HÖRZU-Titelbild der Weihnachtsausgabe.
Wer kennt es noch?
„Ja, schon klar, Super-Girl (DC-Comics, erwachsen, ich Marvel). Die Realität ist auch nur ein ausgedachtes Theaterstück. Vorgespielt. Auf der Bühne. Für den einen im Publikum, der immer klatscht. Für den lächelt man noch mehr. Für den hebt man das Kinn noch etwas mehr, hebt den Kopf noch etwas mehr, damit er seitlich noch etwas mehr Fläche bietet, die Augen suchen den Decken-Spot. Damit sie noch mehr funkeln, wenn sie das Licht reflektieren. Der Blick wendet sich dabei ab, so läßt man sich am besten bewundern. Hinter dem Vorhang dann die entscheidende Frage ins Dunkle des Seitenaspekts flüsternd gestellt, das soll einen bestätigen: ‚Wie war ich? Habe ich wirklich das Spot-Light mit meinen Augen getroffen und das Licht reflektiert? Ich konnte dabei ja nichts sehen. Ich habe ja an die Decke geschaut. Ich mußte die Augen dabei aufgesperrt lassen. Und beinahe habe ich dabei getränt. Und ich konnte auch das Publikum nicht sehen. Ich mußte ja das halten. Aber einer hat geklatscht. Dann habe ich das Funkeln wohl getroffen? Warst Du auch so von meinem Angestrahltsein berührt?‘“
„Es gibt kaum ein Bereich, in dem so viel gelogen
wird, wie bei der eigenen Attraktivität.“, antworte ich mit Daumen hoch, und
dann starb der Oscar in ihr. Ein
wenig.
„Ja, das ist es. Halte das. So stirbt man richtig.
Merke es Dir für die nächste Blumenszene.“
Unattraktive Menschen wie ich begegnen
der Realität mit der Genügsamkeit von Fallobst, das nicht mehr prachtvoll am
Zweiglein hängen muß, und nun am Boden zufrieden darauf wartet von einem Igel
angefressen und fern des Stammes in Samenform seitlich der Hecke neben einem
Laubblatt, rötlich, ausgeschissen zu werden. Nie war ich glücklicher, nichts
mehr ausstrahlen zu müssen, nie war ich glücklicher, nichts mehr vorspielen zu
müssen. Ich bin unattraktiv, und das macht mich glücklich.
Nichts muß ich mehr sein. Keine Erwartungen muß ich mehr
erfüllen. Ich muß nur noch ein ausgeschissener Apfelkern sein.
Für mehr muß ich mich nicht mehr rechtfertigen. Keinem
muß ich mehr meinen Humor unter Beweis stellen, ich muß nicht mehr mitlachen,
wenn ich gar nicht lachen will, wenn es auch gar nicht lustig ist, ich muß
nicht mehr so tun, als ob jemand toll ist, weil man etwas von dem will, auch
wenn die gar nicht so toll ist, auch wenn man gar nichts von der will – aber es könnte ja etwas mangeln, also muß man so tun –, ich
muß kein Status sein, den andere nur für sich brauchen, weil sie Status für die
Nachbarnkollegenfreundefamilie brauchen, wie das Rentnerauto, bei dem sich der
Rentner dafür vergewissern muß, bei seinen Nachbarn, ob man auch das richtige
Auto gekauft hat und so viel investiertgeldausgegebenprospekte geblättert hat und
ob es auch die richtige Farbe hat, damit die Nachbarschaft nicht tuschelt, ich
muß nicht mehr vorzeigbar, angebbar, abwaschbar sein.
Ich muß nur eine Wohnung haben, essen, schlafen,
träumen, atmen, Wasser trinken.
Ich muß keine Hoffnung in anderen mehr sein, in denen etwas
zu erwecken, Ansprüchen genügen, nicht mehr nicht doof sein – was ich gerne bin –, kein Funkeln mehr
erzeugen, keine noch so empfindliche Empfindlich-, Fühlig-, Launig-,
Kleidsamkeit benicken.
Ich muß nur noch beschauen, was ich für mich selbst
als erträglich empfinde.
Wenn ich will, laß ich es schneien.
Ich muß keine Worte von anderen mehr lesen, muß nicht mehr
zuhören, wenn jemand etwas sagen muß, muß nicht auf irgendetwas warten, muß nicht Klicks beachten, keine Seiten im
Internet aufsuchen, keinem folgen, kein Gefühl haben, etwas Wichtigeswichtigeswichtiges
zu verpassen, darauf harren, lesen, schauen.
Darauf verstarren, daß andere
einen vergnügen, unterhalten, amüsieren, muß nicht mehr anderen genügen.
Ich erwische mich dabei, seit Längerem häufig zu
lachen. Gut gelaunt zu sein. Mich zu freuen.
Zu lesen gibt es nichts, interessante
Leute zu beschauen gibt es nicht, im Fernsehen läuft nur Schrott. Meine Fenster
haben einen schönen Ausblick.
Ich warte auch nicht mehr darauf, daß es Gutes zu
lesen gibt, es interessante Leute zu beschauen gibt, im Fernsehen etwas
Interessantes läuft. Meine Fenster haben einen schönen Ausblick, ich höre
Kinder lachen.
Ich schreibe etwas, dann ist es wie Stricken:
Manchmal aufzuschauen. Mir Menschen vorzustellen, sie zu erfinden. Was könnten sie
sagendenkenfühlendummestun?
Schöner Himmel, wieder Kinderlachen.
Ich lache dabei.
Wenn ich will –
wenn ich ganz mutig bin –, schaue
ich einfach so.
Aber dann muß ich mich richtig, richtig überwinden.
Ich muß nur wieder wegblicken.
Dann geht's.
Ganz schlimm: Rechts ist auch noch ein See.
Sommers hasse ich es, in dem zu baden.
Ganz schlimm: Rechts ist auch noch ein See.
Sommers hasse ich es, in dem zu baden.
*
(Ode/r
an das bedingungslose Grundbekommen, erwartungslos selbstgenügsam zu sein.)
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