"Hallo" ist das Pfandleihhaus des "Aufwiedersehn"...



Miniaturen des Absurden

Betrete mit der Miene der Abfälligkeit und erhalte Einlaß

Vom Jardin du Luxembourg zum Panthéon brauchte es schon mehr als platonisches Innehalten, um sich Gehör für Gesehenes zu verschaffen. Da...

Mittwoch, 7. Februar 2018

Unlüge! Es gibt kaum ein Bereich, in dem so viel gelogen wird, wie bei der eigenen Attraktivität


HÖRZU-Titelbild der Weihnachtsausgabe.
Wer kennt es noch?


„Ja, schon klar, Super-Girl (DC-Comics, erwachsen, ich Marvel). Die Realität ist auch nur ein ausgedachtes Theaterstück. Vorgespielt. Auf der Bühne. Für den einen im Publikum, der immer klatscht. Für den lächelt man noch mehr. Für den hebt man das Kinn noch etwas mehr, hebt den Kopf noch etwas mehr, damit er seitlich noch etwas mehr Fläche bietet, die Augen suchen den Decken-Spot. Damit sie noch mehr funkeln, wenn sie das Licht reflektieren. Der Blick wendet sich dabei ab, so läßt man sich am besten bewundern. Hinter dem Vorhang dann die entscheidende Frage ins Dunkle des Seitenaspekts flüsternd gestellt, das soll einen bestätigen: ‚Wie war ich? Habe ich wirklich das Spot-Light mit meinen Augen getroffen und das Licht reflektiert? Ich konnte dabei ja nichts sehen. Ich habe ja an die Decke geschaut. Ich mußte die Augen dabei aufgesperrt lassen. Und beinahe habe ich dabei getränt. Und ich konnte auch das Publikum nicht sehen. Ich mußte ja das halten. Aber einer hat geklatscht. Dann habe ich das Funkeln wohl getroffen? Warst Du auch so von meinem Angestrahltsein berührt?‘“

„Es gibt kaum ein Bereich, in dem so viel gelogen wird, wie bei der eigenen Attraktivität.“, antworte ich mit Daumen hoch, und dann starb der Oscar in ihr. Ein wenig.

„Ja, das ist es. Halte das. So stirbt man richtig. Merke es Dir für die nächste Blumenszene.“

Unattraktive Menschen wie ich begegnen der Realität mit der Genügsamkeit von Fallobst, das nicht mehr prachtvoll am Zweiglein hängen muß, und nun am Boden zufrieden darauf wartet von einem Igel angefressen und fern des Stammes in Samenform seitlich der Hecke neben einem Laubblatt, rötlich, ausgeschissen zu werden. Nie war ich glücklicher, nichts mehr ausstrahlen zu müssen, nie war ich glücklicher, nichts mehr vorspielen zu müssen. Ich bin unattraktiv, und das macht mich glücklich.

Nichts muß ich mehr sein. Keine Erwartungen muß ich mehr erfüllen. Ich muß nur noch ein ausgeschissener Apfelkern sein.

Für mehr muß ich mich nicht mehr rechtfertigen. Keinem muß ich mehr meinen Humor unter Beweis stellen, ich muß nicht mehr mitlachen, wenn ich gar nicht lachen will, wenn es auch gar nicht lustig ist, ich muß nicht mehr so tun, als ob jemand toll ist, weil man etwas von dem will, auch wenn die gar nicht so toll ist, auch wenn man gar nichts von der will – aber es könnte ja etwas mangeln, also muß man so tun –, ich muß kein Status sein, den andere nur für sich brauchen, weil sie Status für die Nachbarnkollegenfreundefamilie brauchen, wie das Rentnerauto, bei dem sich der Rentner dafür vergewissern muß, bei seinen Nachbarn, ob man auch das richtige Auto gekauft hat und so viel investiertgeldausgegebenprospekte geblättert hat und ob es auch die richtige Farbe hat, damit die Nachbarschaft nicht tuschelt, ich muß nicht mehr vorzeigbar, angebbar, abwaschbar sein.

Ich muß nur eine Wohnung haben, essen, schlafen, träumen, atmen, Wasser trinken.

Ich muß keine Hoffnung in anderen mehr sein, in denen etwas zu erwecken, Ansprüchen genügen, nicht mehr nicht doof sein – was ich gerne bin –, kein Funkeln mehr erzeugen, keine noch so empfindliche Empfindlich-, Fühlig-, Launig-, Kleidsamkeit benicken.

Ich muß nur noch beschauen, was ich für mich selbst als erträglich empfinde.


Wenn ich will, laß ich es schneien.

Ich muß keine Worte von anderen mehr lesen, muß nicht mehr zuhören, wenn jemand etwas sagen muß, muß nicht auf irgendetwas warten, muß nicht Klicks beachten, keine Seiten im Internet aufsuchen, keinem folgen, kein Gefühl haben, etwas Wichtigeswichtigeswichtiges zu verpassen, darauf harren, lesen, schauen. 

Darauf verstarren, daß andere einen vergnügen, unterhalten, amüsieren, muß nicht mehr anderen genügen.

Ich erwische mich dabei, seit Längerem häufig zu lachen. Gut gelaunt zu sein. Mich zu freuen.

Zu lesen gibt es nichts, interessante Leute zu beschauen gibt es nicht, im Fernsehen läuft nur Schrott. Meine Fenster haben einen schönen Ausblick.

Ich warte auch nicht mehr darauf, daß es Gutes zu lesen gibt, es interessante Leute zu beschauen gibt, im Fernsehen etwas Interessantes läuft. Meine Fenster haben einen schönen Ausblick, ich höre Kinder lachen.

Ich schreibe etwas, dann ist es wie Stricken:

Manchmal aufzuschauen. Mir Menschen vorzustellen, sie zu erfinden. Was könnten sie sagendenkenfühlendummestun?

Schöner Himmel, wieder Kinderlachen.


Ich lache dabei.



Wenn ich will – wenn ich ganz mutig bin –, schaue ich einfach so.
Aber dann muß ich mich richtig, richtig überwinden.
Ich muß nur wieder wegblicken.
Dann geht's.
Ganz schlimm: Rechts ist auch noch ein See.
Sommers hasse ich es, in dem zu baden.





*






(Ode/r an das bedingungslose Grundbekommen, erwartungslos selbstgenügsam zu sein.)








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