Diktator
seine Hunde auf seine Liebsten hetzt.
Dann ruft man todesverachtend die „Nur ich und
Duhu!!!“-Omi zur Hilfe und sagt:
„Jetzt! Nur Duhu und ich. Jetzt. Omi. Jetzt.“
Dann, dem Wahnsinn knapp entronnen – und dem Wahnsinn entgeht man nur redend lebend, wie jeder Wahnsinne
weiß: So hört man sich zumindest lebend, weil redend –, sucht man als
einziger Überlebender der Rebellion das Grab von Orwell auf – in der
Nachbarschaft steht noch die Farm der Tiere; dort herrscht noch immer das übliche Treiben; und das arme Pferd, der
arme Boxer; ach, was sag‘ ich: Treiben, Antrieb, antreiben, treiben, Treiben
treibt an konjugiert –, steht im Animal der Farm, erwischt von Revolutionen
für sich selbst fuselfaselnde Schweine, die dann erwischt, einem den Status als
Nichts vorwerfen, während sie sich in ihrem eigenen Auserwählt als Alles suhlen –
wie im eigenen Kot, es sei ja mal eigenes Essen gewesen, und noch nie selbst eigenen
Hunger erfahren haben –, wischt den Staub von der verwitterten Grabplatte
des schlausten Menschen der Welt – unter den
Toten war er die gesündeste Leiche: Sie zuckte noch beharrlich – und liest:
„Männer reden nicht viel, aber sie behalten ihre
Gedanken für sich:
Wer schreibt, sucht Freunde.
Wer gut schreibt, verzichtet
auf Freundschaften.
Wer am besten schreiben will, schreibt nicht mal einen
einzigen Gedanken. Nicht einen einzigen. Nicht mal einen Brief ans gestrige Morgen.“
Den Krieg gewinnt man immer.
Fügte ich hinzu.
Der Tod starb durch eine Halskette. Mit Herzchen dran.
„Erdrosselt.“
Stand lapidar auf dem Obduktionsbericht des Teddys,
muß ich kurz noch anmerken.
Das Schlachtfeld der anderen ist immer das bessere.
*
(Ode/r
an:
„Dies
ist das 3. Jahrtausend.“
„An
diesem Datum habe ich keine Zeit.“
„Wie
wär’s mit dem 23. Jahrhundert?“
„Muß
ich schauen. Ist dann immer noch das 3. Jahrtausend?“
„Ja.“
„Da
kann ich nicht. Ich bin noch mit dem 2. beschäftigt. Ich kann ja nicht alles
gleichzeitig beschauen.“)
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